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Friedrich Schleiermacher to Henriette Herz

den 6ten Juli
[...] Daß W’s so sehr hübsch zusammen leben habe ich mir immer gedacht, und es mag wol in gewisser Art eine wahre Ehe sein; aber, liebe Jette, auch jede wahre Ehe muß wieder | anders sein und also versteht sich das von selbst, daß meine ganz anders werden wird. Es läßt sich auch da von keinem müssen oder nicht müssen reden, als ob man sich die Art wie man leben wollte vornehmen könnte: dabei würde was wunderliches herauskommen! Da nicht ein Mensch ist wie der andre und also auch nicht zwei wie andre zwei, so muß auch ihr Produkt nehmlich die Ehe jedes mal ein anderes sein. In Zahlen geht das wohl daß z. B. 3 mal 8 eben so viel ist als 4 mal 6 aber in der geistigen Welt wol durchaus nicht. – Ich verlasse Sie um beim Frühstück die Genoveva zu Ende zu lesen, die ich heute wegschicken muß. Es ist wol gar viel schönes darin, aber man muß es öfter lesen, und ordentlich studiren wozu ich nun leider jetzt keine Zeit habe. Auch Tieks poetisches Journal: so weit es hier ist habe ich gestern gelesen. Es ist denn so allerlei nach seiner Manier. Kritik und Theorie ist für jetzt eben noch nicht drin und die angefangenen Briefe über Shakspeare enthalten fast noch gar keinen Shakspeare, und die Form hat mich bei weitem nicht so interessirt, wie mich Schlegel vermuthen ließ. – So ist mein Fichte nicht, daß die Leute sich hineinlesen könnten! dafür ist gesorgt. Aber die meisten werden eben nicht wissen was ich will, und wer das Buch nicht gelesen hat kann von der Notiz schwerlich das geringste verstehen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 6. Juli 1800
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Henriette Herz ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 4. Briefwechsel 1800 (Briefe 850‒1004). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1994, S. 130‒131.

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