Dienstag d. 11ten Abends
Vielen großen herzlichen Dank Ihnen, lieber Neveu, für die ausführlichen Erläuterungen, die Sie mir über ihre Beschäftigungen mit Emilien gegeben haben[.] Freilich wenn wir uns vor ihrer Abreise von hier mündlich hätten darüber besprechen können, so hätten Sie mir gewiß manche andere mir ebenso sehr interessante Nachricht in ihrem Brief gegeben. Aber littera scripta manet, und das ist mir hier in vielen Rüksichten sehr lieb. Der Brief, den Sie jüngst an Emilien geschrieben, hat ihr, wie es mir wenigstens schien, viel Freude gemacht, sonst kommt es mir vor, daß sie eben keiner sonderbaren Freude empfänglich, sie ist – für ihr Alter – gegen alles gar zu gleichgültig. Ob vielleicht der Grund davon in ihrem Körper liegen mag – darin recht genug scheint sie doch nicht, auch nach ihrer Farbe zu urtheilen. Vielleicht läßt sich noch einiger Ehrtrieb wecken durch die Nacheiferung; meine Frau, die Sie vielmals grüßt, legt es wenigstens auch sehr darauf an. Ob sie diesmal schon wird einen Brief an Sie schreiben, weiß ich noch nicht, ich will dazu ihre gute Laune abwarten, sonst wird es doch nur dumm Zeug denn daß ich ihr sollte einen Brief vorsagen, das werden Sie gewiß nicht von mir erwarten.
Die Schlegel, die wir jezt auch im Unterricht haben, ist eigentlich zu Cüstrin gebohren, aber ihre Mutter, die jezt Wittwe, ist von hier und lebt nun wieder bey ihren Aeltern, der Vater heißt André, und ist, wo ich nicht sehr irre, ein wohlhabender Schuhmacher der aber nicht mehr das Handwerk treibt. |
Der gute Feldprediger hat bey seiner Reise einen sonderbaren Unfall gehabt, er kam hier in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag gesund und wohlbehalten an, war auch Willens denselben Morgen selbst zu predigen ob er wohl natürlich von der Reise etwas müde war, der Küster auch die Vorsicht gehabt, mir am Sonnabend die Predigt zu übertragen – Sonntags komt er um 8 zu mir der Herr Feldprediger ließ mir sehr danken, er wäre ganz wohl, und würde selbst predigen. Ich war darüber gar nicht ungehalten – aber um 9 Uhr kam der Küster wieder – Als der Herr Feldprediger seinen Koffer will abholen laßen, ist derselbe mit der preußischen Post in die weite Welt – ob er noch disseits Königsberg wird wieder eingeholt werden, weiß ich noch nicht[.] Nun wars aber doch gut, daß ich die Predigt übernomen: denn er konnte nun ruhig weiter schlafen
Wie haben Sie es denn in solchen Fällen mit dem lieben Unser Vater gehalten? In der Concordien Kirche bin ich freilich bey unserm reformirten Gebrauch geblieben[.] Aber mir deucht daß einmal davon gesprochen, daß Sie in der Garnison Kirche Vater unser gesagt. Ich würde Ihnen nun freilich darüber keinen Vorwurf machen aber ich für mein Theil konnte mich dazu doch nicht entschließen. Diesmal hab’ ich das Expediens ergriffen, etwas zu paraphrasiren
Herr Gott und Vater unser aller, der du über alles erhaben bist.
Geheiligt u. s. w.
Schreiben Sie mir allenfalls auch darüber ihre Meinung – aber ganz ohne allen Rükhalt
Und nun für heute Ade. |
Mittwoch den 12ten
Mein Kieter ist noch nicht wieder zurük, und Herr Arend schrieb nur, als er mir die Danksagung für die Prinzeß zuschickte – sein Examen wäre zwar glüklich überstanden, er auch bereits vereidet worden, die Ordination werde aber erst künftigen Sonntag erfolgen zugleich mit dem alten Cantor von welchem der ConsistorialRath Dittmer gesagt, „daß er so leicht keinen geprüft, der seine Dogmatic so ordentlich und so fest inne gehabt, als dieser alte Mann“ – das hätte ich mir freilich von einem Manne, der im Schulstaube grau geworden, nicht vermuthet.
Zu der Verändrung in ihrem Kopfputz gratuliere vielmals, ich glaube allerdings, daß Sie dadurch auf viele und mancherley Weise gewonnen, und kann mir vorstellen, wie wohl und leicht Ihnen nach dieser Umänderung der Kopf geworden seyn müße[.] Die gute Benike hat eine ganz ausnehmende Freude über den gestikten Beutel gehabt – und das um so mehr, da sie ihn schon halb für verloren hielt und im Begriff war, einen Laufzettel anfertigen zu laßen
Den gestrigen Abend hat sie bey Werkmeister zugebracht, wovon sie Ihnen vermuthlich selbst ein mehreres schreiben wird. Da komt eben einer meiner Jünger, also muß ich hier abbrechen. In der vorigen Woche hatten wir ein paar herrliche Tage, an einem derselben war ich mit Benikes an einem ihrer LieblingsOrte, in Scheiblers Berg, wo wir wacker Weintrauben gegessen und viel von Ihnen gesprochen haben, so wie auch den Abend, den wir mit Mamsell Kersten Frau Coelern, dem jungen Werkmeister und Hollaz bey Benikes zubrachten |
den 26ten Abends Immer hatte ich gehofft, diesen Brief abschicken zu können – Freytag und Sonnabends vergebens darauf gewartet. Heute traf ich ganz [unvermuthet] die gute Benike bey Werkmeister an, wo ich ein Kind taufen mußte – da sagte sie mir, daß Sie noch heute mit der reitenden Post einen Brief von Ihnen erwarte, dann aber noch gewiß Morgen den Brief, woran sie lange schon geschrieben, abschicken würde. Also will ich nur heute ihn gleich schließen, weil ich nicht weiß was etwa Morgen vorfallen möchte[.] Ich füge nur noch die einzige Neuigkeit bey, daß unser Herr Feldprediger heute den Herrn von Zinnow mit seiner geliebten Caroline copulire und zwar zu Jahnsfelde[.] Recht viele Complimente von Mama und von den beyden Frau DD. die diesen Abend bey uns zugebracht haben. Grüßen Sie ihren lieben Bruder, an den ich nun auch gewiß mit dem nächsten selbst schreiben werde, recht herzlich von
Ihrem aufrichtig ergebenen und getreuen Oheim St.
Vielen großen herzlichen Dank Ihnen, lieber Neveu, für die ausführlichen Erläuterungen, die Sie mir über ihre Beschäftigungen mit Emilien gegeben haben[.] Freilich wenn wir uns vor ihrer Abreise von hier mündlich hätten darüber besprechen können, so hätten Sie mir gewiß manche andere mir ebenso sehr interessante Nachricht in ihrem Brief gegeben. Aber littera scripta manet, und das ist mir hier in vielen Rüksichten sehr lieb. Der Brief, den Sie jüngst an Emilien geschrieben, hat ihr, wie es mir wenigstens schien, viel Freude gemacht, sonst kommt es mir vor, daß sie eben keiner sonderbaren Freude empfänglich, sie ist – für ihr Alter – gegen alles gar zu gleichgültig. Ob vielleicht der Grund davon in ihrem Körper liegen mag – darin recht genug scheint sie doch nicht, auch nach ihrer Farbe zu urtheilen. Vielleicht läßt sich noch einiger Ehrtrieb wecken durch die Nacheiferung; meine Frau, die Sie vielmals grüßt, legt es wenigstens auch sehr darauf an. Ob sie diesmal schon wird einen Brief an Sie schreiben, weiß ich noch nicht, ich will dazu ihre gute Laune abwarten, sonst wird es doch nur dumm Zeug denn daß ich ihr sollte einen Brief vorsagen, das werden Sie gewiß nicht von mir erwarten.
Die Schlegel, die wir jezt auch im Unterricht haben, ist eigentlich zu Cüstrin gebohren, aber ihre Mutter, die jezt Wittwe, ist von hier und lebt nun wieder bey ihren Aeltern, der Vater heißt André, und ist, wo ich nicht sehr irre, ein wohlhabender Schuhmacher der aber nicht mehr das Handwerk treibt. |
Der gute Feldprediger hat bey seiner Reise einen sonderbaren Unfall gehabt, er kam hier in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag gesund und wohlbehalten an, war auch Willens denselben Morgen selbst zu predigen ob er wohl natürlich von der Reise etwas müde war, der Küster auch die Vorsicht gehabt, mir am Sonnabend die Predigt zu übertragen – Sonntags komt er um 8 zu mir der Herr Feldprediger ließ mir sehr danken, er wäre ganz wohl, und würde selbst predigen. Ich war darüber gar nicht ungehalten – aber um 9 Uhr kam der Küster wieder – Als der Herr Feldprediger seinen Koffer will abholen laßen, ist derselbe mit der preußischen Post in die weite Welt – ob er noch disseits Königsberg wird wieder eingeholt werden, weiß ich noch nicht[.] Nun wars aber doch gut, daß ich die Predigt übernomen: denn er konnte nun ruhig weiter schlafen
Wie haben Sie es denn in solchen Fällen mit dem lieben Unser Vater gehalten? In der Concordien Kirche bin ich freilich bey unserm reformirten Gebrauch geblieben[.] Aber mir deucht daß einmal davon gesprochen, daß Sie in der Garnison Kirche Vater unser gesagt. Ich würde Ihnen nun freilich darüber keinen Vorwurf machen aber ich für mein Theil konnte mich dazu doch nicht entschließen. Diesmal hab’ ich das Expediens ergriffen, etwas zu paraphrasiren
Herr Gott und Vater unser aller, der du über alles erhaben bist.
Geheiligt u. s. w.
Schreiben Sie mir allenfalls auch darüber ihre Meinung – aber ganz ohne allen Rükhalt
Und nun für heute Ade. |
Mittwoch den 12ten
Mein Kieter ist noch nicht wieder zurük, und Herr Arend schrieb nur, als er mir die Danksagung für die Prinzeß zuschickte – sein Examen wäre zwar glüklich überstanden, er auch bereits vereidet worden, die Ordination werde aber erst künftigen Sonntag erfolgen zugleich mit dem alten Cantor von welchem der ConsistorialRath Dittmer gesagt, „daß er so leicht keinen geprüft, der seine Dogmatic so ordentlich und so fest inne gehabt, als dieser alte Mann“ – das hätte ich mir freilich von einem Manne, der im Schulstaube grau geworden, nicht vermuthet.
Zu der Verändrung in ihrem Kopfputz gratuliere vielmals, ich glaube allerdings, daß Sie dadurch auf viele und mancherley Weise gewonnen, und kann mir vorstellen, wie wohl und leicht Ihnen nach dieser Umänderung der Kopf geworden seyn müße[.] Die gute Benike hat eine ganz ausnehmende Freude über den gestikten Beutel gehabt – und das um so mehr, da sie ihn schon halb für verloren hielt und im Begriff war, einen Laufzettel anfertigen zu laßen
Den gestrigen Abend hat sie bey Werkmeister zugebracht, wovon sie Ihnen vermuthlich selbst ein mehreres schreiben wird. Da komt eben einer meiner Jünger, also muß ich hier abbrechen. In der vorigen Woche hatten wir ein paar herrliche Tage, an einem derselben war ich mit Benikes an einem ihrer LieblingsOrte, in Scheiblers Berg, wo wir wacker Weintrauben gegessen und viel von Ihnen gesprochen haben, so wie auch den Abend, den wir mit Mamsell Kersten Frau Coelern, dem jungen Werkmeister und Hollaz bey Benikes zubrachten |
den 26ten Abends Immer hatte ich gehofft, diesen Brief abschicken zu können – Freytag und Sonnabends vergebens darauf gewartet. Heute traf ich ganz [unvermuthet] die gute Benike bey Werkmeister an, wo ich ein Kind taufen mußte – da sagte sie mir, daß Sie noch heute mit der reitenden Post einen Brief von Ihnen erwarte, dann aber noch gewiß Morgen den Brief, woran sie lange schon geschrieben, abschicken würde. Also will ich nur heute ihn gleich schließen, weil ich nicht weiß was etwa Morgen vorfallen möchte[.] Ich füge nur noch die einzige Neuigkeit bey, daß unser Herr Feldprediger heute den Herrn von Zinnow mit seiner geliebten Caroline copulire und zwar zu Jahnsfelde[.] Recht viele Complimente von Mama und von den beyden Frau DD. die diesen Abend bey uns zugebracht haben. Grüßen Sie ihren lieben Bruder, an den ich nun auch gewiß mit dem nächsten selbst schreiben werde, recht herzlich von
Ihrem aufrichtig ergebenen und getreuen Oheim St.