Landsb. a d. W. d. 1ten Septb 96.
Versprochener maaßen erfolgt hier, mein lieber Neveu, mit der ersten Post ein Brieflein, wozu ich aller Vermuthung nach wohl einen Einschluß von der Benike erhalten werde[.] Daß ich Sie vorgestern nicht, wie ich mir vorgenomen hatte, nach der Post begleitet, werden Sie mir hoffentlich nicht übel nehmen, da Sie es mir wohl werden angesehen haben, daß mir gar nicht recht war. Sollten vielleicht andre die mich weniger kennen, drob einen Anstoß genomen, und mir solches verarget und wer weiß wofür ausgelegt haben: so bin ich immer der Meinung, daß man, wenn unser Gewissen uns nur keine Vorwürfe macht, sich über die Urtheile und das Gerede der Leute wegsetzen müße. Ohnerachtet ich sonst den Ausspruch Pauli Meidet allen bösen Schein! für eine sehr wichtige und befolgenswerthe Lebensregel halte.
Daß wir gestern sehr oft an Sie gedachten und immer mit Ihnen gereiset sind, werden Sie – ohne nähere Versicherungen – leicht denken können. Gestern Abend regnete es hier ganz frisch, und Mama erinnerte sehr oft, wie gut es sey, daß Sie in einem bedeckten Postwagen führen. Zwischen 8 und 10 blizte es auch ziemlich und erfolgten einige Donnerschläge, doch in ziemlicher Entfernung; wäre ich nicht schon ausgekleidet gewesen, so wäre ich noch zu Benike hingelaufen, so aber wußte ich nicht einmal, ob sie nicht gar auf der Ressource – oder Klub – Gestern Vormittag, da ich noch einige Besuche abgelegt, ging ich auch vor 10 zur Benike fand sie aber nicht zu Hause doch sagten die Mädchen, daß sie sich ziemlich wohl befände. Ihre Stühle fand ich schon im Flur, und ihren Secretair sahen wir Nachmittag auch heraustragen. Aber Eins mein lieber Herr Vetter habe ich unter den Papieren noch nicht gefunden – nemlich die Verordnungen zu den noch nicht abgehaltenen Kollecten – oder werde ich sie etwa in einem der Rechnungsbücher finden? |
Leid ist es mir sehr, daß ich Sie an einen Abschiedsbesuch gar nicht erinnert habe; Sie sind bey D D gar nicht gewesen, wie ich heute höre, da sie doch ein paarmal am Montag vorbeygegangen sind, die gute Frau Schulzin war in großer Besorgniß, daß sie Sie etwa, ohne den geringsten Vorsatz, beleidigt haben möchte, ich habe sie aber darüber beruhiget (denn ich konnte es mir leicht denken, daß sie eben nicht die Personen sind, von denen Sie sich gekränkt oder beleidigt glauben würden) und habe dies Vergessen durch Ihre allzugroße Eilfertigkeit entschuldiget. Aber die Gesellschaft, welche Sie vorgestern Abend nach der Post begleitet, scheint über das Betragen des Herrn PostMeisters etwas sehr aufgebracht ohngeachtet die gute Niece, wie sie uns heute sagte, sich alle Mühe gegeben hat, sie zu besänftigen. Ein sonderbarer Auftritt muß es freilich wohl allerdings gewesen seyn
Sie werden nun heute vielleicht schon einige Besuche, vorzüglich beym wohlbeliebten Schloßprediger – abgelegt haben; sehnlich erwartet man mit der nächsten Post ein paar Zeilen von Ihnen, und ich hoffe, Sie werden nicht vergebens darauf warten laßen.
Herr ConsistorialRath Arend hat richtig meine Bitte erfüllt, und ich erhielt gestern ein Schreiben von ihm an Herrn Abernethy der nun auch ganz zufrieden seyn soll. Ich weiß nicht, ob Sie ihn gestern haben sprechen können, darum schreibe ich Ihnen als eine Neuigkeit daß ihm das KirchenDirektorium geschrieben er möchte seinen Schwiegersohn Herrn Maresch fordern, ob er wohl neben seiner Rektorstelle auch Nachmittagsprediger werden wollte gegen ein Gehalt von 200 rth. Ich denke doch, daß ers nicht ausschlagen wird. Ob mein Sohn morgen mitkomen wird, weiß ich noch nicht – es ist nur vielleicht |
Freytag den 2ten Wünsche von Herzen, in Ihrem neuen Domicilio wohl geschlafen zu haben. Möchten doch ihr Kopfweh und Rückenschmerz samt und sonders auf dem Postwagen zurükgeblieben seyn. An Motion wird es Ihnen – vor der Hand wenigstens – gewiß nicht fehlen. Recht viele Grüße an Ihren lieben Bruder Carl, an Herrn Vetter Reinhard von uns beyden, und an alle und jede, die sich dort meiner noch erinnern[.] Wenn Sie etwas in Ruhe, – dann erst erwarte ich einen etwas ausführlicheren Brief[.] An Stoff dazu kanns Ihnen nicht fehlen.
Mama grüßet vielmals und ich bin und bleibe jederzeit
Ihr aufrichtig treuer Freund und Oheim
St.
Die Collekten Verordnungen habe so eben gefunden es ist nun alles richtig
Versprochener maaßen erfolgt hier, mein lieber Neveu, mit der ersten Post ein Brieflein, wozu ich aller Vermuthung nach wohl einen Einschluß von der Benike erhalten werde[.] Daß ich Sie vorgestern nicht, wie ich mir vorgenomen hatte, nach der Post begleitet, werden Sie mir hoffentlich nicht übel nehmen, da Sie es mir wohl werden angesehen haben, daß mir gar nicht recht war. Sollten vielleicht andre die mich weniger kennen, drob einen Anstoß genomen, und mir solches verarget und wer weiß wofür ausgelegt haben: so bin ich immer der Meinung, daß man, wenn unser Gewissen uns nur keine Vorwürfe macht, sich über die Urtheile und das Gerede der Leute wegsetzen müße. Ohnerachtet ich sonst den Ausspruch Pauli Meidet allen bösen Schein! für eine sehr wichtige und befolgenswerthe Lebensregel halte.
Daß wir gestern sehr oft an Sie gedachten und immer mit Ihnen gereiset sind, werden Sie – ohne nähere Versicherungen – leicht denken können. Gestern Abend regnete es hier ganz frisch, und Mama erinnerte sehr oft, wie gut es sey, daß Sie in einem bedeckten Postwagen führen. Zwischen 8 und 10 blizte es auch ziemlich und erfolgten einige Donnerschläge, doch in ziemlicher Entfernung; wäre ich nicht schon ausgekleidet gewesen, so wäre ich noch zu Benike hingelaufen, so aber wußte ich nicht einmal, ob sie nicht gar auf der Ressource – oder Klub – Gestern Vormittag, da ich noch einige Besuche abgelegt, ging ich auch vor 10 zur Benike fand sie aber nicht zu Hause doch sagten die Mädchen, daß sie sich ziemlich wohl befände. Ihre Stühle fand ich schon im Flur, und ihren Secretair sahen wir Nachmittag auch heraustragen. Aber Eins mein lieber Herr Vetter habe ich unter den Papieren noch nicht gefunden – nemlich die Verordnungen zu den noch nicht abgehaltenen Kollecten – oder werde ich sie etwa in einem der Rechnungsbücher finden? |
Leid ist es mir sehr, daß ich Sie an einen Abschiedsbesuch gar nicht erinnert habe; Sie sind bey D D gar nicht gewesen, wie ich heute höre, da sie doch ein paarmal am Montag vorbeygegangen sind, die gute Frau Schulzin war in großer Besorgniß, daß sie Sie etwa, ohne den geringsten Vorsatz, beleidigt haben möchte, ich habe sie aber darüber beruhiget (denn ich konnte es mir leicht denken, daß sie eben nicht die Personen sind, von denen Sie sich gekränkt oder beleidigt glauben würden) und habe dies Vergessen durch Ihre allzugroße Eilfertigkeit entschuldiget. Aber die Gesellschaft, welche Sie vorgestern Abend nach der Post begleitet, scheint über das Betragen des Herrn PostMeisters etwas sehr aufgebracht ohngeachtet die gute Niece, wie sie uns heute sagte, sich alle Mühe gegeben hat, sie zu besänftigen. Ein sonderbarer Auftritt muß es freilich wohl allerdings gewesen seyn
Sie werden nun heute vielleicht schon einige Besuche, vorzüglich beym wohlbeliebten Schloßprediger – abgelegt haben; sehnlich erwartet man mit der nächsten Post ein paar Zeilen von Ihnen, und ich hoffe, Sie werden nicht vergebens darauf warten laßen.
Herr ConsistorialRath Arend hat richtig meine Bitte erfüllt, und ich erhielt gestern ein Schreiben von ihm an Herrn Abernethy der nun auch ganz zufrieden seyn soll. Ich weiß nicht, ob Sie ihn gestern haben sprechen können, darum schreibe ich Ihnen als eine Neuigkeit daß ihm das KirchenDirektorium geschrieben er möchte seinen Schwiegersohn Herrn Maresch fordern, ob er wohl neben seiner Rektorstelle auch Nachmittagsprediger werden wollte gegen ein Gehalt von 200 rth. Ich denke doch, daß ers nicht ausschlagen wird. Ob mein Sohn morgen mitkomen wird, weiß ich noch nicht – es ist nur vielleicht |
Freytag den 2ten Wünsche von Herzen, in Ihrem neuen Domicilio wohl geschlafen zu haben. Möchten doch ihr Kopfweh und Rückenschmerz samt und sonders auf dem Postwagen zurükgeblieben seyn. An Motion wird es Ihnen – vor der Hand wenigstens – gewiß nicht fehlen. Recht viele Grüße an Ihren lieben Bruder Carl, an Herrn Vetter Reinhard von uns beyden, und an alle und jede, die sich dort meiner noch erinnern[.] Wenn Sie etwas in Ruhe, – dann erst erwarte ich einen etwas ausführlicheren Brief[.] An Stoff dazu kanns Ihnen nicht fehlen.
Mama grüßet vielmals und ich bin und bleibe jederzeit
Ihr aufrichtig treuer Freund und Oheim
St.
Die Collekten Verordnungen habe so eben gefunden es ist nun alles richtig