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Johann Gottlieb Fichte to Gottlieb Ernst August Mehmel

Berl. d. 22. 9br. 1800.
Ihr leztes Schreiben, mein verehrter Freund, nebst den Beilagen war bei mir angekommen, indem der nicht zurükzubekommende, und nun völlig sich aufhebende Brief von mir auf die Post abgegeben wurde.
Ich danke Ihnen für das übersendete, und bitte Sie, der Waltherschen Buchhandlung, gleichfals meinen Dank für das übersendete Exemplar der L. Z. abzustatten. Ich werde suchen, mich meiner Verbindlichkeit gegen dieselbe allmählich zu entledigen.
Möchten Sie nicht die Güte haben, beiliegende corrigenda abdruken zu lassen N. 2. u. 3. stören den Sinn, 1, u. 4. sind aus Citaten, und B. ist fähig uns der Verfälschung zu bezüchtigen.
Daß Reinhold sein Seelenheil schon wirklich in der Apodiktik sucht, haben Sie richtig getroffen. Schon lange liegt er mir in den Ohren, sie zu studiren. Ich ersehe aber aus mehrern Auszügen, daß Bouterwek mich bestohlen hat, und hinterher schimpft, wie Buhle dasselbe thut, und Heydenreich, und Abicht; und wie viele andre! Die Unverschämtheit dieser Leute geht weit, und ich wünschte wohl, daß sie gerügt würde.
Z. B. dieser Abicht, der so viele lange Jahre vor mir philosophischer Schriftsteller war, wenn er selbst so klug ist, warum hat er denn das nicht eher gezeigt: warum hat er denn während der Kantischen Periode seine diken unverständlichen halb dogmatischen Bücher, während der Reinholdischen seinen Hermias geschrieben? Und was will er doch jezt mit seinem Skepticismus? Scheint es nicht, daß er unverständig reden muß, bloß um nicht wie andere zu reden? Begreift er denn [/] nicht, daß aller Skepticismus einen geheimen Dogmatismus voraussezt; daß der Saz der W. L. Es giebt kein Ding an sich – mit Kant zu reden, gar kein negativer, sondern ein unendlicher Saz ist; der nur aussagt, daß da unsre Erkenntniß ganz zu Ende ist, und daß wir ohne offenbaren Widerspruch über jene Grenze hinaus mit unserm Denken weder positiv, noch negativ dogmatisch, noch skeptisch, gehen können? Welchen Unsinn enthält desselben (denn man sieht, daß er der Urheber ist) Rec. meiner Bestimmung des Menschen, und [die erste] von Bardili’s Grundriß.!
Ich habe in einer Ankündigung meiner zu Ostern erscheinenden neuen Bearbeitung, die bald in der Allgemeinen Zeitung abgedrukt erscheinen wird, gewissermaassen versprochen, das Vergangene vergangen seyn zu lassen; ich möchte drum die Anzeige der Bouterwekschen Anfangsgründe lieber ablehnen: wenigstens bis zur Erscheinung meiner neuen Bearbeitung. Es ist sehr wahr, und ich habe es mit innigem Vergnügen bemerkt, daß in Ihrer L. Z. ein besserer Geist zu leben anfängt. Die von Ihnen angezeigten Recensionen habe ich nun gelesen, und sie haben ganz meinen Beifall. Der Rec. von dem Buche über Mythologie, u. Offenbarung pp zeigt, daß er durchaus wisse, worauf es ankommt. Mit dem Buche selbst – dessen Verf. ich weder weiß, noch errathen kann – bin ich nicht ganz zufrieden. Es fehlt ihm häufig an Klarheit, und er erschöpft die Sache wohl nicht. Mir selbst liegt dieser Begriff (von der Offenbarung) jezt ganz entfernt; aber ich glaube bei meiner gegenwärtigen Revision der W. L. den Ort desselben gefunden [/] zu haben, und hoffe ihn einst in einer ReligionsPhilosophie völlig wissenschaftlich festsetzen zu können.
H. Bury ist erst vor kurzem von Potsdam zurük, und hat alle Tage zu mir kommen wollen, ist aber noch nicht erschienen.
Mit der vollkommensten Hochachtung
Ihr
ergebenster Fichte
Herrn Professor Mehmel
zu
Erlang
Fr. Duderstädt
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 22. November 1800
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Gottlieb Ernst August Mehmel ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Erlangen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 369‒371.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: Schulz-Blochwitz
Language
  • German

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