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Friedrich Schleiermacher to Friederike Eleonore Elisabeth von Aulock

An Fr. v Aulok.
Haben am heilenden Quell die Nymphen Dir freundlich geschmeichelt
Sorgsam Deiner gepflegt? zärtlich Dich Schwester genannt,
Ihre Kräfte bewährt, und Deine gerühmt, daß die Kranken
Dein Geist sichrer erquikt, als ihr Wasser sie heilt?
Haben sie Dich liebkosend gelokt oft wiederzukehren
ihre Zierde, wenn Du Heilung bei ihnen Dir suchst?
Wolfeil gab ihnen die Wahrheit das Lob, die Reize der Zauber
ihrer Fluren, doch ach leider zu bösem Gebrauche.
Was sie Dir schönes gesagt, und gutes erwiesen, war alles
mir zum Verdruß, nur mir war es zum Unglük erdacht,
Daß ich sie manchmal genekt, an ihren Reizen gezweifelt
und bei Dianen, im Scherz, sie bei der strengen verklagt
Daß ich den reineren Quell aus kühlem Felsen und dichter
Haine Gewölben wol mehr acht, als ihr marmornes Bad:
So viel ist mein Verbrechen, und dafür schworen sie Rache
unerbittlich, und mehr hielten sie noch als den Schwur.
Hätt ich nicht, ohne sie, Dich in Pangel damals besuchet
Deines Anschauns mich, Deines Gespräches erfreut?
Dich gesehn, die zärtliche Mutter der hoffenden Kinder
und im Schooß der Natur die feinfühlende Frau?
Und am Lager der Dulderin, die Du so kindlich verehrest
fromme Tugenden Dich sorgsam üben gesehn?
Dich die Freundin der Schwester, der mir so innig geliebten
welche mein halbes Ich mir der Himmel geschenkt?
Hätte sie nicht des süßen Gesprächs uns vieles bereitet
daß ich der fliehenden Zeit ängstlich geflehet zu stehn?
Mir in Dein Herz der schönen Aussichten viele geöfnet
Dir mit weiserer Hand meine Fehler verdekt? –
Doch das konnte sie nicht, hätt ich mich selber gezeigt, hier
mischt in den großen Verlust doch sich ein kleiner Gewinn.
Werther hältst Du mich so! sie mahlte mich besser als wahr ist
immer schmeichelt das Bild führet den Pinsel die Gunst
Wol viel schönes erzählt sie von mir im Vertrauen und leihet
ohn es zu wißen, was ihr nur gehöret an mich
Glaub es alles, und miß nach ihrem Maaße die Gunst ab, die Du auch ungesehn mir dem entferneten schenkst
Eins nur hätte sie wol vermeiden sollen – der Dichtrinn
auszuplaudern, daß ich Verse zu machen gewagt.
Willst Du den Fehler ihr freundschaftlich versöhnen, so wirke
am Parnaße dafür Sündenvergebung mir aus.
Metadata Concerning Header
  • Date: Ende 1796
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Friederike Eleonore Elisabeth von Aulock
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Nimptsch ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 68‒70.

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