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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Dr den 4ten Jul 96.
Einliegenden Brief von Ihrer lieben Schwester glaubte ich Ihnen, lieber Neveu, selbst überbringen zu können, jetzt schicke ich ihn durch unsere Christine denn mit dem Postcours ist seit dem ersten eine starke Verändrung vorgenommen, daher ich fast glaube daß die Briefe noch länger unterweges bleiben werden. Hier kommt jetzt die südpreußische Post Dienstag und Sonnabend früh zwischen 2 und 3 an, und geht Sonntags und Donnerstags morgens eben so früh von hier ab
Sehr haben wir uns gefreut, daß Sie von ihrer Reise recht zufrieden, und glüklich und vergnügt zurükgekommen sind. Auf umständlichre Nachrichten muß ich denn wohl bis zu unserer Zusammenkunft Verzicht thun. Wann dieselbe erfolgen werde, kann ich noch nicht ganz genau bestimen, zumal da der Sohn auch gern in den Hundstagsferien auf ein paar Tage nach Landsberg komen möchte
Gestern trafen wir sehr unerwartet die älteste Mademoiselle Velden aus Frankfurt – und denken Sie nur wo. Ich hatte gestern früh nebst der Mama die Abschiedsvisite bey Prediger Gepken gemacht, und Nachmittags fuhren wir zu Forstmeisters, und die erste Person, die uns dort an der Thür entgegenkam war Mademoiselle Velden. Das arme Mädchen hat sich vermiethen wollen; und da hat man sie bey der Kamerräthin [Kuhlwein] vorgeschlagen als sie aber auf dem Wege, erfährt sie daß schon eine andre dort. Sprechen Sie doch mit Frau Benike ihrentwegen, vielleicht wäre ja wohl in dortigen Gegenden | Gelegenheit, sie als Kamerjungfer anzubringen. Es ist ja so noch wohl eine Landsmännin von Ihnen, und Sie werden auch nichts andres als Liebes und Gutes von ihr zu sagen wissen. Sie hat sich genöthiget gesehen, ihr väterliches Haus zu verlaßen, indem der Vater nach seiner Frauen Tode sich dem Trunk noch mehr ergeben hat, als zuvor, und jetzt überdies seine bisherge Macht heirathen will, da gleichwol in unsern Gegenden die patriarchalischen Sitten nicht mehr Mode sind Uebrigens ist dies Mädchen wie Mama mir sagt, in allen weiblichen Geschiklichkeiten sehr erfahren, kann mahlen, zeichnen, spielt auf dem Clavier, und soll auch etwas französisch verstehen
d. 6ten Unser guter Herr Cantor wird es wohl gestern an Benike haben sagen laßen, daß ich diesmal nicht käme. Ich würde gern bis in den August mit Ueberschicken der Sachen warten, aber die gute Mama fürchtet, daß wir wegen der Erndte späterhin keine Fuhren bekomen möchten. Ueberdies ist es jetzt bey uns ein wahrer Trödel, allenthalben sind Kisten und Kasten, um also etwas Raum zu gewinnen sollen morgen ganz früh 2 Fuhren abgehen, und unsere Christine wird Ihnen diesen Brief überbringen
Haben Sie denn etwa neuerlich Briefe von Herrn Kriege. Hier auf der Post (denn an mich hat er nicht wieder geschrieben) sagt man, daß er sehr ängstlich auf Nachrichten von Ihnen harre um zu erfahren, zu welcher Zeit Sie ihn ablösen würden. Das sieht mir nun, die Wahrheit zu sagen | etwas komisch aus, und ich wäre fast geneigt, es für eine bloße Erdichtung zu halten, und doch kann ich auch wieder nicht finden, warum man hier so etwas erdichten sollte Von einer von Ihnen noch zu haltenden Gastpredigt haben Sie auch noch wohl keine nähere Nachricht?
Von Berlin habe ich in lieber langer Zeit keine Briefe, vor etwa 4 Wochen hat mir Ihr lieber Bruder Carl geschrieben, der Sie glüklich preiset wegen ihrer Zusamenkunft mit der Schwester und sich freuet, daß er Sie nun bald auf eine längere Zeit in Berlin – und an Ihnen einen treuen Freund Führer und Rathgeber haben werde.
Da nach den letzteren Zeitungen der alte ConsistorialRath Stosch nun auch gestorben, so wird Herr Arend nun auch zur völligen Hebung gelangen – ob nun aber Herr Maresch 2ter Prediger werden – oder ob wie es vormals hieß, nur ein Prediger dort bleiben wird, muß sich nun wohl bald ausweisen. Letzteres ist mir wahrscheinlicher, da jetzt dort des Nachmittags keine Predigt, sondern nur Katechisation gehalten wird, auch soll die Gemeine gar nicht zahlreich seyn.
Daß unser Herr BurgerMeister nach Warschau geht, wißen Sie vielleicht schon, wie es heißt, werden sie in 4 Wochen dorthin abgehen, wer hier sein Nachfolger seyn wird, weiß ich noch nicht. Man sagt unser Stadsekretär gehe darauf aus, sollte ers werden, dann Gnade Gott der armen Stadt. |
Viele große Complimente von Mama – und von uns beyden an Herrn und Brau Benike und die liebe Emilie und an alle die uns dort kennen
Künftig ein mehreres von Ihrem aufrichtig ergebenen Oheim
St.
N.S. Sie sind ja mit dem dortigen Herrn AcciseEinnehmer bekannt, thun Sie mir doch den Gefallen und sprechen mit ihm, ob es denn nothwendig sey, daß wir hier alle Kisten und Kasten plombiren laßen ich denke, wenn die Herren lieber dort diejenigen Stücke, die nicht gleich geöffnet werden können plombiren wollten – denn auf dem Wagen und noch mehr beym Herauf wnd Herunternehmen würde, wenn hier plombirt würde, gar leicht der Bindfaden beschädigt werden und zerreißen
Metadata Concerning Header
  • Date: 4. bis 6. Juli 1796
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Drossen ·
  • Place of Destination: Landsberg (Warthe) · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 1. Briefwechsel 1774‒1796 (Briefe 1‒326). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1985, S. 408‒410.

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