Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
TEI-Logo

Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb. a. d. W. d. 27t Novb 1796
Mein lieber Neveu
Ich danke Ihnen recht sehr, daß Sie uns so bald und mit so guter Gelegenheit die Besoldung geschickt, die ich schon gestern vor 8 Tagen durch unseren lieben RegimentsChirurgen erhalten – so wie auch für den gesamten für mich sehr interessanten Inhalt ihres lieben Briefes. Gern hätte ich auch den vorigen Sonnabend geschrieben, da Sie überzeugt seyn können wie vielen Antheil auch ich und meine gute Frau an ihrem abermals glüklich erlebten Geburtstage nehmen[.] Aber Mamas GesundheitsUmstände wollten es mir nicht erlauben da ich überdies am vorigen Sonntage wieder 2mal zu predigen hatte[.] Die gute Frau D. Schulz hat indeß beydemal Vor- und Nachmittag meiner lieben Frau Gesellschaft geleistet. Das peinlichste in meiner jetzigen Lage ist auch das, daß wir bis jezt noch keine Magd haben, die wir erst Weynachten erhalten[.] Die gute Benike hat uns mit Essen bisher freilich reichlich genug versorgt aber es sind denn doch noch mancherley andre Dinge die ich in meinen Jahren wohl schwerlich noch lernen kann. Indeß lernt man ja alles – ertragen; und jetzt scheint ja es von Tage zu Tage mit Mamas Gesundheit immer besser zu werden. |
Endlich habe ich diesen Morgen ankündigen können, daß über 8 Tage Herr Kieter indroducirt werden und zu dem Ende der Gottesdienst um 10 Uhr seinen Anfang nehmen werde. Wegen der Introductions Feierlichkeiten und besonders – wegen der Kosten der Mahlzeit – mußte der gute Schlieben vorgestern im Namen des Magistrats von mir sich das Protocollbuch ausbitten, worin dann dem Stadtkoch (bey Hinzens Introduction) 42 rth für Wein 8 rth. und für Bier und Kaffee über 4 rth liquidirt waren – welches jedoch bey der jetzigen unser Herr Abernethy nicht hat zugestehen wollen – besonders was den ersten Punkt betrift – und ich glaube, daß er daran sehr recht und weislich gethan[.] Wer nun diesmal den Schmaus geben wird, kann ich Ihnen bis jetzt noch nicht sagen, weil ich es selbst nicht weiß, doch vermuthe ich, daß es wohl Herr Henneberger als Dirigens seyn werde. Zum Glük werde ich bey dem Schmause nicht seyn, da ich den Nachmittag predigen muß
Daß unser Benicke ganzer 8 Tage in Dietersdorf gewesen, wird Ihnen seine Frau wohl geschrieben haben
Daß Sie Ifland fleißig besuchen, billige ich gar sehr. Hier sind die sogenanten Dorfreisen nun freilich wohl für dies Jahr vorbey – aber Piquenics, Assemblees, Concerte und dergleichen gehen noch imer ihren Gang; in unserer Nachbarschaft wird es auch stattlich lebhaft, da, wie Sie Sich vielleicht noch erinern, in das Quartier wo bis dahin der RegimentsquartierMeister gewohnt, nun der Herr von Treskow eingezogen, der die Mademoiselle Seegebart geheirathet |
Unser Herr Kieter ist noch in Verlegenheit wegen einer Wohnung – wann seine Verheirathung vor sich gehen werde, ist auch noch nicht bestimmt[.] Kennen Sie seine Braut, die Nachrichten und Schilderungen, die wir von ihr gehört haben, sind ziemlich widersprechend, und einestheils beynahe komisch
Sie werden diesmal so vorliebnehmen mit dem was ich in der Eil habe zusamenraffen können, weil ich doch lieber ein kleines Brieflein schreiben wollte, als gar keins. Von eigentlichen Studien und ernsthafter Lecture ist in einigen Wochen gar nichts geworden. Durch ein Zeitungsblatt bin ich auf einen Kalender für Freunde von Scherz von Falk nebst einem Kupfer auf die Kantische Philosophie aufmerksam gemacht, da Wieland im deutschen Mercur von einer andren Schrift eben dieses Verfassers sehr vortheilhaft urtheilt als von einem Schriftsteller auf welchen der Geist des Aristophanes Lucian Juvenal, Swifts und Hogarths herabgefahren[.] Sie werden dort vielleicht Gelegenheit haben mir nähere Nachrichten hierüber zukomen zu laßen und meine Neugier zu befriedigen – und dann vergeßen Sie doch ja nicht mir die versprochne Nachricht von den Coelerschen Kindern baldigst mitzutheilen die gute Frau war am Freytage wieder bey uns, um sich darnach zu erkundigen
Da es jetzt 10 schlägt, so schließe ich und wünsche Ihnen von Herzen eine gute Nacht – bey Ihnen ist das freilich sehr früh aber nicht so bey Ihrem aufrichtig treuen Oheim
Viele herzliche Grüße an Ihren lieben Bruder bald, bald hoffe ich, wieder einmal selbst an ihn schreiben zu können
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 27. November 1796
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 56‒59.

Basics · Zitieren