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Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

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Jena d. 7ten [‒8.] May [1801].
Diesen Morgen, mein lieber Schlegel, kann ich Dir nur blos von mir sagen, daß mich Dein unglücklicher Fortunat entzückt hat. Gestern Abend hatte mir Gries (der blos zu solchen Dingen taugt) die Marie Stuart gebracht, und da wir diese angefangen hatten zu lesen, wollt ich ihn in solcher schlechten Stimmung noch nicht mittheilen, und ihn mir auch erst allein vorlesen. Sage, mein Lieber, wo hast Du den nun wieder hergenommen? Er ist so fantastisch, so zart schauerlich und lieblich schreckenvoll, und erst drücken die Assonanzen die Ahndung hievon so gut aus, dann der Reim den entscheidenden Moment des nahenden Todes unter den Rosen. Ich bin ganz und gar davon eingenommen und mag mir eben deswegen nichts erschöpfen und nichts abschöpfen mit einer Analyse. Den Namen Fortunat hat Dir Fortuna selber eingegeben. Dichte nur, trachte so fort! Dies ist eines von denen Gedichten, wovon mir der Eindruck immer bleiben, immer wieder der erste seyn wird. Kann man im Thiergarten auf so zauberliche Gedanken kommen? Wenn mir es jemand angriffe, der hätte mit mir zu thun, aber Du, mein Schatz, hast eine schlechte Sache zu vertheidigen gehabt, wie Du gegen Tiek über Maria Stuart strittest. Es ist wahrlich nicht besser wie der Wallenstein ‒ ja der gesammte schlechtere Wallenstein spricht einem daraus an. Die wenigen lyrischen Stellen sind hübsch ‒ o ja ‒ aber mit dem Ganzen schlecht verbunden. Das Interesse für Maria ist durchgehends zu sehr geschwächt, es sieht aus, als sollte das objektiv gemeint seyn, aber ist nichts ächtes damit, blos nachgemachte Patent-Objektivität. Denken kann ich mir wohl, daß es sich auf dem Theater ganz gut macht. Die Szene, wo Melvil sein priesterlich Haupt entblößt, ist eine der vorzüglichsten und eine sehr gute Schlußerscheinung der Maria. Der lezte Auftritt endet genau wie beym Wallenstein mit einem Epigramm ‒ Fürst Piccolomini! „Lord Lester schift nach England“. ‒ Das Politische darinn hat auch die Deutlichkeit einer Deduktion nicht los werden können, und ich versichre Dich, ich habe bey dieser ersten Lektüre, wo die Neugierde mit geschäftig war, nicht einiger Langeweile entgehn können. ‒ Wie fällt Mortimer mit seiner Catholizität wie mit der Thür ins Haus! Er müßte durchaus nicht psychologisch darthun, wie er katholisch geworden ist, sondern blos mit Eifer aussprechen: ich bins. Ja, mein Freund, mir ist es ganz klar, daß alles poetische Drum und Dran dieses Stückes in der Summe keine Poesie macht.
Was hofst Du nun vom Mädchen von Orleans? Ich habe die taube Nuß, den Gries, wieder befragt, und da es angenehm ist über etwas, das man nur halb weiß, zu reden, als wüste man es ganz, so will ich Dir so viel davon sagen, es ist doch nichts als eine sentimentale Jeanne dʼArc. Sie ist tugendhaft und verliebt, sie glaubt sich wirklich inspirirt (nun das wär gut) und es gehen auch Zaubereyen vor. Allein denke Dir den Gräuel, sie wird nicht verbrannt, sie stirbt an ihren Wunden auf dem Bette der Ehren. Eine alte Königin Isabeau, die gegen ihren Sohn Carl mit den Engländern kriegt (wie Gries berichtet), bekommt sie in ihre Gewalt; sie wird mit sechsfachen Ketten an einen Baum fest gebunden, indessen geht die Schlacht weiter fort und irgend jemand, der auf einen Hügel steht, erzählt der Isabeau, wie es geht und daß Carl in Gefahr ist. Jeanne geräth darüber in heiligen Wahnsinn und die Ketten fallen von ihr ab auf ihr Gebet, sie fliehet hinweg um den König zu retten, und dabei bekommt sie dann die Todeswunde. Stanzen sind darinn, allein sonstige Unregelmäßigkeiten will Gries nicht gehört haben. Auch nichts von der Genoveva, mehr von Shakesp. Er wird sich darinn wohl verhört haben. Ich muß übrigens sagen, daß das, was ihr in Maria Tiekisch fandet, mir gar nicht so vorgekommen ist. Wie Maria ins Freye komt, so ist da eine Art von Cantate, die mich eher an Rammlers Ino erinnert haben würde. ‒ Schiller las das Stück den Schauspielern vor in der Absicht es gleich aufführen zu lassen, vielleicht komt es nun doch für jetzt nicht dazu wegen des zu starken Personale. Man studirt Nathan ein. ‒ Gries meint auch noch, die Pucelle von Voltaire sey ihm oft störend eingefallen, die Schiller auch viel dabey studirt hat, doch läßt sich schwerlich entscheiden, ob sie Schiller oder Griesen Streiche gespielt hat. Bey dem Shakesp. könnte sie mir nie einfallen. Es ist hübsch, daß diese Übersetzung eben zugleich erscheint. Von Schiller komt diese Messe viel zum Vorschein, auch der Macbeth. Tröste Dich nun, daß Woltmann mehr weiß als Du! Du weißt ja, daß Schiller bis auf diesen Augenblick das Sujet niemanden vertraut hatte. Dafür kennst Du nun seinen Embryo, Don Juan, darfst aber blos in geheimnißvollen Winken darüber offenbar werden.
Hier sind noch zwey Zeilen, die den ersten Act schließen ungefähr:

‒ ich will
Zu Hülfe eilen Frankreichs Heldensöhnen
Und Rheims befreyn und meinen König krönen.

Mir geben sie Licht genug. ‒ Ich wünschte den Tancred zu lesen; darin sollen die Jamben und hinzugefügten Schlußstellen ungemein schön seyn.
Goethe ist hier. Schelling war gestern den ganzen Morgen bey ihm und fuhr mit ihm aus, kam auch ganz ermüdet von scherz und ernsthaften Reden bey uns an. Er hatte sich eben auf das angelegentlichste nach Dir und Deinem Thun und Treiben erkundigt und wann Du kämest, als ich das Packet hinschickte. S. erzählte ihm Deine Händel mit Unger, er las Deinen Brief und sagte: nun, er scheint doch recht vergnügt und wohl zu seyn und es freut mich ihn bald zu sehn. Er wird nicht lange bleiben. Den Nicolai hatte er noch nicht gelesen, er war gleich in Schillers Hände gekommen. Ein vollständig Exemplar habe ich nicht für ihn erhalten und Schelling muß ihm das seinige mittheilen. ‒ Der Herzog ist in dieser Woche unvermuthet zu Loder gekommen und hat bey ihm gegessen, worüber L. über und über stralend geworden, und mir auch gestern früh eine Stundenlange Aufwartung gemacht hat. Die Lodern war schon zweymal bey mir; Hannchen kam von Leipzig zurück, wo sie bey Tischbeins logirte, und brachte mir viele Grüße nebst einigen Klagen von Caroline, daß Du ihr nicht geantwortet, was ich sogleich thun werde. Carolinens Stimme soll ins bewunderswürdige gehn, Betsy darf jezt wenig singen, sie hat Brustschmerzen und eine solche Reizbarkeit, daß sie Stundenlang über das mindeste, was sie anregt, weint und zittert. Sie ist Mignon, ach ich fürchte, sie wird nicht leben, diese zarten Saiten haben so früh getönt.
–––––
Was die Aufträge in Deinem Brief betrift, so habe ich sie nieder geschrieben und Friedrich geschickt noch gestern Abend, weil er, so viel ich weiß, heute nach Leipzig gereist ist, um die Veit abzuholen.
Mit dem Druckfehler im B. ist es freylich zu spät, ich habe schon ein Exemplar im Hause gehabt, das Friedrich für Schelling geschickt hatte, der Dir danken läßt. ‒ Fr. ließ mir sagen, er wolle alles besorgen. Ich hatte zugleich Deines Wunsches erwähnt Deine Bücher im Hause vorzufinden, denn allerdings sehn die beyden Bücherbrette sehr degarnirt aus, obschon ich nicht anzugeben weiß, was fehlt, nur einiges, was ich suchte, ZB. Müllers Geschichte der Schweiz, war nicht da. Die ließ ich mir holen, weil wir etwas nachsehn wolten wegen Wilh. Tell. ‒ Deinen Fortunat kann ich nun Friedrich nicht eher mittheilen, bis er sich wieder bey mir meldet, doch muß ich das Sonnet auf das Bild holen lassen, wenn ich es demnächst Tiek schicke. Dieser ist in Leipzig gewesen, ob ihn Friedrich noch findet, weiß ich nicht. Es ist recht betrübt, daß ich ihn nicht sehe.
Das einzige Wort, Du wollest in dem persönlichen Verhältniß zwischen Friedrich und mir nicht gegen mich Parthey nehmen, hat mich ganz ruhig gemacht. Weiter begehre ich nichts, obwohl mein Herz einigermaßen voll Unwillens gewesen ist. ‒ Ich sehe noch nicht klar, und begreife nicht, wie es die Veit wirklich hat wagen können, so wenig Rücksicht auf Dich sowohl als mich zu nehmen, so daß ich immer noch zu denken geneigt bin, meine Augen und Ohren betrügen mich. ‒ Deine Bemerkung über die Realität des reellen Schadens ist zwar richtig und ich bemühte mich gleich sie nicht aus der Acht zu lassen, aber ich habe dafür diesen schon fast zu sehr aus der Acht gelassen. Alles, was ich erst wieder herbeyschaffen muste, ist mir schon, als hätte es nicht gefehlt. An Meublen wird nun außer einem Tisch alles da seyn. Mit dem Ersaz fordern weißt Du, wie es ist. Kann ich behaupten, ihr habt mir so und so viel Dutzend Teller zerbrochen, da Mad. Veit nichts förmlich übergeben worden ist? Freylich sind jetzt nur 2 Dutzend da, statt 10 Dutzend, mit denen ich anfing, und wir haben denn doch bis zulezt noch große Gesellschaft mit dem Porcelan bewirthen können. So sagt auch Rose, es wären noch viel Gläser dagewesen, nur zwey zerstoßne, item die Tassen und die blauen Glascompotieren zerbrochen! Meine Klage über den Verlust anderes Hausgeräthes als Körbe etc. beantwortete mir Friedrich mit einer Denunciation von Lenens Untreue, aber wie Rose wegging, waren diese Sachen da. ‒ Auf keine Weise möcht ich in eine Erörterung mit der Veit mich einlassen. Das müste eine gemeine Geschichte werden, also bis wir, Du und ich, uns sprechen können, laß alles gehn, wie es geht. ‒ Rose sagt, die Veit habe immer das Essen durchaus auf den porcelan Tellern gewärmt haben wollen, und da wären sie gesprungen. ‒ Alles dieses sind aber, höchstens in die Augen fallende, Kleinigkeiten gegen ganz andre Beschwerden.
Ich versichre Dir, Schelling ging mit der Idee von Bamberg weg Friedrich zu sehen, nur war das erste, was ihm hier entgegen kam, jener feindseliges Verfahren gegen mich. Ich überzeuge mich auch vollkommen jetzt, daß es keine Grille damit war, und einmal angenommen, daß mein Zutrauen gegen die Veit zu weit ging, kann ich es auch erklären. Sie strebt mit einem starken Misgefühl ihrer Nationalität nach einer bürgerlichen, wenigstens geselligen Existenz und auf den Ruin, den ich über mich gebracht hatte, dachte sie sich zu gründen. So hat sie mich durch Wahrheit und Verläumdung Preis gegeben gegen die Paulus zuerst, bey der das den besten Boden fand, den neidischen. Weiterhin ist das Mittheilungssystem immer stärker eingerißen, wie es darauf ankam, theils von Friedrichs Seite den Zirkel der Freunde im Guten zu vergrößern, theils sich Parthie zu machen, und schlechtes Volk in solcher Absicht nicht zu verschmähn. Würden wir wohl je Winkelmann, Vermehren und dergl. Leute so täglich in unsrer Nähe geduldet haben, und Paulus als Freund besitzen wollen, der doch den allerverächtlichsten Charakter von der Welt nicht verleugnen kann, oder Fromman als Protektor? Läßt sich Gemeinheit gänzlich verbannen unter derley Umgebungen? Und in einer höhern Hinsicht ‒ Sollte man die zudringlichen Dilettanten und miserablen Wesen zulassen in der Hoffnung einen wahrhaft geweiheten Kreis zu erweitern? Ich weis, was Friedrich verführt hat: der ihm fremde Genuß einer gewissen Art von Popularität. Er lebte mit seinen fast leidenschaftlichen Hange zur Geselligkeit immer isolirt. Und dann ‒ ich darf es sagen, weil es eine Zeit gab, wo ich in sein innerstes Herz geschaut habe ‒ er ist nicht ohne Rachsucht; er glaubte sich an Schelling rächen zu müssen, der doch in der That blos auf sein Verfahren von ihm abfiel ‒ und alles dieß trübe Wesen hat ihm seine Erinnerung meiner und seiner verdunkelt, ihn verstockt. ‒ Ich warte nur darauf, ob er sich denn gegen Dich auch gar nicht erklärt, um den Brief zurückzufordern. Freylich wäre es mir lieber, wenn Du es thätest blos als Auftrag von mir, und versiegelt. Lesen kannst Du ihn dann, wenn er ihn unbeantwortet giebt; er ist keinesweges geschrieben, um vor Deine Augen zu kommen, allein ich kann doch für mich nichts dagegen haben.
Er schickt eben noch einen Zettel, er werde alles besorgen, nebst dem lezten Tisch, und ist diesen Morgen abgereißt ohne mich etwa wegen irgend eines Geschäftes nach Leipzig zu befragen oder um etwas für Tischbeins. Daß Mad. Veit nicht zu mir kommt, ist meinen Wünschen gemäß, obgleich Deiner Erwartung schwerlich. Du solst sehn, sie wird es nicht thun, wie doch nun ohne Frage in der Ordnung wäre. Sie hat sich hier schon lange berühmt, sie wolle mich nicht sehn. Diese Person, die keinen Menschen hier gesehn haben würde ohne mich, und der ich alle Bedenklichkeiten aufopferte. Ich rede gegen niemand ein Wort, aber daß diese Spannung sich andrerseits in Worten geäußert, seh ich ganz deutlich ‒ denn sag, woher sollte Winkelmann sie wißen, der schon in Braunschweig gegen Luisen darauf anspielte, woher die Fromman, indem sie gar nicht voraussezte, daß ich Friedrich gesehn usw. Ich sage Dirs nur zum Beweis, daß diese Dinge keine Chimären sind. Sie sind wirklich mit sich selbst nicht viel diskreter umgegangen, indem ihre Geldnoth oder häusliche Angelegenheiten immer der ganzen Societät bis zu den Studenten herunter bekannt waren. Ja Friedrich hat von Brentano Geld begehrt, der ihm keines geben konnte. Die Quelle, aus der ich dieses weiß, will ich Dir mündlich sagen, und von diesem Augenblick überhaupt nichts mehr schriftlich hierüber als die nothwendigsten Thatsachen, wie sie sich fernerhin ereignen, denn es muß und kann Dir nicht anders wie höchst fatal seyn, und Du must es nur der Nothwendigkeit für mich, Dich zu unterrichten, zu gut halten, daß ich mich einließ.
–––––
Freytag früh [8. Mai].
Wilhelm, Du bist ein Schalk, ein Schelm und der leibhaftige Schlegel. Wir haben uns ganz königlich über Dich ergötzt und ich gestehe, ich möchte Dich jetzt mündlich necken können, ich weiß mich vor Neckelust kaum zu lassen. Schelling sagt gestern: was mag Schlegel bey Goethe für ein Briefchen eingelegt haben mit einem sehr zierlichen Rand und Aufschrift ‒ es muste von einer Frau kommen usw. In dem Augenblick fällt mir ein, das ist von Unzelinchen und Unzelinchen will nach Weimar kommen. Schlegel hat mir einmal flüchtig geschrieben, sie hofte mich zu sehn, ja es paßt alles zusammen, er bleibt so lange in Berlin, bis er sie her begleiten kann, will mich mit der kleinen Fee überraschen, hat mir sogar anbefohlen, ich soll das Haus schön machen ‒ o Du listiger, und nun bin ich noch viel viel listiger und komme hinter alles. Unzelinchen hat sich in aller Stille mit Hülfe ihres Geheimenrathes an den Geheimenrath gewandt, bey dem war aber sein Geheimerrath und der hat es der Frau Räthin glücklich vertraut, und wir haben den schönsten Spaß von der Welt. Schreib nur gleich, wie es ist, es wäre ein Jammer, wenn ich mich betröge, wir haben schon die besten Plane gemacht, daß eine ganz gräuliche Verwirrung entstehn soll, besonders sehr viel Eifersucht, Luise will nehmlich eifersüchtig auf Dich seyn, und darin hat sie was gethan, wie Du weist. Schelling will Unzelinchen anbeten, es soll kein Mensch wissen, wo ihm der Kopf steht. Sie dachten ihn uns zu verdrehen, aber, mein Herr, die Feenschaft sitzt nicht in jenen blauen Augen allein.
Ich wollte Dir schon schreiben, mit dem schönmachen im Hause, das würde sich eben nicht sehr thun lassen. Wir sind bis daher froh es gereinigt zu haben in den Winkeln, und mein guter Geist, der ganz daraus gewichen war, soll wohl bald wieder herein kommen, jedoch ohne Schmuck vors erste. Du kanst besonders denken, daß die Wände etwas schäbicht aussehn, woran niemand schuld hat als die Zeit, und eben diese kann ich für mich so allein nicht unternehmen zu erneuern. Wir müssen uns darüber auf alle Weise ein wenig berathschlagen, wozu ich Deine Ankunft erwartete. Blos übermahlen mit dem nehmlichen Grün mag ich meine Stube nicht lassen. Behalte ich sie und wir wollen etwas daran wenden, so muß sie hübscher werden. Besonders arg sehn indessen das Zimmer in der Ecke und das Deinige aus und ich will wirklich darüber mit dem Mahler sprechen, ist das Objekt nicht groß, so will ich die noch geschwind übermahlen lassen. ‒ Das thut mir weh, daß ich noch kein Fleckchen habe, wo ich Augustens Bild verwahren möchte; das große Zimmer ist so offenbar, aus dem in der Ecke kann ich die Kupferstiche der Wand wegen nicht nehmen; und wo dieses Bild ist, soll kein anders seyn. Melde mir mit ein paar Worten, wie weit ich mit meinen Anstalten gehn darf. Die Hauptsache für meinen Schlegel ist doch, daß er wieder mit seinen Finanzen in Ordnung kommt, und deswegen habe ich auch nichts als das allernöthigste kleine Geräth wieder gekauft. Indessen in der Idee, daß es sich mit Unzeline so verhält und ihre Gegenwart uns eine Gesellschaft zu geben nöthig machen könnte, will ich doch wirklich noch heut nach Braunschweig schreiben und das Porcelan einigermaßen ergänzen lassen. Es braucht nicht gleich bezahlt zu werden. Wenn Du im Stande dazu wärest, so könntest Du mir Tassen aus Berlin mitbringen ‒ wenn es nur 6 sind, nach jetziger Sitte alle verschieden. Ich hatte 12 schlichte weiße, wovon blos die zwar noch zu brauchen sind, die ich mit mir genommen hatte, ich hatte noch andre, es ist alles zum Teufel, mit Respekt zu melden, auch mein Dintefaß von Porcelan, das haben sie ihm vermuthlich hinter drein an den Kopf geworfen. ‒ Die Überzüge über Sopha und Stühle sind durchgängig zerlumpt, das hat auch die Zeit gethan, denn selbiges Zeug hab ich schon in meiner allerersten Wirthschaft gehabt. Man wird mir aus Harburg Kattun in Stücken schicken, den ich durch einen gewissen Kanal viel wohlfeiler bekomme und der ganz modern ist.
Die Mutter befindet sich besser, aber sie schlägt die Hände über den Kopf zusammen wegen meines Bruders heilloser Erziehung seiner Jungen, die p. und k. können, wo es ihnen beliebt.
Emma würde charmant seyn, wenn ihre Mutter charmanter wäre. Ich muß sie dann und wann auf Deine Stube führen und auf den Rei[t]sessel setzen, wobey sie Dich immer nennt und gewiß vor Augen hat. Schelling hat übrigens beyden doch das Herz abgewonnen und Luise hat sich ihm gestern Abend, da er Gespenstergeschichten erzählte, tout à fait in die Arme vor Furcht und der Zärtlichkeit, die aus Furcht entstehn soll, geworfen. Es wäre gar nicht übel, wenn Du Dir ihre Aprivoisation angelegen seyn ließest; Wiedemann würde es gut bekommen.
Der Rose will ich ein besonders Capitel hiermit widmen. Ich weiß von keinem Liebhaber, weder verschmäheten noch unverschmäheten. Wenn sie nicht mehr davon weiß, so steht es gut mit ihr. Ich bin ihr gut, sie ist mir sehr ergeben und auch aktiv, nur nicht recht aufmerksam. Ich sehe sie an wie zu uns gehörig. Sie fragt wohl eben nicht nach Dir, aber ich denke, das geschieht nicht etwa, weil sie gar nichts nach Dir früge, sie ist nur eben pflegmatisch. Die Braunschweigerin ist keine außerordentliche Köchin. Wir müssen selbst an den Heerd. Es ist theuer hier, ungeachtet der Leere. Wir haben meine alten Rechnungen verglichen, in vielen Stücken beträgt es das Doppelte, wie die Preise gestiegen sind. Seit einigen Tagen lasse ich für Schelling mit kochen, er läßt es holen, zuweilen kommt er selbst. Ich halte dieses für eine Christenpflicht seiner Gesundheit wegen; das Essen ist doch erbärmlich, was man so bekommt, und ein einzelner Mann hier überhaupt schlecht daran. Übrigens werd ich nichts einrichten, was Dich bey Deiner Ankunft geniren könnte oder wieder aufgehoben werden müßte. ‒ Ich habe die beruhigendsten Hofnungen, wenn wir nur erst alle wieder zum Stehen gekommen sind.

Über Nicolai sagte ich Dir wohl noch nichts. Deine cavaliere Vorrede macht einen artigen Contrast mit der gründlichen Behandlung und schweren Cavallerie inwendig. Fichte ist denn doch immer tüchtig ernsthaft. Wie werden sie nun schreyen, Du wirst Dich kaum zeigen dürfen.

Wann und wo wird der Druck des Taschenbuchs angefangen? Ich weiß nicht recht, was Tiek diesen Winter gemacht hat. Daß Du nicht immer Deine Zeit anwendetest, wenn auch mit Waschen und Kämmen und coquettiren Stunden darauf gehn, darüber ist mir nicht bange. Nicht deswegen treibe ich Dich an zu kommen, nur weil ich Dich so gern wiedersehn möchte. Aber ich sehe ein, daß Du nicht eher kommen kannst ‒ bis es Zeit ist.
Ich bin nur froh hier das erste überstanden zu haben, und verlasse mich für das Zukünftige ruhig auf Deine Freundschaft und die stille Gewalt meines eignen guten Gemüths. Diese werden schon wieder etwas bilden, ein Hüttchen anbauen unter den Trümmern alter Herrlichkeit. O mein Freund, ich bauete oft und riß oft ein. Dieses sind nun die lezten Zweige, Zweige der weinenden Weide, die ich über meinen Haupt zusammen flechte, um unter ihren Schatten den Abend zu erwarten.

Vermehren liegt schmerzlich krank an seinen Allmanach. Wenn man doch das Volk zum Hacken und Graben bringen könnte. Er hat Becker eingeladen ihm was zu schicken und ihm zugleich ein ganz Convolut eigner Poesien zum billigen Tausch eingesendet, erzählt mir Gries, der sich gleichsam erkundigte, ob ihr Beyträge nähmet, was ich auf allen Fall verneinte und von einer geschloßnen Gesellschaft sprach. Man muß gewiß die Dilettanten in keinem Fache begünstigen. Daß jedermann kann Verse machen ‒ mich ausgenommen ‒ glaub ich mehr und mehr. Denk, Carl Schelling hat ein Buch von Ariost in Stanzen übersetzt ‒ erst in Jamben, worüber ihn sein Bruder ausgehunzt hat, und ihn auch über die Stanzen anfährt. Sonst ist es ein braver gescheuter Junge und etwas weniger dickschwäbisch.
Kochen hat hier das Feld geräumt, aber man hört sonst von allerley Kropzeug.
Abends.
Schelling liebt den Fortunat auch. Er spricht davon, wie Du die Nordische Balladen Grundidee mit der bestraften Untreue so schön eingekleidet und mit purpurnen Rosen umkleidet hast, er findet besonders den Periodenbau ganz im besten Romanzenstyl und dies hat ihn überhaupt weit mehr getroffen wie der wandernde Jude.
Noch etwas von der Oekonomie. Es ist kein Tropfen Wein im Hause, Keller, Boden. Soll ich Ungarischen rothen von Salzburg verschreiben?
Die Sander stellt sich wie eine kleine Närrin in Leipzig an, sie will durchaus her und ihren Freund Goethe sehn, wie sie spricht, ihren Liebling. Sie wolte zu Loders und da drey Wochen logiren, das hat Hannchen durch manche Cabale abgelehnt, und die Loder war sehr froh darüber, das Persönchen hat es auch nicht verhehlt, daß sie blos Goethes wegen kommen wollte, sie denkt auch noch sich einzufinden.
Lebe wohl, wohl und laß Dich die Zeit nicht dauren, die Du bey diesem langen Brief zubringst. Ich begehre nur kurze.
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Metadata Concerning Header
  • Date: 7. [bis 8.] Mai [1801]
  • Sender: Caroline von Schelling ·
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 120‒133 u. S. 612‒613 (Kommentar).
Language
  • German

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