[1] [Dresden, November 1801]
Liebster Freund!
Ich bin dir noch Dank schuldig für deinen Tristan, für deine Mühe bei Überwachung des Musen-Almanachs und des Geldes, für die Gedichte, die ich noch nicht kannte, für alles, und verzeih mir, daß ich so nachlässig gewesen bin, diesmal hat mich etwas Gutes abgehalten, nehmlich der Fleiß, der mir selber etwas so Neues ist, daß ich mich darüber verwundern muß. Sobald ich fertig bin, schicke ich auch die Sachen. Daß euch der Anti-Faust nicht mißfallen hat, freut mich sehr, und hat mir Muth gemacht, ihn wieder vorzunehmen. Ich schickte ihn dir hauptsächlich, um deine Meinung darüber zu erfahren, es ist mir recht lieb, daß er noch keinen Verleger gefunden hat, so kann ich ihn mit desto mehr Musse inʼs Reine schreiben. Ich dachte recht bald etwas Schönes von dir zu erhalten, aber es ist nicht geschehn, ob Du mir gleich erst Hoffnung machtest, auch die versprochene Idylle habe ich im Almanach vergeblich gesucht, aber ich muß gestehn, daß mir der ewige Jude immer mehr gefällt, je öfter ich ihn lese, ich glaube, du hast in diesem Gedicht ganz deinen Endzweck erreicht, man fühlt von der ersten Strofe an ein geheimes Grauen, und alles stellt sich in so Wenigem so kräftig dar, mit einem Wort, dieses Gedicht ist in meinen Augen ein Meisterstück, ich kann es nie ohne Erschütterung lesen. Es war nur zufällige und falsche Stimmung, daß wir das erstemal, als du es uns vorlasest, bei den verwünschten Koden lachten. Das Todtenopfer rührt mich immer wieder, und immer inniger; die lateinischen Hymnen sind zu bewundern, in dem Hört Sionitinnen hast du mehr geleistet, als [2] ich jemals für möglich gehalten hatte. Den Fortunat und das Feenkind, wie das Jahrhundert, so graziös alle 3 sind, kann ich nicht so hoch setzen. Aber die göttlichsten Stunden hat mir der Tristan von neuem gemacht. Es ist schon ein ganzes grosses Gedicht, und ich möchte behaupten, hier lernt man die ganze Fülle der Schönheit in deiner Darstellung kennen, es ist etwas durchaus göttliches, und nicht ein Theil deines Gemüths, sondern deine ganze Seele spricht in jeder Zeile. Daß du von diesem Werke deine Hand so abziehst! Ich habe es schon wieder mehrmals gelesen und es bleibt mir immer neu, ja die nähere Bekanntschaft läßt eben neue Reize entdekken. – Mündlich mehr, denn ich denke im Winter auf eine kurze Zeit in Berlin zu sein. Grüsse alle meine Freunde recht herzlich, Genelli Buri, Hummel.
Was machen meine Bücher? Du hast den Folio Shakspear, den kleinen Shakspeare, Bernhardiʼs Grammatik. Ich nehme sie wohl im Winter mit. Schicke mir doch recht bald den 8ten Shakspeare.
Lebe recht wohl, es ist schon spät, ich bin konfuse und habe vielleicht das Nöthigste zu schreiben vergessen.
Dein aufrichtiger Freund
L. T.
Liebster Freund!
Ich bin dir noch Dank schuldig für deinen Tristan, für deine Mühe bei Überwachung des Musen-Almanachs und des Geldes, für die Gedichte, die ich noch nicht kannte, für alles, und verzeih mir, daß ich so nachlässig gewesen bin, diesmal hat mich etwas Gutes abgehalten, nehmlich der Fleiß, der mir selber etwas so Neues ist, daß ich mich darüber verwundern muß. Sobald ich fertig bin, schicke ich auch die Sachen. Daß euch der Anti-Faust nicht mißfallen hat, freut mich sehr, und hat mir Muth gemacht, ihn wieder vorzunehmen. Ich schickte ihn dir hauptsächlich, um deine Meinung darüber zu erfahren, es ist mir recht lieb, daß er noch keinen Verleger gefunden hat, so kann ich ihn mit desto mehr Musse inʼs Reine schreiben. Ich dachte recht bald etwas Schönes von dir zu erhalten, aber es ist nicht geschehn, ob Du mir gleich erst Hoffnung machtest, auch die versprochene Idylle habe ich im Almanach vergeblich gesucht, aber ich muß gestehn, daß mir der ewige Jude immer mehr gefällt, je öfter ich ihn lese, ich glaube, du hast in diesem Gedicht ganz deinen Endzweck erreicht, man fühlt von der ersten Strofe an ein geheimes Grauen, und alles stellt sich in so Wenigem so kräftig dar, mit einem Wort, dieses Gedicht ist in meinen Augen ein Meisterstück, ich kann es nie ohne Erschütterung lesen. Es war nur zufällige und falsche Stimmung, daß wir das erstemal, als du es uns vorlasest, bei den verwünschten Koden lachten. Das Todtenopfer rührt mich immer wieder, und immer inniger; die lateinischen Hymnen sind zu bewundern, in dem Hört Sionitinnen hast du mehr geleistet, als [2] ich jemals für möglich gehalten hatte. Den Fortunat und das Feenkind, wie das Jahrhundert, so graziös alle 3 sind, kann ich nicht so hoch setzen. Aber die göttlichsten Stunden hat mir der Tristan von neuem gemacht. Es ist schon ein ganzes grosses Gedicht, und ich möchte behaupten, hier lernt man die ganze Fülle der Schönheit in deiner Darstellung kennen, es ist etwas durchaus göttliches, und nicht ein Theil deines Gemüths, sondern deine ganze Seele spricht in jeder Zeile. Daß du von diesem Werke deine Hand so abziehst! Ich habe es schon wieder mehrmals gelesen und es bleibt mir immer neu, ja die nähere Bekanntschaft läßt eben neue Reize entdekken. – Mündlich mehr, denn ich denke im Winter auf eine kurze Zeit in Berlin zu sein. Grüsse alle meine Freunde recht herzlich, Genelli Buri, Hummel.
Was machen meine Bücher? Du hast den Folio Shakspear, den kleinen Shakspeare, Bernhardiʼs Grammatik. Ich nehme sie wohl im Winter mit. Schicke mir doch recht bald den 8ten Shakspeare.
Lebe recht wohl, es ist schon spät, ich bin konfuse und habe vielleicht das Nöthigste zu schreiben vergessen.
Dein aufrichtiger Freund
L. T.