Berlin d 9t. Juni 1800
Da habe ich Vorgestern ganz zufälliger und sehr glüklicher Weise einmal unsere kleine Levi gesehen, und die hat mir nicht nur über die Art wie ich zu den lezten Briefen von Dir gekommen bin, sondern auch über Dich und den Zustand in dem Du Dich befunden hast, das rechte Licht aufgestekt. Deinen vorlezten Brief hat sie mir durch Otterstädt so schnell als möglich geschikt, damit ich Dir sogleich antworte und Du noch einmal in dieser Welt von mir hören möchtest. – ich glaubte er käme von Fränkel und die Eil bezöge sich auf Deine Abreise von Hamburg. Du lieber Freund, der es gar nicht recht weiß, wie ich ihn liebe – wie ich denn das überhaupt Niemand sagen kann – wie ganz anders würde ich Dir geschrieben haben, wenn ich das so gewußt hätte wie es war! Nun es aber nicht so ist, wie sie mich denn versichert hat, daß Du Dich beßertest, gestehe ich Dir daß ich als sie es mir erzählte die erste recht lebhafte Regung von Eifersucht empfunden habe. Habe ich etwa nicht Recht? Schreibst mir ein langes und breites von den Monologen, und behandelst Deine Krankheit und Deinen gefährlichen Zustand nur mit einem vorübergehenden Scherz; aber der Levi schreibst Du Alles was Dich betrift! Meinst Du etwa daß Du mich weniger interessirst, und daß ich nicht werth sei mitzufühlen was in Dir und mit Dir vorgegangen ist? Das Klagen ist Dir nicht natürlich, das weiß ich wol und das sollst Du auch nicht; aber sagen sollst Du mir mehr von Dir selbst. Das geht nicht nur auf die bösen Tage und auf die Krankheit allein, sondern auf Alles; nicht nur auf Deinen Tod wenn Du einmal wieder sterben willst sondern auch auf Dein Leben. Ich habe dann, wie Du denken kannst, viel mit der Kleinen von Dir gesprochen, überhaupt und auch von Deinem jezigen Leiden und Deiner Handlungsweise dabei. Wir sind zum Schreken einig darüber daß Du herkommen solltest, und daß Du es nicht wirst! Was willst Du aber mit dieser Art von Treue und Gehorsam, die in dem gegenwärtigen Falle ganz leer ist? In Hamburg wirst Du gewiß nicht gesund, und auf einer | Reise über den Nordpol nach Schweden gewiß auch nicht in diesem Sommer der schon jezt fast keiner mehr ist. Wenn Du recht ein Uebriges thun wolltest, solltest Du auf die dringendste Art von der Welt um Urlaub auf ein Paar Monat bitten: Du würdest gewiß noch eben so zeitig nach Schweden kommen als so. Deine Reise längst der Küste, und über die See mehr als nötig ist, scheint mir ein großes und unnüzes Wagestük zu sein. Ueberlege Dirs doch recht, und rechne einmal etwas weniger auf die negativen Verdienste
Den Jean Paul über Fichte habe ich noch nicht gelesen; in einer Anmerkung komme ich auch vor, es ist aber ein wunderliches Wort. Wenn alle seine Widerlegungen so sind so wird er eben nicht viel ausrichten. Ohne mein Bewußtsein soll mir immer der theologische Begriff von Religion zum Grunde gelegen haben, da ich ihn überall mit dem philosophischen vergleiche und darunter subsumire, so daß doch jeder, wenn ich auch Unrecht hätte, sieht, daß ich mir ihr Verhältniß sehr bestimmt und immer auf gleiche Weise gedacht habe, und daß mir ohne mein Bewußtsein nichts passirt ist. Und das schließt er weil das Universum nur durch einen Geist für einen Geist zu einem Ganzen wird, wo denn der Ganze Streit, der erst abgethan werden soll in dem unterstrichenen einen liegt. Daß er jezt hier ist wirst Du wißen, und die Levi Dir vielleicht mehr von ihm schreiben; ich habe ihn nur ein Paar Mal flüchtig gesehn und er hat keine besondere Notiz von mir genommen. Er will eigentlich nur Weiber sehn, und meint selbst eine gemeine wäre immer wenn auch nicht eine neue Welt doch ein neuer Weittheil. [Bei] Unsern Gelehrten findet er mehr Talent als genialisches Gefühl wobei er aber allemal den Bernhardi ausnimmt – ich weiß nicht ob Du diesen jungen Mann, der jezt Tieks Schwager ist, gekannt hast; er ist wol nicht übel in mancher Rüksicht; aber daß grade Richter ihn so unmenschlich lieben kann, gehört für mich unter die Unbegreiflich I keiten, und ist mir ein starker Beweis gegen seine Männerkenntniß. Uebrigens ist er ganz voll von seiner Polemik gegen den Idealismus, und er meint sie gewiß, ob sie gleich dem Titan angehängt ist, nicht bloß für die Nichtdenker. Dabei äußert er höchst kuriose Sachen: so findet er es zum Beispiel höchst verdammlich – namentlich auch an mir, wie er gegen Schlegel geäußert hat – wenn man Idealismus spricht in andern als den hergebracht idealistischen Terminologien oder wie er sich ausdrükt in der realistischen Sprache, weil dann die Leute etwas vor sich hätten was sie zu verstehen glaubten und doch nicht verstünden. Nun sage mir nur ob es ein andres Mittel giebt ihnen verständlich zu machen als wenn man denselben Gedanken in Formeln die ihnen bekannter sind ausdrükt? Ich halte das für die größte philosophische Kunst und wollte wol es wäre wahr daß ich sie geübt hätte. Richter meinte damit weniger die Reden, als die Monologen, die ihm Schlegel gegeben hat. Dieser schreibt mir, er habe darüber nicht unverständig und über Manches sogar herzlich und mit Liebe gesprochen, besonders über die Stelle vom Sterben der Freunde. Die ist ihm freilich am analogsten, und ich dachte als ich sie niederschrieb daran, daß er sie lieben müßte. Dir will ich sie hiemit auch noch besonders empfohlen haben damit Du Dich möglichst lange vor der Sünde hütest. Weißt Du wol wieviel von mir mit Dir sterben würde? Allen die Dich wirklich kennen – deren sind freilich nur sehr Wenige – mußt Du unersezlich sein, aber mir noch mehr als Andern, welches Du auch recht gut wißen kannst.
Die Stelle von der Sprache gehört unter die auf welche ich einen vorzüglichen Werth lege (in Verbindung mit der Sitte; denn das scheint mir hier unzertrennlich zu sein) aber sie wird gewiß für keinen außer mir soviel Wahrheit haben als für Dich, der Du auch ein solcher menschenfreundlicher Sucher nach Menschen und Gedanken bist. Schlegel ist endlich auch mit der Sprache heraus | gegangen daß der Ausdruk an vielen Stellen in den Monologen schmukloser sein könnte. Dies ist eigentlich noch etwas anderes als Dein Tadel der tiefer geht und gründlicher ist. Findest Du einmal Zeit mir ihn noch mehr zu detailliren, so wirst Du wolthätig damit auf mich wirken. Wenn ich Zeit hätte so wollte ich sie zu meinem Privatgebrauch umarbeiten was mir gewiß sehr nüzlich sein würde. Es scheint als ob ich mit dem Styl noch nicht zur Ruhe kommen konnte sondern in den Extremen herumschwankte. Ich werde Dir nächstens eine Kleinigkeit schiken, wo gewiß die Nachläßigkeit im Einzelnen das ist, was Du mit mir tadeln wirst; das Ganze bedeutet zwar nicht viel, Du sollst es aber doch lesen. Was für Studia werde ich noch machen müßen um Schlegels würdiger Genöße im Uebersezen des Plato zu sein! Wärst Du doch hier, wie treulich würde ich mich Deiner Kritik bedienen! So begeistert ich von dem ganzen Unternehmen bin, soviel heilige Ehrfurcht habe ich auch, und nie würde ich es mir verzeihen wenn ich hier etwas mittelmäßiges machte. Es giebt gar keinen Schriftsteller der so auf mich gewürkt und mich in das Allerheiligste nicht nur der Philosophie sondern der Menschen überhaupt so eingeweiht hätte, als dieser göttliche Mann, und dafür möchte ich ihm gern einen recht würdigen Dank bringen. Und nun, lieber Freund, laß Dich erbitten, endlich einmal nicht nur wohl zu leben, wie Du es immer thust, sondern auch gesund zu werden. Möge doch der heilige Geist Dein Herz regieren, daß Du herkommest, und Dich lieber selbst von Herz und Formey examiniren laßest, als ihnen Relationen schikst, und sage mir recht ordentlich wie Du lebst und wie es Dir geht nach allen Seiten hin. Ganz
Dein
Schl
Da habe ich Vorgestern ganz zufälliger und sehr glüklicher Weise einmal unsere kleine Levi gesehen, und die hat mir nicht nur über die Art wie ich zu den lezten Briefen von Dir gekommen bin, sondern auch über Dich und den Zustand in dem Du Dich befunden hast, das rechte Licht aufgestekt. Deinen vorlezten Brief hat sie mir durch Otterstädt so schnell als möglich geschikt, damit ich Dir sogleich antworte und Du noch einmal in dieser Welt von mir hören möchtest. – ich glaubte er käme von Fränkel und die Eil bezöge sich auf Deine Abreise von Hamburg. Du lieber Freund, der es gar nicht recht weiß, wie ich ihn liebe – wie ich denn das überhaupt Niemand sagen kann – wie ganz anders würde ich Dir geschrieben haben, wenn ich das so gewußt hätte wie es war! Nun es aber nicht so ist, wie sie mich denn versichert hat, daß Du Dich beßertest, gestehe ich Dir daß ich als sie es mir erzählte die erste recht lebhafte Regung von Eifersucht empfunden habe. Habe ich etwa nicht Recht? Schreibst mir ein langes und breites von den Monologen, und behandelst Deine Krankheit und Deinen gefährlichen Zustand nur mit einem vorübergehenden Scherz; aber der Levi schreibst Du Alles was Dich betrift! Meinst Du etwa daß Du mich weniger interessirst, und daß ich nicht werth sei mitzufühlen was in Dir und mit Dir vorgegangen ist? Das Klagen ist Dir nicht natürlich, das weiß ich wol und das sollst Du auch nicht; aber sagen sollst Du mir mehr von Dir selbst. Das geht nicht nur auf die bösen Tage und auf die Krankheit allein, sondern auf Alles; nicht nur auf Deinen Tod wenn Du einmal wieder sterben willst sondern auch auf Dein Leben. Ich habe dann, wie Du denken kannst, viel mit der Kleinen von Dir gesprochen, überhaupt und auch von Deinem jezigen Leiden und Deiner Handlungsweise dabei. Wir sind zum Schreken einig darüber daß Du herkommen solltest, und daß Du es nicht wirst! Was willst Du aber mit dieser Art von Treue und Gehorsam, die in dem gegenwärtigen Falle ganz leer ist? In Hamburg wirst Du gewiß nicht gesund, und auf einer | Reise über den Nordpol nach Schweden gewiß auch nicht in diesem Sommer der schon jezt fast keiner mehr ist. Wenn Du recht ein Uebriges thun wolltest, solltest Du auf die dringendste Art von der Welt um Urlaub auf ein Paar Monat bitten: Du würdest gewiß noch eben so zeitig nach Schweden kommen als so. Deine Reise längst der Küste, und über die See mehr als nötig ist, scheint mir ein großes und unnüzes Wagestük zu sein. Ueberlege Dirs doch recht, und rechne einmal etwas weniger auf die negativen Verdienste
Den Jean Paul über Fichte habe ich noch nicht gelesen; in einer Anmerkung komme ich auch vor, es ist aber ein wunderliches Wort. Wenn alle seine Widerlegungen so sind so wird er eben nicht viel ausrichten. Ohne mein Bewußtsein soll mir immer der theologische Begriff von Religion zum Grunde gelegen haben, da ich ihn überall mit dem philosophischen vergleiche und darunter subsumire, so daß doch jeder, wenn ich auch Unrecht hätte, sieht, daß ich mir ihr Verhältniß sehr bestimmt und immer auf gleiche Weise gedacht habe, und daß mir ohne mein Bewußtsein nichts passirt ist. Und das schließt er weil das Universum nur durch einen Geist für einen Geist zu einem Ganzen wird, wo denn der Ganze Streit, der erst abgethan werden soll in dem unterstrichenen einen liegt. Daß er jezt hier ist wirst Du wißen, und die Levi Dir vielleicht mehr von ihm schreiben; ich habe ihn nur ein Paar Mal flüchtig gesehn und er hat keine besondere Notiz von mir genommen. Er will eigentlich nur Weiber sehn, und meint selbst eine gemeine wäre immer wenn auch nicht eine neue Welt doch ein neuer Weittheil. [Bei] Unsern Gelehrten findet er mehr Talent als genialisches Gefühl wobei er aber allemal den Bernhardi ausnimmt – ich weiß nicht ob Du diesen jungen Mann, der jezt Tieks Schwager ist, gekannt hast; er ist wol nicht übel in mancher Rüksicht; aber daß grade Richter ihn so unmenschlich lieben kann, gehört für mich unter die Unbegreiflich I keiten, und ist mir ein starker Beweis gegen seine Männerkenntniß. Uebrigens ist er ganz voll von seiner Polemik gegen den Idealismus, und er meint sie gewiß, ob sie gleich dem Titan angehängt ist, nicht bloß für die Nichtdenker. Dabei äußert er höchst kuriose Sachen: so findet er es zum Beispiel höchst verdammlich – namentlich auch an mir, wie er gegen Schlegel geäußert hat – wenn man Idealismus spricht in andern als den hergebracht idealistischen Terminologien oder wie er sich ausdrükt in der realistischen Sprache, weil dann die Leute etwas vor sich hätten was sie zu verstehen glaubten und doch nicht verstünden. Nun sage mir nur ob es ein andres Mittel giebt ihnen verständlich zu machen als wenn man denselben Gedanken in Formeln die ihnen bekannter sind ausdrükt? Ich halte das für die größte philosophische Kunst und wollte wol es wäre wahr daß ich sie geübt hätte. Richter meinte damit weniger die Reden, als die Monologen, die ihm Schlegel gegeben hat. Dieser schreibt mir, er habe darüber nicht unverständig und über Manches sogar herzlich und mit Liebe gesprochen, besonders über die Stelle vom Sterben der Freunde. Die ist ihm freilich am analogsten, und ich dachte als ich sie niederschrieb daran, daß er sie lieben müßte. Dir will ich sie hiemit auch noch besonders empfohlen haben damit Du Dich möglichst lange vor der Sünde hütest. Weißt Du wol wieviel von mir mit Dir sterben würde? Allen die Dich wirklich kennen – deren sind freilich nur sehr Wenige – mußt Du unersezlich sein, aber mir noch mehr als Andern, welches Du auch recht gut wißen kannst.
Die Stelle von der Sprache gehört unter die auf welche ich einen vorzüglichen Werth lege (in Verbindung mit der Sitte; denn das scheint mir hier unzertrennlich zu sein) aber sie wird gewiß für keinen außer mir soviel Wahrheit haben als für Dich, der Du auch ein solcher menschenfreundlicher Sucher nach Menschen und Gedanken bist. Schlegel ist endlich auch mit der Sprache heraus | gegangen daß der Ausdruk an vielen Stellen in den Monologen schmukloser sein könnte. Dies ist eigentlich noch etwas anderes als Dein Tadel der tiefer geht und gründlicher ist. Findest Du einmal Zeit mir ihn noch mehr zu detailliren, so wirst Du wolthätig damit auf mich wirken. Wenn ich Zeit hätte so wollte ich sie zu meinem Privatgebrauch umarbeiten was mir gewiß sehr nüzlich sein würde. Es scheint als ob ich mit dem Styl noch nicht zur Ruhe kommen konnte sondern in den Extremen herumschwankte. Ich werde Dir nächstens eine Kleinigkeit schiken, wo gewiß die Nachläßigkeit im Einzelnen das ist, was Du mit mir tadeln wirst; das Ganze bedeutet zwar nicht viel, Du sollst es aber doch lesen. Was für Studia werde ich noch machen müßen um Schlegels würdiger Genöße im Uebersezen des Plato zu sein! Wärst Du doch hier, wie treulich würde ich mich Deiner Kritik bedienen! So begeistert ich von dem ganzen Unternehmen bin, soviel heilige Ehrfurcht habe ich auch, und nie würde ich es mir verzeihen wenn ich hier etwas mittelmäßiges machte. Es giebt gar keinen Schriftsteller der so auf mich gewürkt und mich in das Allerheiligste nicht nur der Philosophie sondern der Menschen überhaupt so eingeweiht hätte, als dieser göttliche Mann, und dafür möchte ich ihm gern einen recht würdigen Dank bringen. Und nun, lieber Freund, laß Dich erbitten, endlich einmal nicht nur wohl zu leben, wie Du es immer thust, sondern auch gesund zu werden. Möge doch der heilige Geist Dein Herz regieren, daß Du herkommest, und Dich lieber selbst von Herz und Formey examiniren laßest, als ihnen Relationen schikst, und sage mir recht ordentlich wie Du lebst und wie es Dir geht nach allen Seiten hin. Ganz
Dein
Schl