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Friedrich Schleiermacher to Maria Krasting

Wie? Die liebe gute Maria sollte ich vergessen haben, deren Liebe zu Charlotten und deren freundliche Teilnahme an mir selbst mir so wohlthuend und werth war? das kann auch Ihr Ernst nicht sein! und wenn Lotte nur Zeit gehabt hätte – an Lust wird es ihr nicht gefehlt haben – meine Briefe mit Ihnen durchzulaufen, so hätten Sie manche Frage nach eben dieser Maria darin gefunden. Schöner und lieber und vollständiger hätten sie mir nicht beantwortet werden können, als durch Sie Selbst, und durch die wenigen Worte, dass Sie ein glückliches Weib sind. O! die haben mir viel viel Freude gemacht, und wenn Sie mich ein wenig kennen, wie ich hoffe, so brauche ich Ihnen darüber nicht viel Versicherungen zu geben. Ich darf Ihnen wohl gestehen, dass die erste Nachricht von der Veränderung Ihres Zustandes mir Wehmuth und Sorge gemacht hat: das geschieht mir allemal bei der Veränderung eines mir lieben Mädchens. In der Welt macht man so wenig Erfahrungen von wahrhaft glücklichen Ehen, und in der Gemeine habe ich fast keine Gelegenheit gehabt, diesen Stand zu beobachten. Desto mehr Achtung und Dankbarkeit fühle ich nun gegen den Mann, dem Sie durch Ihre wenigen Worte ein so schönes Zeugniss geben.
Sie sind Mutter gewesen und in stiller Ergebenheit nehmen Sie auch das an, dass Sie durch Ihre Kinder nun schon mit der besseren Welt auf eine eigene Weise verwandt sind. So ist der Endzweck dieser Schickung an Ihrem schönen Herzen erreicht, und warum sollte ich also zweifeln, dass neue Mutterfreuden Ihnen noch die früheren ersezen werden? und was als dieses und die Fortdauer Ihres häuslichen Glücks bleibt mir für Sie zu wünschen übrig? Bleiben Sie eine glückliche Frau, wie Sie eine liebenswürdige bleiben werden, und geniessen Sie immer die Freude, recht viel Gutes und Schönes in dem engen, aber seligsten Kreise des Familienlebens um sich her zu verbreiten.
Was mein Herz macht, liebe Freundin? Es freut sich alles Guten, das es | noch nicht selbst geniessen kann, aber es sehnt sich auch darnach, weil es hofft dessen nicht unwürdig zu sein. Es hat wenig Wünsche, aber doch den einen, dass ich Ihnen bald möge sagen können: ich sei ein glücklicher Mann. Noch sehe ich die Erfüllung desselben nicht in der Nähe und kann nur geduldig harren. Von noch einem andern Wunsch wird Ihnen Lotte wol erzählt haben, nämlich einmal eine Reise in alle die von alten Zeiten her geliebten Orte machen zu können, zu denen wie Sie wissen, Niesky ganz besonders gehört, und diesen hoffe ich, sobald die Verhältnisse meines Amtes es erlauben, zur Erfüllung zu bringen. Wie ich sonst lebe, davon wird Ihnen wol Charlotte auch das Nöthige erzählt haben. Eines aber sagte ich Ihnen gern selbst, wenn ich nur könnte, wie sehr mich nemlich Ihr Besuch in Gnadenfrei, und dann auch besonders Ihre lieben Zeilen und das freundliche Wohlwollen, das daraus hervorleuchtet, erfreut haben. Sie müssen das fühlen, meine gute Freundin, Sie müssen fühlen, wie Sie mir nicht nur eine angenehme Stunde gemacht, sondern mir ein recht herzstärkendes und erfreuliches Gefühl gegeben haben. Erhalten Sie mir nur immer diesen Platz in Ihrem Andenken und meiner guten Lotte Ihre herzliche Freundschaft.
Ihr aufrichtiger Freund
Schleiermacher.
Metadata Concerning Header
  • Date: wohl Anfang September 1800
  • Sender: Friedrich Schleiermacher ·
  • Recipient: Maria Krasting ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Gnadenfrei ·
Printed Text
  • Bibliography: Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Kritische Gesamtausgabe. Abt. 5, Bd. 4. Briefwechsel 1800 (Briefe 850‒1004). Hg. v. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Berlin u.a. 1994, S. 246‒247.

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