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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb. a. d. W. d. 30ten Januar 1797
Diesen Morgen, lieber Neveu, als mir eben die Benike ihren Brief zugeschickt und ich denselben noch nicht zur Hälfte hatte durchlesen können (denn unter uns gesagt, ihre sehr blasse Dinte hat mir zeither gar viel Mühe und Anstrengung meiner etwas schwachen Augen verursacht) ward ich zu einer Taufe um 11 Uhr beordert. Es ist nemlich die Frau JustizAmtMann Wesenfeld gestern Abend von einer Tochter sehr glüklich entbunden, aber das Kind hieß es sey schwach. Mir ist es unangenehm, daß auch bey uns die sogenanten Nothtaufen Mode werden wollen – aber man kann das nicht ändern. Ich will also jetzt, da ich – wenigstens einen guten Theil ihres Briefes – durchgelesen, gleich etwas darauf antworten, vornemlich weil ich gern die Gedächtnispredigt von unserem lieben Sack – und die von Herrn Zöllner auf die todte Königin (aus welcher ich gestern einige Züge in den Zeitungen gelesen) zu erhalten wünsche; finden Sie unter den andren noch eine oder einige, die besondre Aufmerksamkeit verdienen, so schicken Sie solche auch mit
Was Ihre Frage wegen des Ausdruks katholische Kirche betrifft so weiß ich nicht, ob ich im Stande seyn werde, Ihnen befriedigend darauf zu antworten, nemlich wann, wie und durch wen? derselbe aufgekommen. Sehr alt ist er wohl unstreitig; denn er kommt schon beym Tertullian in seinen Schriften adversus Marcionem und de praescriptione haereticorum vor ich bin daher der Meinung, daß man schon sehr früh durch diesen Ausdruck sich von den haereticis zu unterscheiden angefangen habe |
Von Herrn Wilmsen habe ich diesmal sehr bald Antwort erhalten, er schreibt mir daß er sehr kränkle, die Predigt von der Sie mir schreiben, muß ja freilich ein sonderlich Ding seyn, sehr lieb ist es mir, daß ich ihm nichts von Krieges Curé geschrieben habe, des Nachahmens dürfte er sich wohl eben nicht freuen[.] Von seinem sonderbaren Zettel habe ich Ihnen also, wie es scheint, nichts näheres geschrieben. So lesen Sie denn jetzt. Sie werden sich vielleicht erinnern, daß Mama Ihnen gesagt, wie sie wegen der Laube und des übrigen Holzwerks im Garten von ihm, als er im Frühjahr nach Drossen kam, Entschädigung verlangt, und als er sich deßen weigerte, ihm gerade zu gesagt habe, daß wir in solchem Falle das Holzwerk mitnehmen würden – und jetzt thut es mir gedoppelt leid, daß ichs nicht geradehin gethan, weil ich es hier sehr gut hätte brauchen können, um das wankende berceau in meinem hiesigen Garten damit zu unterstützen[.] Indeß ließ der theure Herr sich doch endlich gefallen 10 rth. dafür zu versprechen, nun es aber aufs bezahlen ankomt, macht er eine sonderbare Gegenrechnung. Es sollen nemlich Ofenthüren, die zu Steinbrechers Zeiten da gewesen, wie ihm Andre gesagt, fehlen – dies ist aber nicht wahr[.] In der einen Stube oben, wo wir einen neuen Ofen setzen laßen mußten, ist keine Ofenthüre gemacht, weil wir den Ofen selten gebraucht haben. Ferner haben ihm die Andren (vermuthlich Frau Cantor Feuerheerd) gesagt, daß an der Hofthüre ein Riegel nebst Krampen gewesen
Diesen habe ich mit großem Vorbedacht an der Hausthüre, wo keiner war befestigen laßen, weil er mir da nothwendiger dünkte als an der Hofthüre, indem wenn die Diebe erst auf dem Hofe sind, sie auch (wie Sie sich erinnern werden) ganz ohne alle Mühe in die Küche und so weiter kommen können |
Einige andre eben so läppische Forderungen übergehe ich, um zu der lezten zu komen, daß wir ihm nemlich von den 12 Klaftern Deputatholz, die doch für das ganze Jahr angefahren würden, nichts gelaßen. Sie werden sich noch wohl erinern, daß wir nie den Winter damit gereicht, und hernach im Somer noch imer von Zeit zu Zeit ein oder ein paar Fuder vom Markt gekauft haben
Dann fügt er hinzu, die sämtlichen fehlenden Stücke sollten taxirt und von dem quanto der zehn Rth abgezogen werden
Nehmen Sie doch ja nicht übel, daß ich Sie mit dem läppischen Zeuge so lange aufgehalten habe. Was der EhrenMann in den Colonien für Verbeßerungen vorhabe, soll mich wundern – soviel habe ich hier wohl vernomen, daß er neue Geldfoderungen an die Colonisten m[acht] wovon sie aber – wenigstens zu meiner Zeit – nicht gern etwas hören mochten – und von dem gutherzigen Prediger [Eccert] soll er gefordert, und auch erhalten haben, daß wenn derselbe bey den Reformirten actus ministeriales verrichte, er ihm von dem angekomenen Opfer ¾ berechnen müße
den 31ten Diesmal werde ich wohl hier schließen müßen[.] Recht sehr danke ich Ihnen für die Beantwortung meiner Fragen[.] In meinem nächsten werde ich mich auch noch über einige Punkte Ihres Briefes näher auslaßen, und dann hoffe ich auch endlich meinen schon lange gehabten [Vor]satz auszuführen und an ihren lieben Bruder Karl zu schreiben, den ich von uns beyden stets recht herzlich zu grüßen bitte[.] Viel Complimente von Mama. Vielen Dank für ihr Andenken an unseren Sohn, er befindet sich ja immer noch wohl. Dies kann ich von Emilien nicht sagen, die fast einen Tag um den andren kränkelt ich denke es rühre größtentheils her von Erkältung[.] Die Benike haben wir seit dem Neujahrstag nicht gesehen[.] Machen Sie mich doch auch künftig mit Herrn Burja etwas näher bekannt. Wenn Sie Herrn Sack und Herrn Meierotto sprechen, so vergeßen Sie doch nicht Ihnen recht viel verbindliches zu sagen von
Ihrem treuergebenen Onkel
Stubenrauch
Da die Benike mir eben sagen läßt: Vor dem Montag schriebe Sie nicht – so laße ich diesen Brief allein laufen[.] Mit dem nächsten werde ich Ihnen auch die Besoldungsquittungen mitschicken
Metadata Concerning Header
  • Date: 30. bis 31. Januar 1797
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 87‒91.

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