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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Landsb. a d. W. d. 23ten Febr. 1797
Die übersandten Bücher sind mir sehr willkomen gewesen, gern glaube ich es Ihnen, lieber Neveu, daß es Ihnen nicht wenig Mühe gekostet haben mag, unter der unzählbaren Menge Kinderschriften womit unser Publicum, besonders gegen Weynachten, heimgesucht wird, etwas taugliches, und für Emilien gerade recht passendes aufzufinden[.] Anfangs als ich Ihren Brief gelesen aber das Paket noch nicht aufmachen durfte, denn ich mußte es so 24 Stunden bey mir ungeöfnet liegen laßen, ehe Montags nach 8 die Herren von der Accise es durchschauet hatten – glaubte ich, da Sie von 3 Bändchen und noch zu erwartenden Fortsetzungen schrieben – es möchte die Brieftasche der Lina seyn – und war in der That etwas stutzig, als ich gleich auf dem Titel den [Namen W h] fand, als ich es aber näher durchlief schien es mir doch meine Erwartung zu befriedigen[.] Wenn ich es nun nur erst vom Buchbinder zurük hätte. Ich hoffe, es soll ihr doch recht angenehm seyn, denn sie scheint vor ihr Leben gern zu lesen, sie schickt wenigstens fleißig, wenn die Mutter ausgegangen und sie mit der Patschen allein ist, zu mir nach Bücher[.] Die bösen Zahnschmerzen scheinen jetzt doch etwas nachgelaßen zu haben, aber recht gesund scheint mir das Mädchen doch nicht; von dem vorjährigen Uebel soll sie aber doch jezt frey seyn, wie mir die Mutter gestern versicherte, da wir mit Gerlachs dort waren |
Auch für Ihre mitgetheilten Nachrichten politischen und ecclesiastischen Inhalts bin ich Ihnen recht sehr verbunden, aber nun bitte ich auch mir noch einige literarische Neuigkeiten besonders den Schillerschen Almanach und seine Xenien, die ich noch gar nicht die Ehre habe zu kennen – wissen zu laßen. Sie fingen schon einmal damit an, aber hörten nur gar zu bald wieder auf, und jetzt ist meine Neugier darauf etwas gespannt, da ich noch heute in der Anzeige der Monatsschrift Deutschland in der Allgemeinen Literatur Zeitung dieser Dinge auch wieder erwähnt fand, auch lezthin in den Berliner Zeitungen eine etwas weitläuftige Anzeige von einem Anhang den Nicolai dazu herausgegeben, stand
In Ansehung der überschikten Predigten bin ich ganz ihrer Meinung
Eben kommt Mama mit einer kleinen Bitte: Sie möchten doch ein paar kleine Verse in Mamas Namen auf die Benike zu ihrem GeburtsTage uns schicken die Frau D. wird selbige dann auf einen Band sticken; aber da würden wir denn bitten, daß wir sie gewiß mit der Montagspost als den 13ten aufs allerspäteste – wäre es möglich den 9ten so wärs desto schöner[.] Ey Mama meint, Sie könnten auch wohl, wenn Sie recht artig wären, sie uns schon Montag über 8 Tage, als den 6ten Merz zukomen laßen damit die [1] die gute Doctorin, die so manchmal alle Hände voll zu thun hat sich nicht zu sehr übereilen dürfte
Herr Zöllner muß also wohl wieder in großen Gnaden seyn – und wo wird denn nun der neue Wohnsitz für ihn erbauet? Ist Dietrichs Stelle schon wieder besetzt und durch wen? Die verstorbene verwittwete Königin soll eine sehr artige, ausgesuchte Handbibliothek gehabt haben, haben Sie etwa gehört, wer künftig der Besitzer derselben seyn werde? Sehen Sie da wieder eine Anzahl Fragen, darauf wir Antwort erwarten[.] Sie haben ja in ihrem lezteren alles so pünktlich beantwortet – also hoffen wir – |
den 26ten Diesen Morgen haben wir Ihren Brief mit der Besoldung wohl und richtig erhalten. Dank Ihnen für gütige Besorgung[.] Dank Ihnen und meinem theuren Freunde für die überschickte Vermählungsrede[.] Entschuldigungen brauchten Sie gar nicht wir hatten das Geld nicht eher als heute erwartet[.] Daß Sie in der Oper gewesen ist recht schön, wenn Sie aber wirklich schon um 3 Uhr, wie ich lese, haben hingehen müssen, so möchte ich Sie doch wohl recht sehr bedauern
Die Anekdote von der Gräfin von Lichtenau hat mich unendlich divertirt; aber seit wann hat denn die Donna Rietz diesen Titel, der mir in der That ganz unbekannt war? Allein wenn diese Donna bey dieser Hoffete, wie freilich wohl natürlich ist, erscheinen wird, so bin ich am neugierigsten zu vernehmen, wie sich dabey unsere Königin verhalten wird. Die Vermählungsrede von Herrn Sack hat auch mir ganz außerordentlich gefallen, ich habe sie so eben der Mama die Sie herzlich grüßet, vorgelesen; gern schrieb ich gleich ein klein Danksagungsbriefchen, aber ich fürchte das Päkchen möchte zu groß werden, da ich schon der Benike versprochen, es ihr zum Einschließen zuzuschicken[.] Ich war heute gleich nach der Vormittagspredigt da, und wir, Mama und Mademoiselle Kersten gingen mit der Benike einen kleinen Besuch bey Feldpredigers zu machen[.] Das Weibchen gefällt mir sehr, vorigen Mittwoch haben wir in ihrer Gesellschaft Nachmittag und Abend bey Benikes zugebracht, wir waren sehr vergnügt. Die Neugier der Landsberger ist freilich gar sehr gespannt, und ich habe das arme Weibchen herzlich bedauert, da sie ihre Entreevisiten gemacht, und bey den mehresten Officierdamen zwar angenomen, aber auch gleich wieder entlaßen wurde, so bey der Frau General von Katte, so auch bey Treskow’s in unsrer Nachbarschaft – Gerade als obs eine ausländische Waare, die man doch der Seltenheit wegen – selbst ein wenig in Augenschein nehmen will.
Daß Gerlachs das Logis wo Schneider bis jetzt wohnt beziehen werden, da letzterer sich das Tiemannsche Haus gekauft, hat Ihnen vermuthlich die Benike schon geschrieben[.] Aber viel vor Michaelis werden sie wohl nicht dorthin ziehen
Künftig ein mehreres, diesmal habe ich Ihren letzten Brief nur obiter beantwortet. Einlage an Wilmsen überreichen zu laßen wird doch wohl nicht beschwerlich seyn[.] Künftig möchte ich Ihnen wohl auch einen Brief an den Kammerdirektor Stubenrauch zur weitren Besorgung einlegen, weil ich nicht weiß, wo er eigentlich anzutreffen, da er manchmal auch im Winter auf Reisen ist. Vergessen Sie ja nicht die Verschen für Mama aufs bäldeste zu besorgen[.] Ich bin und bleibe
Ihr aufrichtig Sie liebender Oheim
St.
Metadata Concerning Header
  • Date: 23. bis 26. Februar 1797
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 2. Briefwechsel 1796‒1798 (Briefe 327‒552). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1988, S. 94‒98.

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