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Johann Gottlieb Fichte to Ludwig Tieck

Ich eile, mein werthester Freund, mich eines Auftrags zu entledigen, von dem ich wünschte, daß er Ihnen ungetrübtes Vergnügen machen könnte.
Schelling schreibt mir folgendes:
„Sollten Sie Gelegenheit haben, Tiek in meinem Namen zu fragen: ob ihm den ganzen Winter hindurch in meinem Betragen etwas aufgefallen, ob er mich minder für ihn eingenommen gefunden habe, als bei seiner Anwesenheit im Sommer vorher? Wenn er diese Frage bejaht, so versichern Sie ihm in meinem Nahmen, daß er diese Veränderung in mir blos den Verläumdungen der Veit, und Friedrich Schlegels zuzuschreiben habe, mit denen sie seinen Charakter bei mir, und Caroline Schl. herabzusetzen gesucht haben. –
Ich bin es mir selbst schuldig, mich in Tieks Achtung wiederherzustellen, sowie bei mir die ganze Achtung und Liebe wieder zurükgekehrt ist, mit der ich durch den ersten ungetrübten Eindruk zu ihm gezogen wurde.“ – [„]Auch sehe ich eben nicht ein, wie ich jener niederträchtigen Handlungsweise, die offenbar auch darauf ausging, zwei Menschen, die sich anziehen konnten, zu entzweyen, noch die geringste Schonung schuldig seyn könnte“
Mit dieser Enttäuschung unsers Freundes hat es sich nemlich so begeben. Sie wissen ohne Zweifel, daß W. Schlegel alle Vorkehrungen getroffen, einen Plan, dessen eigentlicher Urheber ich war, und den er zum Theil aus meinem bei ihm zurükgebliebenen schriftlichen wörtlich abgeschrieben, mir hinter dem Rüken, und mit ausdrüklichem Verbote Mich davon etwas merken zu lassen, auszuführen. Ich komme zufällig dahinter, und bei [/] den Contestationen, die sich darüber erhoben, ergiebt sich folgende Ha[ndlungs]weise Friedrich Schlegels in Beziehung auf Schelling und mich.
Wie ich den Winter in Jena ankomme, bringt man an Schelling die [Ermah]nung, zu suchen, daß er mit mir in ein besseres Verhältniß komme. [Denn] ich sey, wie man wisse, sehr aufgebracht auf ihn. Das war nun recht gut, um unser Verhältniß zu zerstören.
Sie wissen, wie wenig ich vorigen Winter in Jena ausging; Sie wissen gleichfals, daß Schelling nie zu Hause war. Dennoch habe ich ihn sehr oft in seiner Wohnung gesucht, bis ich endlich des vergeblichen Suchens müde, dies aufgab. – Man bemerkt von Schlegelischer Seite, daß ich ja nie zu Schelling komme, daß dies die ganze Stadt bemerke, jedermann sage, wir hätten uns entzweit; – indeß er, der gute unbefangne Schelling, allein nicht merke, wie ich es mit ihm meine.
Endlich, nach meinem Abgange von Jena, bringt man an Schelling, ich habe von ihm gegen Fr. Schlegel auf eine Weise gesprochen, die sogar diesen, (Fr. Sch.) empört habe.
Mir thut es sehr weh. Fr. Schl, den ich sehr gestimmt war, zu lieben, von einer solchen Seite kennen zu lernen: und Ihnen den ähnlichen Schmerz ohne Zweifel zu verursachen. Aber es bleibt doch Freundes Pflicht vor falschen Freunden zu warnen.
Ganz der Ihrige
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 22. Oktober 1800
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 344‒345.
Manuscript
  • Provider: Schiller-Nationalmuseum
Language
  • German

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