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Samuel Ernst Stubenrauch to Friedrich Schleiermacher

Das konnte ich freilich wohl ziemlich voraussehen, daß Sie es bald errathen würden, lieber Neveu, daß die Freundin von der ich Ihnen schrieb, keine andere sey als die ehemalige Demoiselle Frais. Sie hat allerdings eine sehr lange Pause in unserm Briefwechsel gemacht, den etzten erhielten wir in Drossen noch bey des seeligen Schumanns LebZeiten – und damals schien sie gar nicht so zufrieden, wie wir es ihr wünschten, lange nicht so als in diesem letzteren[.] Sie ist allerdings nicht mehr in Steinau, sondern ihr eigentlicher Wohnort ist Wohlau, wo ihr Mann ohngefähr eine solche Stelle bekleidet wie hier der Herr JustizAmtmann Wesenfeld denn er hat theils nach Hermanstadt zu reisen und sie begleitet ihn in der guten Jahreszeit sehr oft auf diesen seinen Amtsreisen. Gewiß wird es ihr viel Vergnügen machen wenn ich ihr von der Frau Camerherrn schreiben werde aber daß ich ihr auf die Hauptsache, ihres Briefes von zwey verständigen Erzieherinnen gar keine befriedigende Antwort geben kann. Ich hatte geglaubt, daß bey der fortgesetzten Sorgfalt für beßere Bildung unserer Jugend sich auch immer mehrere Personen dem Erziehungsgeschäfte anjetzt widmeten; und da die Bildung und Erziehung der Töchter, in so manchen Rücksichten, durch Frauenzimmer besser gedeihen muß, so glaubte ich, daß auch anjetzt mehrere Frauenzimer, nicht bloß Französinnen, sich diesem Geschäfte widmeten, und daß davon in Berlin besonders reiche Ausbeute, und unter diesen eine gute Wahl zu treffen nicht schwer seyn dürfte. | Allein Sie scheinen hierin ganz andrer Meinung zu seyn. Nach Ihrem Ausdruck „die ganze Art scheint hier ausgefahren“ scheinen Sie Erzieherinnen mit einer Legion Teufel zu vergleichen, nach dem Wunsche aber zu urtheilen, daß ihr Vaterland endlich einmal aufhören möchte, soviel von dieser Waare zu gebrauchen – sehe ich wohl, daß Sie sich französische Mamsells denken, so wie man sie vor 20 und mehreren Jahren hatte, die ich denn freilich gar nicht in Schutz nehmen will, sie vielmehr der größeren Anzahl nach mit Ihnen als verderbliches Unkraut ansehe. Das aber glaube ich doch noch imer, daß die Bildung junger Frauenzimer beßer durch weibliche Erzieherinnen gedeihe. Wenn aber jetzt wirklich weniger sich auf dieses Geschäft legen sollten, so möchten wohl, wie ich auch an die Rosemann geschrieben, die so vielen PensionsAnstalten daran Schuld seyn, dergleichen ja, nach den öffentlichen Anzeigen fast in jeder Provinz, auf dem Lande und in kleinen Städten, in so großer Menge jetzt vorhanden sind |
Nun will ich Ihnen, ihrem Verlangen gemäß, einiges aus der Rosemann Briefe anzeigen[.] Sie findet sich jetzt recht glücklich, nur daß ihr Mann so sehr mit Arbeiten überhäuft und fast immer abwesend ist, da ist denn ihr einziger Trost ihr Kind, ein Mädchen von 3 Jahren, welche ihr, wie sie schreibt, nach jedermanns Behauptung, ihr ganz ähnlich, äußerst lebhaft und jetzt sehr gesund, da es anfangs äußerst schwach und elend war. Steinau habe ihr mehr gefallen, weil in dem dasigen Umgange soviel Zutrauliches und Ungezwungenes herrschte; da hingegen in Wohlau weit mehr Zwang, so wie gemeinhin in kleinen Städten, wo man die feine Lebensart einer benachbarten großen Stadt nachzuahmen sich Mühe giebt – doch lebe sie auch da recht glücklich, sie haben ein eigenes Haus und in der Vorstadt einen Garten, eigene Pferde und Wagen. Dann schreibt sie auch noch, daß die liebste ihrer Tanten ihr Hoffnung gemacht habe, ihre noch übrige Lebenszeit vielleicht bey ihr in Wohlau zuzubringen, worauf sie herzlich sich freue
den 17ten Abends Und nun recht vielen Dank für ihre literarische Neuigkeiten. Die Charteke der Hyperboreische Esel habe ich nur ganz flüchtig durchlaufen wegen der Lucinde und gar nicht einmal darauf gesehen, daß Kotzebue der Verfasser. – Letzthin fand ich auch im Athenaeum eine kurze Anzeige der Diogenes Laterne, darin mir nur das Spielen mit den Endsylben diogenisch – und gleich drauf jähnen etwas auffiel. Das gehört aber vielleicht mit zum jetzigen Lauf der Welt. Aber sollte es denn wirklich gegründet seyn, daß die Frankfurter Universität nach Berlin – das wäre freilich für Sie eine ganz hübsche Aussicht, denn Sie äußerten ja vormals zum öftern daß Sie wohl Lust hätten zu einer akademischen Lehrstelle – und wenn nun gar damit der Aufenthalt in Berlin verbunden, das wäre freilich ganz erwünscht. Aber ob sich nicht auch manche Hinderniße und beträchtliche Schwierigkeiten einer solchen Verlegung der Universität nach Berlin entgegenstellen dürften? |
Sonnabend den 18ten Hiebey erfolgt denn nun auch zu fernerer gütigen Besorgung die Leinewand, es sind 2 Päklein, auf jedem ist die Probe wie man es gedruckt wünscht, angesteckt, die eine ist eben wie die vom vorigen; das andre Päklein ist von einer hiesigen Freundin (ein Bettlaken) hat auch seine Probe; sollte jedoch es nicht nach dieser Probe gedruckt werden können, so bittet man es eben so wie das für Mama drucken zu laßen
Viele herzliche Grüße von Mama und unserm Sohn. Wenn Sie den guten alten Vetter Reinhard sehen so empfehlen Sie uns alle samt und sonders – und schreiben Sie bald wieder besonders, ob Sie noch Erzieherinnen für die gute Rosemannen ausfinden können[.] Die Leinwand wird vielleicht gegen das daß die Besoldungen zu haben sind, fertig werden
Ich bin und bleibe
Ihr aufrichtig ergebener Oheim
St.
Landsb. a d. W. d. 18ten Jan. 1800
Wenn Sie die Wachsleinwand umschlagen, so werden Sie inwendig schon die Adresse zurück nach Landsberg [gegeben] finden – um Ihnen eine Mühe zu ersparen. Auch ist beyliegend ein Passierzettel, um alle Weitläufigkeiten zu verhüten
Metadata Concerning Header
  • Date: 17. bis 18. Januar 1800
  • Sender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Landsberg (Warthe) · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 3. Briefwechsel 1799‒1800 (Briefe 553‒849). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1992, S. 351‒354.

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