d. 17ten August
Mein lieber Neveu
So unerwartet mir Ihr Brief kam, denn erst gestern hatte durch ein Versehen auf der Post die liebe Benike ihren Brief erhalten, und so hatte sie mir auch die Einlage nicht eher schicken können – so angenehm war mir Ihr lieber Brief, nur bedauern wir Sie alle herzlich wegen der bösen Zahnschmerzen – Sie werden sich erinnern daß Mama in Halle und auch in Drossen sehr oft damit geplagt war, um desto inniger nimmt sie an ihrem Schmerz Antheil, den sie gleichsam mitfühlt – hier ist sie Gottlob! ganz davon befreyet, sie hofft daher und wünscht, und wir alle mit ihr, daß dieses leidige Uebel Sie nun auch ganz verlaßen werde[.] Aber bewundert habe ich Sie über ihre Fußreise nach Potsdamm – und zwar in 4 Stunden; Sie müssen also noch wohl immer den starken Schritt haben, der mir hier manchmal auffiel. Die liebe Frau Bamberger ist also noch immer munter in ihrem hohen Alter: denn sie muß nahe an 70, wo nicht schon drüber seyn. Ihren Mann scheinen Sie gar nicht gesehen zu haben – er soll, wie ich auch von andern erfahren, jetzt sehr die Einsamkeit lieben
Aber daß Ihre Reise zu uns noch immer so unentschieden bleibt bedauren wir sehr, nach dem was Sie mir schreiben, dürfen wir also vor Anfang des Winters kaum darauf rechnen. |
Ehe ich Ihren Brief weiter beantworte, habe ich eine Bitte an Sie. Ich wünschte nemlich einige Exemplare von dem neuen Communionbuch welches Herr Sack in der DomGemeine so glücklich eingeführt hat. Da Sie beym Empfang dieses vermuthlich unsere Besoldungen noch nicht abgeschikt so ersuche ich mir einige Exemplare – etwa für 2 rth. zu überschiken[;] ist es wahr, was man mir geschrieben, daß das Stück nur 3 gr kostet, so erhalte ich 16 Stück – sollte es aber auch etwas mehr kosten, so würde ich auch an 8 bis 12 Stück immer vor der Hand schon genug haben – denn 8 gr wie die letzthin erhaltenen alten Communionbücher – wird hievon das Stück doch gewiß nicht kosten. Ich habe bey unserer letzten Communion – bey der Vorbereitung glücklich ein Lied statt des 51ten Psalms singen laßen – und hatte bey den Formularen sowohl bey der Vorbereitung als am Sontag – sehr viele Veränderungen – mehr als vormals getroffen, da Sie vielleicht sich erinern, daß ich bereits in Drossen mich gar nicht an unser altes Formular gehalten, so wie Sie hier ebenfalls vieles ausgelaßen vieles abgeändert[.] Nach der Communion sprach ich auf meinem Rückwege mit ein paar Gemeingliedern und fragte sie ob diese Abänderungen misfallen? und äußerte zugleich, daß in Berlin ein neues Formular – da kam denn heute vor 8 Tagen einer von unserer Gemeine und wünschte ein solches Communionbuch[.] Nun hätte ich zwar freilich gleich Dienstag darum schreiben sollen, aber ich | ward abgehalten, und nun ist es mir nicht unlieb – da ich nun Ihren lieben Brief gleich mit beantworten kann
Unser David befindet sich ja in Cüstrin ganz wohl, arbeitet fleißig und es scheint, als wenn man auch mit seinen Arbeiten ganz zufrieden wäre. Auch ist der jetzige Präsident Herr von Scheibler von ganz andrer Art, als der vorige – Anfangs glaubte ich, daß unser Sohn es nur an der so nöthigen Geschmeidigkeit hätte fehlen laßen – aber auch Herr Arend hat mir versichert, daß es eine überaus schwere Sache sey und gar nicht jedermanns Ding, des Herrn von Poser Gunst sich zu erwerben. Soviel von unserm Sohn, von eigentlichen Aussichten läßt sich bis jetzt noch wenig sagen[.] Herrn Vetter Reinhard bitte von uns allen vielmals herzlich grüßen – ich schriebe gern selbst einmal wieder an ihn, allein ich weiß, er pflegt sehr pünktlich jeden Brief zu beantworten, und doch fürchte ich daß ihm bey seinem Alter und Augenschwäche das Schreiben beschwerlich seyn dürfte. Sie werden mir darüber am beßten Auskunft geben können, – und dann vergessen Sie doch ja nicht, mir in ihrem nächsten Briefe auch etwas Näheres von der Arbeit, womit Sie anjetzt beschäftiget sind, und mit so anhaltendem und unermüdeten Fleiße beschäftiget sind – und wenn es auch Geheimniß seyn sollte, so dürften Sie es mir doch sicher anvertrauen können, indem es in solchem Fall durch mich gewiß nicht auskomen oder ruchtbar werden soll |
Unsers Cantors ältester Sohn ist jetzt hier seit etwa 1/2 Jahre, und hält fleißig die Schule, welches mir in doppelter Absicht sehr lieb ist, einmal weil nun doch dem alten Schlendrian des ewigen Lesens aus der Bibel abgeholfen wird; denn der junge Doniges läßt bald aus dem Rochowschen Kinderfreund Fausts Gesundheitskatechismus und andern guten Kinderschriften lesen, dann das Gelesene von den Kindern erzählen usw. wodurch er fürs andre in diesem Fache sich immer mehr ausbildet, zu welchem Ende ich auch jetzt fast alle Woche die Schule besuche, und so denke ich denn daß er sich imer mehr qualificirt, daß man ihm nun wohl bey sich ereignendem Fall eine Schullehrerstelle geben wird. Ich werde zu dem Ende in künftiger Woche beym KirchenDirectorio seinetwegen einkommen. Sollten Sie einen von unsern Herren KirchenRäthen sprechen, so werden Sie auch wohl für den jungen Mann ein gutes Wort einlegen, als warum ich Sie recht sehr ersuche
Als ich diesen Vormittag nach der Predigt zu Benikes ging, sagte ich, daß ich an Sie schriebe, und fragte, ob sie mir nicht eine kleine Einlage geben [wolle,] sie versprach es – jedoch nur bedingt, wenn keine Abhaltung oder Hinderniß vorfiel – nun habe ich den ganzen Tag gewartet, aber vergebens, und daß sie morgen früh noch schicken sollte, daran zweifele ich fast –
den 18ten Nun mein lieber Neveu muß ich diesen Brief schließen. Nach vielen herzlichen Grüßen von Mama, und vielen Empfehlungen von beyden Frau Doctors die gestern Abend bey uns waren, und für Ihr gütiges Andenken ergebenst danken, verbleibe ich
Ihr aufrichtig treuer Oheim
Stubenrauch
Mein lieber Neveu
So unerwartet mir Ihr Brief kam, denn erst gestern hatte durch ein Versehen auf der Post die liebe Benike ihren Brief erhalten, und so hatte sie mir auch die Einlage nicht eher schicken können – so angenehm war mir Ihr lieber Brief, nur bedauern wir Sie alle herzlich wegen der bösen Zahnschmerzen – Sie werden sich erinnern daß Mama in Halle und auch in Drossen sehr oft damit geplagt war, um desto inniger nimmt sie an ihrem Schmerz Antheil, den sie gleichsam mitfühlt – hier ist sie Gottlob! ganz davon befreyet, sie hofft daher und wünscht, und wir alle mit ihr, daß dieses leidige Uebel Sie nun auch ganz verlaßen werde[.] Aber bewundert habe ich Sie über ihre Fußreise nach Potsdamm – und zwar in 4 Stunden; Sie müssen also noch wohl immer den starken Schritt haben, der mir hier manchmal auffiel. Die liebe Frau Bamberger ist also noch immer munter in ihrem hohen Alter: denn sie muß nahe an 70, wo nicht schon drüber seyn. Ihren Mann scheinen Sie gar nicht gesehen zu haben – er soll, wie ich auch von andern erfahren, jetzt sehr die Einsamkeit lieben
Aber daß Ihre Reise zu uns noch immer so unentschieden bleibt bedauren wir sehr, nach dem was Sie mir schreiben, dürfen wir also vor Anfang des Winters kaum darauf rechnen. |
Ehe ich Ihren Brief weiter beantworte, habe ich eine Bitte an Sie. Ich wünschte nemlich einige Exemplare von dem neuen Communionbuch welches Herr Sack in der DomGemeine so glücklich eingeführt hat. Da Sie beym Empfang dieses vermuthlich unsere Besoldungen noch nicht abgeschikt so ersuche ich mir einige Exemplare – etwa für 2 rth. zu überschiken[;] ist es wahr, was man mir geschrieben, daß das Stück nur 3 gr kostet, so erhalte ich 16 Stück – sollte es aber auch etwas mehr kosten, so würde ich auch an 8 bis 12 Stück immer vor der Hand schon genug haben – denn 8 gr wie die letzthin erhaltenen alten Communionbücher – wird hievon das Stück doch gewiß nicht kosten. Ich habe bey unserer letzten Communion – bey der Vorbereitung glücklich ein Lied statt des 51ten Psalms singen laßen – und hatte bey den Formularen sowohl bey der Vorbereitung als am Sontag – sehr viele Veränderungen – mehr als vormals getroffen, da Sie vielleicht sich erinern, daß ich bereits in Drossen mich gar nicht an unser altes Formular gehalten, so wie Sie hier ebenfalls vieles ausgelaßen vieles abgeändert[.] Nach der Communion sprach ich auf meinem Rückwege mit ein paar Gemeingliedern und fragte sie ob diese Abänderungen misfallen? und äußerte zugleich, daß in Berlin ein neues Formular – da kam denn heute vor 8 Tagen einer von unserer Gemeine und wünschte ein solches Communionbuch[.] Nun hätte ich zwar freilich gleich Dienstag darum schreiben sollen, aber ich | ward abgehalten, und nun ist es mir nicht unlieb – da ich nun Ihren lieben Brief gleich mit beantworten kann
Unser David befindet sich ja in Cüstrin ganz wohl, arbeitet fleißig und es scheint, als wenn man auch mit seinen Arbeiten ganz zufrieden wäre. Auch ist der jetzige Präsident Herr von Scheibler von ganz andrer Art, als der vorige – Anfangs glaubte ich, daß unser Sohn es nur an der so nöthigen Geschmeidigkeit hätte fehlen laßen – aber auch Herr Arend hat mir versichert, daß es eine überaus schwere Sache sey und gar nicht jedermanns Ding, des Herrn von Poser Gunst sich zu erwerben. Soviel von unserm Sohn, von eigentlichen Aussichten läßt sich bis jetzt noch wenig sagen[.] Herrn Vetter Reinhard bitte von uns allen vielmals herzlich grüßen – ich schriebe gern selbst einmal wieder an ihn, allein ich weiß, er pflegt sehr pünktlich jeden Brief zu beantworten, und doch fürchte ich daß ihm bey seinem Alter und Augenschwäche das Schreiben beschwerlich seyn dürfte. Sie werden mir darüber am beßten Auskunft geben können, – und dann vergessen Sie doch ja nicht, mir in ihrem nächsten Briefe auch etwas Näheres von der Arbeit, womit Sie anjetzt beschäftiget sind, und mit so anhaltendem und unermüdeten Fleiße beschäftiget sind – und wenn es auch Geheimniß seyn sollte, so dürften Sie es mir doch sicher anvertrauen können, indem es in solchem Fall durch mich gewiß nicht auskomen oder ruchtbar werden soll |
Unsers Cantors ältester Sohn ist jetzt hier seit etwa 1/2 Jahre, und hält fleißig die Schule, welches mir in doppelter Absicht sehr lieb ist, einmal weil nun doch dem alten Schlendrian des ewigen Lesens aus der Bibel abgeholfen wird; denn der junge Doniges läßt bald aus dem Rochowschen Kinderfreund Fausts Gesundheitskatechismus und andern guten Kinderschriften lesen, dann das Gelesene von den Kindern erzählen usw. wodurch er fürs andre in diesem Fache sich immer mehr ausbildet, zu welchem Ende ich auch jetzt fast alle Woche die Schule besuche, und so denke ich denn daß er sich imer mehr qualificirt, daß man ihm nun wohl bey sich ereignendem Fall eine Schullehrerstelle geben wird. Ich werde zu dem Ende in künftiger Woche beym KirchenDirectorio seinetwegen einkommen. Sollten Sie einen von unsern Herren KirchenRäthen sprechen, so werden Sie auch wohl für den jungen Mann ein gutes Wort einlegen, als warum ich Sie recht sehr ersuche
Als ich diesen Vormittag nach der Predigt zu Benikes ging, sagte ich, daß ich an Sie schriebe, und fragte, ob sie mir nicht eine kleine Einlage geben [wolle,] sie versprach es – jedoch nur bedingt, wenn keine Abhaltung oder Hinderniß vorfiel – nun habe ich den ganzen Tag gewartet, aber vergebens, und daß sie morgen früh noch schicken sollte, daran zweifele ich fast –
den 18ten Nun mein lieber Neveu muß ich diesen Brief schließen. Nach vielen herzlichen Grüßen von Mama, und vielen Empfehlungen von beyden Frau Doctors die gestern Abend bey uns waren, und für Ihr gütiges Andenken ergebenst danken, verbleibe ich
Ihr aufrichtig treuer Oheim
Stubenrauch