Gnadfr. d. 14ten Octbr 1800.
Schon wieder eine Epistel an den Berliner – ja! und dismahl soll enger geschrieben werden, damit nicht 4 Bogen eng angefült werden – weshalb ich noch sehr um Verzeihung bitte, und eben so über die Ungestaltheit der Adresse wer weiß ob Du alles wirst lesen könen – ach wie wirst Du seufzen über die schlechte Schreiberei und den Verlust der Zeit die doch so edel ist! nur zu gut sehe ich es ein wolte es gerne ändern – ist aber nicht mehr möglich! Ob die Dohnas noch dort! ich ahnde es! Gott gebe daß Friderique sich erholt hat – und ein freundlicher Himel und wohltätige Gestirne sie umgeben[,] in Deinem nächsten Briefe hoffe ich recht viel von ihnen zu lesen. – Du bist nun wohl in Deiner neugefegten und ausgepuzten Wohnung wieder völlig eingerichtet und wie ich hoffe recht wohl! wüste ich dis doch bald! – Vorgestern war Lisette Pritwiz nach langer Zeit ein Stündgen bei mir – sie forderte mir fast mit Ungestüm Deinen Brief, ab, welchen ich dismahl für mich behalten und ihr nur mit denen Versen an Maria auffwarten wolte – gab aber doch beides – beim ersten Anblik errieth sie bald wem es dedicirt sei, und fand es treflich – auch die Aulock fand es schön – und wuste es bei unserm lezten Ersehn fast auswendig, ich hatte ihr es abgeschrieben; so viel Beifall solte Dich zu mehreren solchen Producten ermuntern – wilst Du mir nicht eimahl so was an die Aulock über unsre Freundtschaft – besonders über ihr edles Benehmen gegen mich zu senden – Du würdest mich sehr – und gewiß auch sie selbst erfreuen.
den 15ten Sonderbar! Da habe ich Dich nun mit einem mahl mit meinen Verhältniß bei Peistels bekant gemacht – und nun ist mirs schon als ob Dich das alles so wie mich selbst interressiren müste – als fühltest Du es mit mir – daß es mir jezt so ganz anders ist[;j weiland – schien mir etwa eine Zeit von 8 Wochen – da ich nicht dort besuchte sehr lang – jezt da mann sich mehr und nothgedrungner mittheilt – sind mir 14 Tage – länger als jene intervalles – da ich, ihn, in einer äußerst traurigen Laage weiß | Vielleicht ist es auch Dir nicht fremd das Gefühl – oder vielmehr die Ansprüche auf die Theilnahme eines Andern den man nun so bekant mit eines Menschen Laage gemacht – und mit dem Tausch der Empfindungen in welchen man mit ihnen steht – den Tag drauf als ich ihn das leztemahl sprach – wurde Abends bei uns im Hause Music gemacht – mann führte den Todt Jesu auf – Gott wie begleitete mich das Andenken an den Armen Peistel bei den Stüken – Du Held auf den die Köcher des Todes ausgelehrt – Ein Gebet um neue Stärke – und gestern da mann es endigte – bei den Worten Weinet nicht! Er hat überwunden!!! O! mein Lieber! nur durch diese eine Erläuterung wirst Du das einsehen was ich Dir vorm Jahre eimahl schrieb – wie ich mich gleichsam vor mir selbst fürchte, wenn so mancherley Arten von Duldenden mir ihr Herz ausschütten – weil mich das zu sehr angreift – und dan noch des Dankes so viel für die Theilnahme – für die schwachen Worte die, ihm, Trost – oder Warnung – auch Ermunterung sein sollen – Was Wunder wenn ich nur selten hingehe – mich lieber bitten laße – so viel Gewalt ich mir auch selbst anthue! Siehe da wie offen ja das geht so! wenn ich eimahl auskrame – wenn eimahl Luft gemacht ist – Ausfluß – in des andern Mitempfindung und gewiß – ist es keinem Lachenden – Höhnenden – Wizelnden sondern fühlenden – mit den Leiden der Menschheit bekanten Herzen geschrieben – das auch meines so kent – – |
den 22ten October
Gestern und vorgestern hatten wir hier das herrlichste Wetter! natürlich daß ich den ersten schönen Tag benuzte nach meinen Schulen auf den Glazhof zu gehen – ich wolte um, 6, wieder weg gehen – weil es finster wurde – und hier auch eine Trauung, war, welcher ich gern beigewohnt hätte – Sie die Frau wolte mich her begleiten – da sie aber sah daß Er nicht gehen wolte – bat sie mich bei ihm zu bleiben – und mit dem Wagen zurükzugehen der sie abholen würde – – dis schien ihm sehr lieb zu sein – (Als sie weg war – konte ich mich nicht enthalten laut zu fragen – – Gott! bin ich so viel Güte und Zutrauen von Seiten Ihrer Frau wohl werth –) mir war nicht ganz angenehm – doch aus Mitleiden that ich es gern – war also eine ganze Stunde mit ihm allein in welcher wieder neue mir ganz unerwartete Mittheilungen über seine oeconomischen Verhältniße – gemacht wurden – Gott welch ein Heer von Leiden, und Gewühl von sonderbaren Entwürfen bestürmen Kopf und Herz dieses guten Mannes! Wie tief hat er mich durch seine Worte in sein inres hineinschauen laßen – was ich freilich ohne sein Wollen und Wißen schon Jahre lang gethan habe.
den 2ten November Heute Nachmittag ist auf unserm GemeinSaal – von unsern musicalischen Brüdern die Schöpfung von Heiden aufgeführt worden – längst haben dis unsre hiesige MusicKener – und Liebhaber gewünscht – und es ist auch wirklich so gut ausgefallen als es von Menschen die in dergleichen nicht geübt sind nur gemacht werden kann freilich diejenigen die es in Breslau gehört haben müßen nicht hier es anhören werden wohl auch nicht – kenst Du dis schöne Stük! es ist ganz fürtreflich – manche Stellen vorzüglich erquikend – bitte laß mich in Deinem nächsten Brief wißen ob Dir der Text bekannt ist |
den 13ten November
Noch imer kein Brief von Dir mein Lieber! Gott gebe daß Dich nicht Krankheit – oder Schwäche daran hindert – leztere hat mich seit einiger Zeit sehr befallen, und hemt meine GeistesKräfte in der Ausübung – mehr als ich es seit einigen Jahren erfahren, deshalb ich mir auch habe Medicin geben laßen – die wie ich merke gute Wirkung thut – und mir schon wieder erlaubt – zu lesen und zu schreiben – welches seit 8 Tagen fast gar nicht gehen wolte – das heist – beides meine Augen und Stimme war zu schwach – so daß ich mir selbst ein Gegenstand des Bedauerns war – vorzüglich wegen meiner Schulen die ich doch mit so vielem Vergnügen halte – Gestern war Mitwoch – da konte ich Nachmittags ausruhen – und heute begehen wir das AeltestenFest – da kan ich auf morgen wieder Kräfte schöpfen – Sonabend feiern es die Kinder nach – mithin habe ich dan wieder 2 leere Tage – aber ach wie traurig wenn man sich darauf gleichsam freuen kann – das sind wahre Demütigungen für mich – die ich so gerne nüzlich hin – und mich auch in der Zwischenzeit gerne zwekmäßig beschäftige – In Deinem lezten meinst Du ich wäre so lange nicht in Fuerstenstein gewesen! Lieber Bruder, ich bin noch gar nicht weder dorthin, noch in eine andre GebirgsGegend gekommen – die Gräfin Hochberg habe ich blos vor 2 Jahren hier gesehen – sie hat mich schon eingemahl ersucht hinzukomen – mann sieht es bei unsern Arbeitern nicht für Ernst ann – wenn | Sie mir nicht Equipage schikt mich abzuholen – ein sonderbarer Gedanke! Nun wenn Du künftig Jahr herkomst wollen wir mehr darüber sprechen – ich weis den Grund nicht den sie eigentlich haben – Baron Seidliz mit dem ich kürzlich darüber sprach denkt nebst seiner vortreflichen Frau ganz anders darüber – und Beide wünschen es dahin zu bringen daß ich eimahl mit einer Geselschaft die mich wegen meines Besuchs bei der Gräfin nicht hindert – nach Fuerstenstein komme! das vergangne Frühjahr und Somer waren viele aus Gnadenfrey dort – selbst unsre Arbeiter – und Du kanst Dir nun vorstellen wie das sonderbar auf mich wirkte – da ich wegen der Besizerin – als auch wegen meines Geschmaks und Gefühl für alle die vortrefliche Anlagen der Natur und Kunst eben so viel Anrecht zu haben glaube als Alle die dort besucht haben – ich wolte hievon nie etwas gegen Dich erwähnen weil ich die unangenehmen Empfindungen voraus sehe die es Deiner brüderlichen Theilnahme erregen wird aber weil Du jenen Ort so ganz besonders erwähnst – konte ich nicht anders – das ganze Jahr bin ich nur 1 mahl ausgefahren habe mich aber durch Spaziergänge wie Du wohl merkst schadlos gehalten – überhaupt liegt mir beim ausfahren viel an einer guten Geselschaft – wenn ich nicht etwa solo zu einer Freundin mich begebe – bei diesem Wort – fält mir Wenzel ein – ich bin recht begierig wie euer Wiedersehn in Berlin war – und ob es nicht nur Sehen – sondern auch Wiederfinden war – Du wirst mir wohl verzeihen daß ich Dir das erwähnte Denkmahl von ihm – nicht eher zum durchlesen schike bis ich weis ob Du eins von Wenzel selbst erhalten hast – lache mich nur nicht aus ich kan mich gar nicht von dem Wesen trennen – vielleicht wird es auf Dich nicht die sensation machen – weil ich so mancherley meiner hiesigen Freuden dabei im Gemüth habe. Auf Deinen nächsten Brief – freue ich mich gar sehr – denn lange lange läst Du mich dismahl warten – viel rechne ich auf Dohnas von deren Auffenthalt ich mir eine ganze Erzählung verspreche – die alte Gräfin hat wenn ich nicht irre am 26ten October ihren Geburtstag gefeiert – da wird wohl Deine Muse etwas geliefert haben – von der gütigen Aufnahme Deiner Epistel und Poesie an Marien kann ich nichts erwähnen – das loose Weib hat weder schriftlich noch mündlich durch die von hier dort Besuchende mir etwas sagen laßen – auch sagt man sie wären gesonen nach Dresden zu ziehen – ob das Grund hat wird die FolgeZeit lehren. – – –
Dieser Brief geht nun nicht mit der Post – sondern mit Senfts ab welche Goerlizens Stelle dort besezen – einge Tage später als ich es wünsche erhältst Du zwar den Brief nebst Beutel und Zeichnung – wenn beides in seiner Art Dir Freude macht wird es meinem Herzen wohl thun – ja recht stolz würde es mich machen, wenn die Gnadenfreyer Arbeiten durch die schönen Producte der Berliner nicht ganz verdunkelt würden – der Beutel ist fast eine sehr dreiste Anspielung weil Du den meinigen schon öfters | gefült – und noch versorgen wilst – indes Du nimst meinen guten Willen für That ann – von jenen Handschuh die ich Dir einstmalen schikte – habe nie gehört ob sie Dir recht waren, deshalb wolte ich keinen neuen Versuch damit machen – wenn Du aber den Beutel bei Dir tragen wilst – wirst Du mich sehr erfreuen – die Zeichnung hat zwar nur eine Schwester aus meiner Stube gemacht – der es aber nur an Gelegenheit fehlt das Talent auszubilden um es recht weit darin zu bringen – die Idée ist ihre eigne.
Zu dem 21ten November – an welchem Du eigentlich alles erhalten soltest – möchte ich Dir gerne recht viel sagen – aber es fehlt mir an Worten mich über mein inres deutlich zu machen und Du bist ja mit allen meinen Wünschen für Dich so bekant daß Du Dir selbst aus Deiner Seele das zurufen kanst was viele Zeilen nur sehr unvolkomen – vielleicht auch ganz unrecht ausdrüken mögten.
Mit unaussprechlicher Sehnsucht – harre ich Deinem nächsten entgegen – und freue mich im voraus alles deßen was Du mir mittheilen wirst – fast wünschte ich nun, daß Du erst nach Empfang dieses schreiben möchtest – doch stille liebe Seele! ich schließe hier da es mir wirklich auch an Kräften fehlt – ob ich mich schon ganz hübsch erholt – habe – Sei aber nicht in Sorgen um mich – Lieber! im Geist umarmt Dich Deine
Lotte S.
Schon wieder eine Epistel an den Berliner – ja! und dismahl soll enger geschrieben werden, damit nicht 4 Bogen eng angefült werden – weshalb ich noch sehr um Verzeihung bitte, und eben so über die Ungestaltheit der Adresse wer weiß ob Du alles wirst lesen könen – ach wie wirst Du seufzen über die schlechte Schreiberei und den Verlust der Zeit die doch so edel ist! nur zu gut sehe ich es ein wolte es gerne ändern – ist aber nicht mehr möglich! Ob die Dohnas noch dort! ich ahnde es! Gott gebe daß Friderique sich erholt hat – und ein freundlicher Himel und wohltätige Gestirne sie umgeben[,] in Deinem nächsten Briefe hoffe ich recht viel von ihnen zu lesen. – Du bist nun wohl in Deiner neugefegten und ausgepuzten Wohnung wieder völlig eingerichtet und wie ich hoffe recht wohl! wüste ich dis doch bald! – Vorgestern war Lisette Pritwiz nach langer Zeit ein Stündgen bei mir – sie forderte mir fast mit Ungestüm Deinen Brief, ab, welchen ich dismahl für mich behalten und ihr nur mit denen Versen an Maria auffwarten wolte – gab aber doch beides – beim ersten Anblik errieth sie bald wem es dedicirt sei, und fand es treflich – auch die Aulock fand es schön – und wuste es bei unserm lezten Ersehn fast auswendig, ich hatte ihr es abgeschrieben; so viel Beifall solte Dich zu mehreren solchen Producten ermuntern – wilst Du mir nicht eimahl so was an die Aulock über unsre Freundtschaft – besonders über ihr edles Benehmen gegen mich zu senden – Du würdest mich sehr – und gewiß auch sie selbst erfreuen.
den 15ten Sonderbar! Da habe ich Dich nun mit einem mahl mit meinen Verhältniß bei Peistels bekant gemacht – und nun ist mirs schon als ob Dich das alles so wie mich selbst interressiren müste – als fühltest Du es mit mir – daß es mir jezt so ganz anders ist[;j weiland – schien mir etwa eine Zeit von 8 Wochen – da ich nicht dort besuchte sehr lang – jezt da mann sich mehr und nothgedrungner mittheilt – sind mir 14 Tage – länger als jene intervalles – da ich, ihn, in einer äußerst traurigen Laage weiß | Vielleicht ist es auch Dir nicht fremd das Gefühl – oder vielmehr die Ansprüche auf die Theilnahme eines Andern den man nun so bekant mit eines Menschen Laage gemacht – und mit dem Tausch der Empfindungen in welchen man mit ihnen steht – den Tag drauf als ich ihn das leztemahl sprach – wurde Abends bei uns im Hause Music gemacht – mann führte den Todt Jesu auf – Gott wie begleitete mich das Andenken an den Armen Peistel bei den Stüken – Du Held auf den die Köcher des Todes ausgelehrt – Ein Gebet um neue Stärke – und gestern da mann es endigte – bei den Worten Weinet nicht! Er hat überwunden!!! O! mein Lieber! nur durch diese eine Erläuterung wirst Du das einsehen was ich Dir vorm Jahre eimahl schrieb – wie ich mich gleichsam vor mir selbst fürchte, wenn so mancherley Arten von Duldenden mir ihr Herz ausschütten – weil mich das zu sehr angreift – und dan noch des Dankes so viel für die Theilnahme – für die schwachen Worte die, ihm, Trost – oder Warnung – auch Ermunterung sein sollen – Was Wunder wenn ich nur selten hingehe – mich lieber bitten laße – so viel Gewalt ich mir auch selbst anthue! Siehe da wie offen ja das geht so! wenn ich eimahl auskrame – wenn eimahl Luft gemacht ist – Ausfluß – in des andern Mitempfindung und gewiß – ist es keinem Lachenden – Höhnenden – Wizelnden sondern fühlenden – mit den Leiden der Menschheit bekanten Herzen geschrieben – das auch meines so kent – – |
den 22ten October
Gestern und vorgestern hatten wir hier das herrlichste Wetter! natürlich daß ich den ersten schönen Tag benuzte nach meinen Schulen auf den Glazhof zu gehen – ich wolte um, 6, wieder weg gehen – weil es finster wurde – und hier auch eine Trauung, war, welcher ich gern beigewohnt hätte – Sie die Frau wolte mich her begleiten – da sie aber sah daß Er nicht gehen wolte – bat sie mich bei ihm zu bleiben – und mit dem Wagen zurükzugehen der sie abholen würde – – dis schien ihm sehr lieb zu sein – (Als sie weg war – konte ich mich nicht enthalten laut zu fragen – – Gott! bin ich so viel Güte und Zutrauen von Seiten Ihrer Frau wohl werth –) mir war nicht ganz angenehm – doch aus Mitleiden that ich es gern – war also eine ganze Stunde mit ihm allein in welcher wieder neue mir ganz unerwartete Mittheilungen über seine oeconomischen Verhältniße – gemacht wurden – Gott welch ein Heer von Leiden, und Gewühl von sonderbaren Entwürfen bestürmen Kopf und Herz dieses guten Mannes! Wie tief hat er mich durch seine Worte in sein inres hineinschauen laßen – was ich freilich ohne sein Wollen und Wißen schon Jahre lang gethan habe.
den 2ten November Heute Nachmittag ist auf unserm GemeinSaal – von unsern musicalischen Brüdern die Schöpfung von Heiden aufgeführt worden – längst haben dis unsre hiesige MusicKener – und Liebhaber gewünscht – und es ist auch wirklich so gut ausgefallen als es von Menschen die in dergleichen nicht geübt sind nur gemacht werden kann freilich diejenigen die es in Breslau gehört haben müßen nicht hier es anhören werden wohl auch nicht – kenst Du dis schöne Stük! es ist ganz fürtreflich – manche Stellen vorzüglich erquikend – bitte laß mich in Deinem nächsten Brief wißen ob Dir der Text bekannt ist |
den 13ten November
Noch imer kein Brief von Dir mein Lieber! Gott gebe daß Dich nicht Krankheit – oder Schwäche daran hindert – leztere hat mich seit einiger Zeit sehr befallen, und hemt meine GeistesKräfte in der Ausübung – mehr als ich es seit einigen Jahren erfahren, deshalb ich mir auch habe Medicin geben laßen – die wie ich merke gute Wirkung thut – und mir schon wieder erlaubt – zu lesen und zu schreiben – welches seit 8 Tagen fast gar nicht gehen wolte – das heist – beides meine Augen und Stimme war zu schwach – so daß ich mir selbst ein Gegenstand des Bedauerns war – vorzüglich wegen meiner Schulen die ich doch mit so vielem Vergnügen halte – Gestern war Mitwoch – da konte ich Nachmittags ausruhen – und heute begehen wir das AeltestenFest – da kan ich auf morgen wieder Kräfte schöpfen – Sonabend feiern es die Kinder nach – mithin habe ich dan wieder 2 leere Tage – aber ach wie traurig wenn man sich darauf gleichsam freuen kann – das sind wahre Demütigungen für mich – die ich so gerne nüzlich hin – und mich auch in der Zwischenzeit gerne zwekmäßig beschäftige – In Deinem lezten meinst Du ich wäre so lange nicht in Fuerstenstein gewesen! Lieber Bruder, ich bin noch gar nicht weder dorthin, noch in eine andre GebirgsGegend gekommen – die Gräfin Hochberg habe ich blos vor 2 Jahren hier gesehen – sie hat mich schon eingemahl ersucht hinzukomen – mann sieht es bei unsern Arbeitern nicht für Ernst ann – wenn | Sie mir nicht Equipage schikt mich abzuholen – ein sonderbarer Gedanke! Nun wenn Du künftig Jahr herkomst wollen wir mehr darüber sprechen – ich weis den Grund nicht den sie eigentlich haben – Baron Seidliz mit dem ich kürzlich darüber sprach denkt nebst seiner vortreflichen Frau ganz anders darüber – und Beide wünschen es dahin zu bringen daß ich eimahl mit einer Geselschaft die mich wegen meines Besuchs bei der Gräfin nicht hindert – nach Fuerstenstein komme! das vergangne Frühjahr und Somer waren viele aus Gnadenfrey dort – selbst unsre Arbeiter – und Du kanst Dir nun vorstellen wie das sonderbar auf mich wirkte – da ich wegen der Besizerin – als auch wegen meines Geschmaks und Gefühl für alle die vortrefliche Anlagen der Natur und Kunst eben so viel Anrecht zu haben glaube als Alle die dort besucht haben – ich wolte hievon nie etwas gegen Dich erwähnen weil ich die unangenehmen Empfindungen voraus sehe die es Deiner brüderlichen Theilnahme erregen wird aber weil Du jenen Ort so ganz besonders erwähnst – konte ich nicht anders – das ganze Jahr bin ich nur 1 mahl ausgefahren habe mich aber durch Spaziergänge wie Du wohl merkst schadlos gehalten – überhaupt liegt mir beim ausfahren viel an einer guten Geselschaft – wenn ich nicht etwa solo zu einer Freundin mich begebe – bei diesem Wort – fält mir Wenzel ein – ich bin recht begierig wie euer Wiedersehn in Berlin war – und ob es nicht nur Sehen – sondern auch Wiederfinden war – Du wirst mir wohl verzeihen daß ich Dir das erwähnte Denkmahl von ihm – nicht eher zum durchlesen schike bis ich weis ob Du eins von Wenzel selbst erhalten hast – lache mich nur nicht aus ich kan mich gar nicht von dem Wesen trennen – vielleicht wird es auf Dich nicht die sensation machen – weil ich so mancherley meiner hiesigen Freuden dabei im Gemüth habe. Auf Deinen nächsten Brief – freue ich mich gar sehr – denn lange lange läst Du mich dismahl warten – viel rechne ich auf Dohnas von deren Auffenthalt ich mir eine ganze Erzählung verspreche – die alte Gräfin hat wenn ich nicht irre am 26ten October ihren Geburtstag gefeiert – da wird wohl Deine Muse etwas geliefert haben – von der gütigen Aufnahme Deiner Epistel und Poesie an Marien kann ich nichts erwähnen – das loose Weib hat weder schriftlich noch mündlich durch die von hier dort Besuchende mir etwas sagen laßen – auch sagt man sie wären gesonen nach Dresden zu ziehen – ob das Grund hat wird die FolgeZeit lehren. – – –
Dieser Brief geht nun nicht mit der Post – sondern mit Senfts ab welche Goerlizens Stelle dort besezen – einge Tage später als ich es wünsche erhältst Du zwar den Brief nebst Beutel und Zeichnung – wenn beides in seiner Art Dir Freude macht wird es meinem Herzen wohl thun – ja recht stolz würde es mich machen, wenn die Gnadenfreyer Arbeiten durch die schönen Producte der Berliner nicht ganz verdunkelt würden – der Beutel ist fast eine sehr dreiste Anspielung weil Du den meinigen schon öfters | gefült – und noch versorgen wilst – indes Du nimst meinen guten Willen für That ann – von jenen Handschuh die ich Dir einstmalen schikte – habe nie gehört ob sie Dir recht waren, deshalb wolte ich keinen neuen Versuch damit machen – wenn Du aber den Beutel bei Dir tragen wilst – wirst Du mich sehr erfreuen – die Zeichnung hat zwar nur eine Schwester aus meiner Stube gemacht – der es aber nur an Gelegenheit fehlt das Talent auszubilden um es recht weit darin zu bringen – die Idée ist ihre eigne.
Zu dem 21ten November – an welchem Du eigentlich alles erhalten soltest – möchte ich Dir gerne recht viel sagen – aber es fehlt mir an Worten mich über mein inres deutlich zu machen und Du bist ja mit allen meinen Wünschen für Dich so bekant daß Du Dir selbst aus Deiner Seele das zurufen kanst was viele Zeilen nur sehr unvolkomen – vielleicht auch ganz unrecht ausdrüken mögten.
Mit unaussprechlicher Sehnsucht – harre ich Deinem nächsten entgegen – und freue mich im voraus alles deßen was Du mir mittheilen wirst – fast wünschte ich nun, daß Du erst nach Empfang dieses schreiben möchtest – doch stille liebe Seele! ich schließe hier da es mir wirklich auch an Kräften fehlt – ob ich mich schon ganz hübsch erholt – habe – Sei aber nicht in Sorgen um mich – Lieber! im Geist umarmt Dich Deine
Lotte S.