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August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Tieck

[1] Jena, den 7. December [1798]
Daß muß wahr seyn, Tieck, Sie schreiben eine unchristliche Hand, und ich will einmal sehen ob ich es Ihnen gleich thun kann. Von Ihrem Zerbin, der mir auf diese Art viel Spaß und viel Noth macht, habe ich gestern den 3” Bogen zur Korrektur gehabt – ich nehme noch heillose Druckfehler weg, aber ich kann doch nicht dafür einstehn, daß nicht einer oder der andre stehn bleibt.
Heute nur einige Bemerkungen über die Lieder in 2 Sternbald. Das Weinlied von Florestan ist prächtig – aber über das von den Zugvögeln und dem jüngsten Gericht habe ich geradehin des Teufels werden wollen. So etwas gemacht zu haben, dafür verkaufte ich schier ein Stück von meiner Seligkeit. – Bey dem Liede in spanischer Form, wo jede Strophe mit der Schlußzeile der vorigen anfängt, habe ich das zu erinnern, daß die Zeile nun auch eigentlich in das folgende eingreifen sollte, welches sie nur einmal thut. Dieß mag aber auch im Spanischen leichter seyn als im Deutschen wegen der festgestellten Stellung des Verbums usw. Wenn es möglich ist, in unserer Sprache in Reimen zu improvisiren, so erfinden Sie es, das ist gewiß. Wenn Sie einmal nach Jena kommen, so wollen wir es üben – in B[erlin] ist man zu so etwas zu zerstreut. – Manchmal sind Sie mir doch in der Regellosigkeit des Sylbenmasses zu weit gegangen. – Die Hexameter und Pentameter sind im Sternbald fremde Gäste, und müßten heraus wenn sie auch besser wären. Ob ich zu der äußeren Form des Phantasus noch etwas anders wünschte, darüber kann ich mit mir nicht recht einig werden.
[2] Das Lied Seite 162 ist allerliebst bis gegen das Ende, wo es aus dem Tone fällt. – Und der Gegenstand gereicht da zu keiner Rechtfertigung – nackte Mädchen sind von je her Mode gewesen und kommen schon in den Minnesingern vor, Sie hätten also auch völlig im Kostüm der Zeit davon reden können. So sieht es aber aus als ob die Sache erst neuerdings erfunden wäre – ungefähr seit dem Agathon. Ah mon cher Monsieur! Vous avez donné einmal garstig dans le Wieland!*
Soviel heute von diesem. Bleibt Allerley – nächstens mehr. Und nun bitte ich um die Recension, die Recension, die Recension.
A. W. Schlegel.
*Eben so findet sich im ersten Bande einmal ein gewisser Wollustorcan, den ich unmöglich kann passieren lassen. –
Schließlich dient zur Nachricht, daß ich im nächsten Sommer ein Rittergedicht zu verfertigen gesonnen bin.
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Metadata Concerning Header
  • Date: 7. Dezember [1798]
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel ·
  • Recipient: Ludwig Tieck ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 36‒37.
Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(2)
  • Number of Pages: 2 S., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,4 cm
Language
  • German

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