Berlin, d. 15. 9br. 1800
Seit geraumer Zeit schreibe ich allerlei Briefe an Sie, lieber Reinhold, wie ich denn eine ausführliche Beantwortung Ihres leztern beinahe zu Ende gebracht, lasse sie dann wieder liegen, u. s. w. Jezt habe ich durch das Gerücht vernommen, daß Sie mit Bardili und Jacobi sich zur Herausgabe einer Antikritischen Phil. Zeitschrift vereinigt; und Sie haben meine, auf meinen Auftrag Ihnen [zugeschickte] Beurtheilung der Bardilischen Logik in der Erlanger L. Z. erhalten. Sie kennen nun unverholen meine ganze Ansicht dieses neuen sonderbaren Auftritts.
Da wir philosophisch uns wohl werden trennen müssen, so wünschte ich wenigstens nicht, daß wir es als Menschen müßten. Ich rechne dabei auf Ihre Loyauté, so wie Sie durchaus auf die meinige rechnen können.
„Ich beschwöre Sie nicht eher irgend etwas zu lesen, zu schreiben, u. s. w. bis Sie B’s Logik gelesen haben“ schrieben Sie mir vor einem Jahre . Ich las das Buch, sobald ich es erhalten konnte; ich wußte für mich ganz, wie ich mit demselben daran war. Publiciren that ich meine Ueberzeugung nicht, bis Ihre Publication der Ihrigen bedenkliche Symptome hervorgebracht hatte. – Jezt gebe ich es Ihnen zurük: ich beschwöre Sie nicht eher etwas zu lesen, oder zu schreiben, bis Sie meine Wissenschaftslehre, die sogar aus Ihrem Gedächtnisse verschwunden seyn muß, nur noch einmal, aber recht (wie ich ehemals Ihre ElementarPhilosophie gelesen habe, d. i. begleitend mit einem bis zum vollkommnen Verständnisse durchdringenden schriftlichen Commentar) gelesen haben; und wenn Sie ja mit der vorhandenen Darstellung nicht durchdrängen, wie ich wegen der Undeutlichkeit derselben für möglich [/] halte, meine zu Ostern erscheinende neue Darstellung zu erwarten. Die Ankündigung derselben wird binnen einiger Zeit gedrukt erscheinen.
Ich habe nicht wenig gestuzt, als Sie einst bei mir anfragten, ob nicht der Schematismus mit dem Ich, und Nicht=Ich aus dem tr. Idealismus wegfallen könne; desgleichen, ob nicht eine Umarbeitung Ihrer ElementarPhilosophie zu einer Einleitung in das Studium der W. L. dienen könne. Ihre ElementarPhilosophie, lieber Reinhold, und die W. L. sind dem Geiste, und innersten Wesen nach durchaus entgegengesezt. Ich kenne die erstere auf eine Weise, die Sie aus meiner Art dieselbe zu studiren, die ich Ihnen von Zürich aus meldete, hätten schliessen können: ich glaube sie zu kennen, wie kein andrer. Meine Kunde dem Publikum mitzutheilen, unterließ ich, weil der Urheber der E. Ph. mein Freund war. Sie selbst privatim durch Mittheilung derselben zu betrüben, war durchaus überflüßig, da Sie ernstlich an das Studium der W. L. gingen, mir von Zeit [zu Zeit] über den Erfolg dieses Studium Bericht gaben; zulezt sagten, Sie verständen nun die W. L. – und in Ihren öffentlichen Aeusserungen, wenn auch keinen positiven Beweiß des wirklichen Verständnisses, und des Eingedrungenseyns, denn doch auch keinen negativen, durch ein greifliches Misverständniß, gaben.
Jezt aber wollen Sie dieselbe heillose Weise zu philosophiren, die Sie an Ihrem eignen Werke verdammt, und aufgegeben haben, durch ein fremdes Werk wieder einführen: denn dies ist’s, lieber Reinhold, Bardili’s [/] Logik ist Ihre ElementarPhilosophie: wie er denn auch kein einziges philosophisches Buch ordentlich gelesen zu haben scheint, ausser dieser. Es ist begreiflich, daß, wenn der Unfug fortgeht, man denselben bei der Wurzel angreifen, und von dem Nachahmer, sich zur wahren Quelle, zu Ihrer E. Ph. wenden muß. Es ist sonach durchaus und in aller Rüksicht besser, daß Sie, ehe Sie weiter etwas thun, meine neue Darstellung erwarten, falls Sie mit der vorhandenen nicht zurecht kommen sollten.
Ich habe seit ein paar Messen die Zurükkunft des im vorigen Jahre Ihnen anvertrauten Manuscripts, nebst den Beilagen erwartet. Haben Sie doch die Güte, die erste sich Ihnen darbietende sichere BuchhändlerGelegenheit für diese Rüksendung zu ergreifen.
Mit unveränderlicher Liebe, und Hochachtung
Ihr
Fichte.
Herrn Professor Reinhold
zu
Kiel
Fr. Hamburg.
Seit geraumer Zeit schreibe ich allerlei Briefe an Sie, lieber Reinhold, wie ich denn eine ausführliche Beantwortung Ihres leztern beinahe zu Ende gebracht, lasse sie dann wieder liegen, u. s. w. Jezt habe ich durch das Gerücht vernommen, daß Sie mit Bardili und Jacobi sich zur Herausgabe einer Antikritischen Phil. Zeitschrift vereinigt; und Sie haben meine, auf meinen Auftrag Ihnen [zugeschickte] Beurtheilung der Bardilischen Logik in der Erlanger L. Z. erhalten. Sie kennen nun unverholen meine ganze Ansicht dieses neuen sonderbaren Auftritts.
Da wir philosophisch uns wohl werden trennen müssen, so wünschte ich wenigstens nicht, daß wir es als Menschen müßten. Ich rechne dabei auf Ihre Loyauté, so wie Sie durchaus auf die meinige rechnen können.
„Ich beschwöre Sie nicht eher irgend etwas zu lesen, zu schreiben, u. s. w. bis Sie B’s Logik gelesen haben“ schrieben Sie mir vor einem Jahre . Ich las das Buch, sobald ich es erhalten konnte; ich wußte für mich ganz, wie ich mit demselben daran war. Publiciren that ich meine Ueberzeugung nicht, bis Ihre Publication der Ihrigen bedenkliche Symptome hervorgebracht hatte. – Jezt gebe ich es Ihnen zurük: ich beschwöre Sie nicht eher etwas zu lesen, oder zu schreiben, bis Sie meine Wissenschaftslehre, die sogar aus Ihrem Gedächtnisse verschwunden seyn muß, nur noch einmal, aber recht (wie ich ehemals Ihre ElementarPhilosophie gelesen habe, d. i. begleitend mit einem bis zum vollkommnen Verständnisse durchdringenden schriftlichen Commentar) gelesen haben; und wenn Sie ja mit der vorhandenen Darstellung nicht durchdrängen, wie ich wegen der Undeutlichkeit derselben für möglich [/] halte, meine zu Ostern erscheinende neue Darstellung zu erwarten. Die Ankündigung derselben wird binnen einiger Zeit gedrukt erscheinen.
Ich habe nicht wenig gestuzt, als Sie einst bei mir anfragten, ob nicht der Schematismus mit dem Ich, und Nicht=Ich aus dem tr. Idealismus wegfallen könne; desgleichen, ob nicht eine Umarbeitung Ihrer ElementarPhilosophie zu einer Einleitung in das Studium der W. L. dienen könne. Ihre ElementarPhilosophie, lieber Reinhold, und die W. L. sind dem Geiste, und innersten Wesen nach durchaus entgegengesezt. Ich kenne die erstere auf eine Weise, die Sie aus meiner Art dieselbe zu studiren, die ich Ihnen von Zürich aus meldete, hätten schliessen können: ich glaube sie zu kennen, wie kein andrer. Meine Kunde dem Publikum mitzutheilen, unterließ ich, weil der Urheber der E. Ph. mein Freund war. Sie selbst privatim durch Mittheilung derselben zu betrüben, war durchaus überflüßig, da Sie ernstlich an das Studium der W. L. gingen, mir von Zeit [zu Zeit] über den Erfolg dieses Studium Bericht gaben; zulezt sagten, Sie verständen nun die W. L. – und in Ihren öffentlichen Aeusserungen, wenn auch keinen positiven Beweiß des wirklichen Verständnisses, und des Eingedrungenseyns, denn doch auch keinen negativen, durch ein greifliches Misverständniß, gaben.
Jezt aber wollen Sie dieselbe heillose Weise zu philosophiren, die Sie an Ihrem eignen Werke verdammt, und aufgegeben haben, durch ein fremdes Werk wieder einführen: denn dies ist’s, lieber Reinhold, Bardili’s [/] Logik ist Ihre ElementarPhilosophie: wie er denn auch kein einziges philosophisches Buch ordentlich gelesen zu haben scheint, ausser dieser. Es ist begreiflich, daß, wenn der Unfug fortgeht, man denselben bei der Wurzel angreifen, und von dem Nachahmer, sich zur wahren Quelle, zu Ihrer E. Ph. wenden muß. Es ist sonach durchaus und in aller Rüksicht besser, daß Sie, ehe Sie weiter etwas thun, meine neue Darstellung erwarten, falls Sie mit der vorhandenen nicht zurecht kommen sollten.
Ich habe seit ein paar Messen die Zurükkunft des im vorigen Jahre Ihnen anvertrauten Manuscripts, nebst den Beilagen erwartet. Haben Sie doch die Güte, die erste sich Ihnen darbietende sichere BuchhändlerGelegenheit für diese Rüksendung zu ergreifen.
Mit unveränderlicher Liebe, und Hochachtung
Ihr
Fichte.
Herrn Professor Reinhold
zu
Kiel
Fr. Hamburg.