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Samuel Ernst Stubenrauch an Friedrich Schleiermacher

Landsb. d. 23ten Juni
Herzlich thut es uns leid, daß wir Ihnen, mein lieber Neveu, mit der fatalen Leinwand so viel Mühe und Verdruß verursacht haben, aber in der That auch nicht umhin konnten, weil es nicht unsere eigne Sache war. Wir waren daher herzlich froh, als Sie uns vor 8 Tagen schrieben, daß sich die Leinwandd gefunden, und ich lief gleich zur Benike hin, um ihr herzlich zu danken, daß sie so klug gewesen war, die erhaltene widrige Nachricht uns zu verschweigen; und nun wir gestern die Leinwand glücklich erhalten, ist sie auch sogleich an Ort und Stelle geschafft. Und nun auch davon kein Wort weiter! Nun sind wir alle beruhigt
Aus Drossen will ich Ihnen lieber einige Neuigkeiten erzählen. Daß der König bey der Rückreise von den Revuen, durch Drossen passirt und im ehemalige Maschischen Hause übernachtet hat, wissen Sie vielleicht schon. Da hat denn der Herr Frühprediger Rektor Bachmann sich dem König präsentiren laßen, und soll um die dortige InspektorenStelle angehalten haben; denn Lachmann kränkelt seit einiger Zeit gar sehr; und es sind schon gar viele, die auf seine Stelle rechnen; Auch der Herr Kapellan soll für seinen Sohn, der schon, gleich nachdem wir Südpreußen erhalten, dort angestellt ist, zu bitten, daß er in hiesige Gegend versetzt werden möchte. Ob nun aber auf diese Gesuche immediat verfügt werden wird, daran zweifle ich gar sehr
Aber hier werde ich wohl für heute aufhören müssen; denn der Wächter ruft 11 und ich möchte gern, weil jetzt doch wieder Sommer – morgen recht früh in unserm Gärtchen seyn[.] Also wünsche von Herzen recht wohl zu schlafen. |
den 28en Da ist eine halbe Woche verfloßen, ohne daß ich diesen Brief fortgesetzt. Einestheils ist das schöne Wetter und mein Garten schuld daran, und dann auch Journale und Zeitungen aus der Lesegesellschaft die ich doch nicht zu lange aufhalten wollte[.] Da fand ich denn unter andern in der Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek, auch von Herrn Kriege das Predigtamt in Kranken- und ArmenAnstalten pp da mir denn die Forderung doch etwas auffiel, daß „jeder junge Geistliche erst in solchen Anstalten arbeiten müße“ ohnerachtet ich es sehr gern zugestehe, daß in solchen Anstalten der Gelegenheiten viele und mannichfaltige sind, durch deren sorgfältige Benutzung der junge Volkslehrer sich weit besser zur künftigen Amtsführung ausbilden und vorbereiten kann, als wenn er bloß Hauslehrer ist[.] Daß Herr Kriege das neue Kommunionbuch in Drossen einführen wird schrieb mir letzt der Herr Obrist von Münchow, auch wundert das gar nicht, da ich weiß, wie leicht es mir ward, statt der Lobwasserschen Psalme das kleine Hallische Gesangbuch einzuführen. Aber hier wirds wohl leider! noch beym Alten bleiben müssen – wenigst so lange als wir noch von Porst nicht befreyet sind
Für ihre letzthin mitgetheilte kirchliche Neuigkeiten empfangen Sie hiemit nochmals meinen verbindlichsten Dank[.] Von hier aus kann ich Ihnen nichts Neues melden; daß der Prediger Schroedter von Stettin sich an 4 Wochen hier aufgehalten und fleißig mit unserm Feldprediger die umliegenden Gegenden durchstrichen, wird Ihnen die Benike | schon geschrieben haben[.] Daß wir noch Hoffnung haben, Sie in diesem Jahr hier zu sehen, freuet uns sehr. Laßen Sie uns nur nicht allzu lange warten, sondern benutzen Sie noch die gute Jahreszeit
Mama grüßet herzlich, und danket nochmals für ihre gehabte Mühwaltung. Viele herzliche Empfehlungen an Vetter Reinhard. Ich bin und bleibe
Ihr aufrichtig Sie schätzender Oheim
St
Landsb a. d W den 29ten Juni 1800
Briefkopfdaten
  • Datum: 23. bis 29. Juni 1800
  • Absender: Samuel Ernst Stubenrauch ·
  • Empfänger: Friedrich Schleiermacher ·
  • Absendeort: Landsberg (Warthe) · ·
  • Empfangsort: Berlin · ·
Druck
  • Bibliographische Angabe: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 4. Briefwechsel 1800 (Briefe 850‒1004). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1994, S. 102‒104.

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