Berlin, d. 4. Jul. 1800.
Verehrter Freund,
Mein Urtheil über Bardili’s Logik habe ich angestanden Ihnen zu schreiben, aus Furcht, Sie zu beleidigen; ich finde, daß nichtantworten noch beleidigender wäre, und muß mich sonach endlich wohl entschließen.
Ich erhielt gleich nach Abgang meines lezten Briefs an Sie ohngefähr in der Mitte des Februar das Buch. Ich durfte nur in der Vorrede erblicken, daß der Verf. sich wirklich des ganz neuen Kunststücks rühmte, aus der Logik einen reellen Gegenstand heraus geklaubt zu haben, um schon a priori zu wißen, wie ich mit dem Buche daran seyn würde. Ich las es jedoch, Ihnen zu gefallen, einmal, aber nach meiner Art, d. h. indem ich die Lektüre mit meinem schriftlichen Räsonnement ununterbrochen begleite. Die guten Winke – nur Winke – über den Satz der Identität, als Grundlage alles unsers Denkens konnten mir nicht neu seyn; es kann auch Ihnen nicht unbekannt seyn, wo völlig, [/] und ich glaube mit mehr Klarheit, ausgeführt ist, worauf B. deutet. Der Hauptpunkt aber des neuen Systems, einr Ur-denken unvermerkt und ehe man die Hand umwendet in ein Ur-seyn zu verwandeln, und die Frage nach einem Bande des subjektiven, u. objektiven gänzlich zu ignoriren, ist, seit dem ersten Gedanken eines Kriticismus in Kants Kopfe, von Grund aus vernichtet; und die Wiederholung dieses Verstoßes war nur von einem Manne zu befürchten, der – weit entfernt von der W.L. einen Begriff zu haben – nicht einmal in Kants Schriften flüchtig geblättert zu haben, und den Criticismus nur aus Nicolai’s und Herders Relationen zu kennen scheint.
Ihnen, mein Freund, gilt nicht, was ich über B. sage, denn Sie nehmen diesen, den ich einen Dogmatiker vom bekannten ontologischen Beweise für das Daseyn Gottes nennen möchte, für einen transscendentalen Idealisten. Wir sind sonach in der Erklärung des Schriftstellers nicht einig. Daß ich aber richtig erkläre, davon müste Sie, sollte ich glauben, B.s. eigner Auszug, den Sie mir gütigst überschikt haben, überzeugen. [/]
Ihre Recension des Buchs habe ich noch nicht gelesen; ohnerachtet ein Freund und Kenner meiner Philosophie, zugleich Kenner des Bardili’schen Buchs, mir sehr misbilligend darüber geschrieben.
Meinen herzlichen Dank an Jacobi für die gütige Mühe, in Absicht des Kantischen Inserats; ohnerachtet ich der erhaltnen Nachricht keine Folgen zu geben gedenke, indem alle Dinge dieser Art mir anfangen, sehr unbedeutend zu erscheinen.
Mit Hochachtung und Freundschaft
der Ihrige
Fichte
Herrn Professor Reinhold
zu
Kiel
Frei.
Verehrter Freund,
Mein Urtheil über Bardili’s Logik habe ich angestanden Ihnen zu schreiben, aus Furcht, Sie zu beleidigen; ich finde, daß nichtantworten noch beleidigender wäre, und muß mich sonach endlich wohl entschließen.
Ich erhielt gleich nach Abgang meines lezten Briefs an Sie ohngefähr in der Mitte des Februar das Buch. Ich durfte nur in der Vorrede erblicken, daß der Verf. sich wirklich des ganz neuen Kunststücks rühmte, aus der Logik einen reellen Gegenstand heraus geklaubt zu haben, um schon a priori zu wißen, wie ich mit dem Buche daran seyn würde. Ich las es jedoch, Ihnen zu gefallen, einmal, aber nach meiner Art, d. h. indem ich die Lektüre mit meinem schriftlichen Räsonnement ununterbrochen begleite. Die guten Winke – nur Winke – über den Satz der Identität, als Grundlage alles unsers Denkens konnten mir nicht neu seyn; es kann auch Ihnen nicht unbekannt seyn, wo völlig, [/] und ich glaube mit mehr Klarheit, ausgeführt ist, worauf B. deutet. Der Hauptpunkt aber des neuen Systems, einr Ur-denken unvermerkt und ehe man die Hand umwendet in ein Ur-seyn zu verwandeln, und die Frage nach einem Bande des subjektiven, u. objektiven gänzlich zu ignoriren, ist, seit dem ersten Gedanken eines Kriticismus in Kants Kopfe, von Grund aus vernichtet; und die Wiederholung dieses Verstoßes war nur von einem Manne zu befürchten, der – weit entfernt von der W.L. einen Begriff zu haben – nicht einmal in Kants Schriften flüchtig geblättert zu haben, und den Criticismus nur aus Nicolai’s und Herders Relationen zu kennen scheint.
Ihnen, mein Freund, gilt nicht, was ich über B. sage, denn Sie nehmen diesen, den ich einen Dogmatiker vom bekannten ontologischen Beweise für das Daseyn Gottes nennen möchte, für einen transscendentalen Idealisten. Wir sind sonach in der Erklärung des Schriftstellers nicht einig. Daß ich aber richtig erkläre, davon müste Sie, sollte ich glauben, B.s. eigner Auszug, den Sie mir gütigst überschikt haben, überzeugen. [/]
Ihre Recension des Buchs habe ich noch nicht gelesen; ohnerachtet ein Freund und Kenner meiner Philosophie, zugleich Kenner des Bardili’schen Buchs, mir sehr misbilligend darüber geschrieben.
Meinen herzlichen Dank an Jacobi für die gütige Mühe, in Absicht des Kantischen Inserats; ohnerachtet ich der erhaltnen Nachricht keine Folgen zu geben gedenke, indem alle Dinge dieser Art mir anfangen, sehr unbedeutend zu erscheinen.
Mit Hochachtung und Freundschaft
der Ihrige
Fichte
Herrn Professor Reinhold
zu
Kiel
Frei.