Mein theuerster Herr Prediger
Ihre Antwort auf mein letzteres Schreiben habe ich dem Kirchen Directorio selbst vorzulegen kein Bedenken gefunden. Sie hat die aufrichtige Achtung des Collegii für Sie noch vermehrt, und die Folge gehabt, daß die Stelle in Brandenburg dem Candidat Küster, der sie als sein Glück gewünscht hat, conferirt worden ist, zumal inzwischen eine Cabinetsordre eingelaufen war, nach welcher wegen einer mit dem Potsdamschen Waysenhause vorzunehmenden Veränderung, die dortigen Informatores so bald als möglich, versorgt werden sollten.
So ist also so viel entschieden, daß Sie nicht des Herrn Petiscus Kollege seyn werden. Jetzt ist also nur noch die Frage, was für Sie das rathsamste seyn dürfte, und was Sie Selbst am liebsten sehen würden; entweder die Prediger-Stelle in der Charité zu erhalten; oder als alumnus Ihr weiteres Schicksal abzuwarten. Die Assessores des Armen Directorii werden keinem andern als Ihnen Ihre Stimme geben, wenn Sie Selbst diese Interims Versorgung wünschen. Es kömmt also jetzt auf Ihre eigne Entscheidung an, was Sie vorziehen möchten; und darüber bitte ich mir mit nächster Post Ihre Meinung zu sagen. Sie haben gütigst das Vertrauen zu mir, daß Sie Sich meinen Rath | in der Sache ausbitten; und es wäre unfreundlich wenn ich ihn Ihnen versagen wollte. Indeßen bin ich dabei wirklich in einer Art von Gleichgewicht und Unentschiedenheit, daß ein Übergewicht bei mir fast nur allein von Ihrem eigenen größeren Belieben [vor] der einen oder der andren Lage abhängt.
Beide sind von der Art, daß sie nur als interimistisch angesehen werden können. Weder die Prediger Stelle in der Charité noch die Alumnen Stelle bindet Sie auf irgend eine bestimmte Zeit. Beide haben das Gute, daß Sie mit Berlin, was ich immer gewünscht habe, vor der Hand noch auf einige Zeit in näherem Zusammenhänge bleiben. In der Charité ist Ihre Einnahme von der Art daß Sie ohne alle Sorge eine Versetzung würden abwarten können – dagegen haben Sie als Alumnus mehr Freiheit und sind in Berlin selbst. In der Charité haben Sie gleich ein Predigtamt, darin Sie auf mancherlei Weise gutes wirken, und Ihre bisherige Erfahrungen nutzen können; als Alumnus aber sind Sie in Berlin selbst, den Gelehrten, den Bibliothecken und angenehmem Umgange näher. Mehrere Ihrer Freunde sind besorgt daß das Amt in der Charité Ihrer Gesundheit | schädlich werden könnte, da freilich die Ausdünstungen der Kranken Stuben dort oft gefährlich seyn können; auch die Wege nach der Stadt, wenn man sich Monathe lang nicht derselben enthalten will, bey bösem Wege und Wetter sehr beschwerlich und angreifend sind. Dieser Grund ist für mich der allerwichtigste; und so oft ich ihn mir lebhaft denke, wünsche ich, daß Sie Selbst vorziehen möchten, Sich mit dem Alumnat zu begnügen, wobei ich dann auch den Vortheil haben würde, Sie sowohl Winters als Sommers so viel öfter zu sehen. Von der Verpflichtung zu reisen würden Sie freilich dispensirt seyn, und, so bald sich eine gute Gelegenheit dazu findet, auf eine Versorgung Sich Hofnung machen können. Herr Wilmsen und Schregel treten ihre Reise auf Ostern an.
Entscheiden Sie Sich nun Selbst werthester Herr Schleiermacher für das eine oder das andre. Sollten Sie die Charité Prediger Stelle vorziehen: so wäre mein unmaßgeblicher Rath, daß Sie sogleich bey dem Armen Directorio um die Stelle einkämen; auch Herrn Hofprediger Conrad Senior und Herrn Prediger Thiele, als jetzige Assessoren des ArmenDirectorii | um ihre Stimme ersuchten. Ziehn Sie aber die Candidaten Stelle vor: so würden Sie beim Kirchen Directorio, obgleich Sie ein jus quaesitum darauf haben, doch aus einer Art von Höflichkeit, um diese oder eine andre Art der Versorgung jetzo einkommen müßen.
Herr p Kriege hat eine Zeitlang mit sich capitulirt ob er die Drossensche Stelle annehmen wolle, da er sich freilich dabei nicht sehr verbeßert. Indeßen hat er es doch für rathsam erachtet, sich diese Veränderung seiner für ihn durch seine Schuld sehr unangenehm gewordenen Lage gefallen zu laßen.
Ich bin von ganzem Herzen der Ihrige
Sack
Bln d 12t Xbr. 1795.
Ihre Antwort auf mein letzteres Schreiben habe ich dem Kirchen Directorio selbst vorzulegen kein Bedenken gefunden. Sie hat die aufrichtige Achtung des Collegii für Sie noch vermehrt, und die Folge gehabt, daß die Stelle in Brandenburg dem Candidat Küster, der sie als sein Glück gewünscht hat, conferirt worden ist, zumal inzwischen eine Cabinetsordre eingelaufen war, nach welcher wegen einer mit dem Potsdamschen Waysenhause vorzunehmenden Veränderung, die dortigen Informatores so bald als möglich, versorgt werden sollten.
So ist also so viel entschieden, daß Sie nicht des Herrn Petiscus Kollege seyn werden. Jetzt ist also nur noch die Frage, was für Sie das rathsamste seyn dürfte, und was Sie Selbst am liebsten sehen würden; entweder die Prediger-Stelle in der Charité zu erhalten; oder als alumnus Ihr weiteres Schicksal abzuwarten. Die Assessores des Armen Directorii werden keinem andern als Ihnen Ihre Stimme geben, wenn Sie Selbst diese Interims Versorgung wünschen. Es kömmt also jetzt auf Ihre eigne Entscheidung an, was Sie vorziehen möchten; und darüber bitte ich mir mit nächster Post Ihre Meinung zu sagen. Sie haben gütigst das Vertrauen zu mir, daß Sie Sich meinen Rath | in der Sache ausbitten; und es wäre unfreundlich wenn ich ihn Ihnen versagen wollte. Indeßen bin ich dabei wirklich in einer Art von Gleichgewicht und Unentschiedenheit, daß ein Übergewicht bei mir fast nur allein von Ihrem eigenen größeren Belieben [vor] der einen oder der andren Lage abhängt.
Beide sind von der Art, daß sie nur als interimistisch angesehen werden können. Weder die Prediger Stelle in der Charité noch die Alumnen Stelle bindet Sie auf irgend eine bestimmte Zeit. Beide haben das Gute, daß Sie mit Berlin, was ich immer gewünscht habe, vor der Hand noch auf einige Zeit in näherem Zusammenhänge bleiben. In der Charité ist Ihre Einnahme von der Art daß Sie ohne alle Sorge eine Versetzung würden abwarten können – dagegen haben Sie als Alumnus mehr Freiheit und sind in Berlin selbst. In der Charité haben Sie gleich ein Predigtamt, darin Sie auf mancherlei Weise gutes wirken, und Ihre bisherige Erfahrungen nutzen können; als Alumnus aber sind Sie in Berlin selbst, den Gelehrten, den Bibliothecken und angenehmem Umgange näher. Mehrere Ihrer Freunde sind besorgt daß das Amt in der Charité Ihrer Gesundheit | schädlich werden könnte, da freilich die Ausdünstungen der Kranken Stuben dort oft gefährlich seyn können; auch die Wege nach der Stadt, wenn man sich Monathe lang nicht derselben enthalten will, bey bösem Wege und Wetter sehr beschwerlich und angreifend sind. Dieser Grund ist für mich der allerwichtigste; und so oft ich ihn mir lebhaft denke, wünsche ich, daß Sie Selbst vorziehen möchten, Sich mit dem Alumnat zu begnügen, wobei ich dann auch den Vortheil haben würde, Sie sowohl Winters als Sommers so viel öfter zu sehen. Von der Verpflichtung zu reisen würden Sie freilich dispensirt seyn, und, so bald sich eine gute Gelegenheit dazu findet, auf eine Versorgung Sich Hofnung machen können. Herr Wilmsen und Schregel treten ihre Reise auf Ostern an.
Entscheiden Sie Sich nun Selbst werthester Herr Schleiermacher für das eine oder das andre. Sollten Sie die Charité Prediger Stelle vorziehen: so wäre mein unmaßgeblicher Rath, daß Sie sogleich bey dem Armen Directorio um die Stelle einkämen; auch Herrn Hofprediger Conrad Senior und Herrn Prediger Thiele, als jetzige Assessoren des ArmenDirectorii | um ihre Stimme ersuchten. Ziehn Sie aber die Candidaten Stelle vor: so würden Sie beim Kirchen Directorio, obgleich Sie ein jus quaesitum darauf haben, doch aus einer Art von Höflichkeit, um diese oder eine andre Art der Versorgung jetzo einkommen müßen.
Herr p Kriege hat eine Zeitlang mit sich capitulirt ob er die Drossensche Stelle annehmen wolle, da er sich freilich dabei nicht sehr verbeßert. Indeßen hat er es doch für rathsam erachtet, sich diese Veränderung seiner für ihn durch seine Schuld sehr unangenehm gewordenen Lage gefallen zu laßen.
Ich bin von ganzem Herzen der Ihrige
Sack
Bln d 12t Xbr. 1795.