Berlin. den 18ten Nov. 1790
Diesmal lieber Freund! könnten Sie doch böse werden, trotz Ihres Mangels an Talent dazu; ich hätte Ihnen schon längst antworten müßen; und es geschieht erst jezt! erinnern Sie sich nur einmal, wie eng ich immer im Winter, in meinen häußlichen Kreis zusammen gedrängt werde, und wie meine Existenz dadurch so unangenehm wird; in der That, ich finde alsdann nur selten einen Augenblik, in den ich heiter und gesammelt genug bin, um meinen Freunden schreiben zu können. Wie es Ihnen jezt wohl geht? und wie Sie sich finden, in den ganz verschiednen Verhältnißen, als in denen Sie so lange lebten? ich denke so oft an Sie, und es thut mir leid, wenn ich mir denken mus, daß Sie in Ihren Angelegenheiten vielleicht nicht glücklich sein müßen, wenn wir Sie wiedersehen sollen! wir haben doch manche Stunde so schön verschwazt! Sie könnten wenn Sie jezt hier wären auch die Freude haben Ihren Wunsch erfüllt zu sehen; H[enriette Herz] und ich sind sehr oft mit der F[ränkel] und wir kommen uns jezt wieder immer näher, die F[ränkel] und ich waren schon einmal genaue Freundinnen; Verschiedenheit der Lagen, und mein Wiederwillen gegen jede Art des Aufdringens, entfernte uns wieder einigermaßen voneinander; doch jezt ist jedes Mißverhältniß aufgehoben, und wir haben viel Freude aneinander. Humbold seh ich äußerst selten; alle drei Wochen einmal! Hier mus ich Sie nun wieder vermißen! Sie waren doch gewißermaßen auch das Band, daß die genauere Bekanntschaft zusammen hielt; sollte es auch nur in den einzigen Sinn gewesen sein, daß ich durch Ihnen Nachrichten von ihm, und er welche von mir erhielt; jezt hören und sehen wir nichts von einander er hat entsetzlich viel zu thun, dies entschuldigt ihn, tröstet mich aber nicht. Ich habe herzlich gelacht über Ihre Beschreibung der Strelitzer Mutmaßungen; es haben Sie auch hier, im Anfange viele Menschen, für einen Juden angesehen! Armer Mann! Das Judenthum verfolgt Sie bis auf Ihrer Phisionomie! – Wie kommen Sie aber auf den Einfall, sich bei mir, wegen der guten Aufnahme in Strelitz zu bedanken? wie können Sie zweiflen, ob Sie diese, einem andern Wesen, als sich selbst zu verdanken haben! und dann wußten es auch die Strelitzer zu schätzen, daß Sie sich entschließen konnten, 14 Tage, oder noch länger, ihr Gast zu sein! ich bin aber nicht ganz zufrieden mit Ihnen; ich bat Sie ja vor Ihrer Abreise, mehr mit meiner Schwester Jette, als mit der Rahel, umzugehen, und warnte Sie, gegen keiner als gegen die Jette offen zu sprechen; dadurch daß Sie nicht gehorchten, haben nicht allein Sie viel verloren, sondern Sie haben mir, und der Fränkel viel Verdrüßlichkeit zubereitet; sagen Sie mir um Gotteswillen! was trieb Sie, gegen den alten Meyer, und gegen meiner Schwester Meyer, von unserer unbequemen häußlichen Lage zu schwatzen? Humbold nennt es gutmüthige Schwazhaftigkeit, aber lieber Brinkmann! es war doch auch recht eigentlich unbesonnen. Sollte ich es Ihnen denn erst sagen, daß diese Menschen, von dem was uns fehlt, um glücklich zu sein, keinen Begriff haben; ich überlies diese Kunde, Ihrer Menschenkenntniß; aber Sie waren unvorsichtig! – Mir selbst haben Sie nicht so geschadet als der F[ränkel] ich werde nie einen Versuch machen, meine Lage durch Hülfe meiner Familie zu ändern, was ich an ihrer Achtung verloren habe, kann ich durch fortgeseztes ruhiges Leben, ohne Klage, und mit anscheinender Munterkeit, wieder gewinnen; aber die gute F.[ränkel] verliert sehr viel durch Ihre unzeitige Vertraulichkeit; sie hat bis jezt alles sorgfältig für ihren Vater verschwiegen gehalten, um es ihm, wenn es endlich nothwendig würde, mit Nachdruck zuerst bekannt zu machen, und sich dadurch seines Schutzes zu versichern; er liebt seine Tochter und würde sich, da er sich der erste, und einzige glaubte, dem sie sich entdeckt, gewis ihrer angenommen haben; jezt hat er nun alles so plözlich, und so unvollkommen durch Ihnen erfahren! Meyer ist nicht der Mann, der sich die Dinge gleich von allen Seiten richtig vorstellt, das hätten Sie ja sehen müßen! Er ist durch Ihre Erzählung jezt auf die F.[ränkel] äußerst aufgebracht; erstlich, meint er hätte sie sich Chimären im Kopfe setzen laßen weswegen sie sich nun einbildet, mit ihren braven Soliden Mann nicht glücklich leben zu können; und diese Chimären hätte sie blos durch ihren Umgang, durch Humbold und Ihnen, Sie beide hätten ihr durch Schmeicheley den Kopf verdreht; und zweitens ist er böse darüber, daß sie, wenn sie auch in der That Ursache sich zu beklagen hätte, ihr Vertrauen an einen Fremden schenkte, der so indiskret ist, davon zu sprechen; so urtheilt Meyer, so Rahel und so Hinni, die sehr wahrscheinlich alle auf der Idee brachte, Sie und Humbold zerstörten durch chimaeren, das häußliche Glück der F.[ränkel] aber so urtheilt meine Schwester J.[ette] nicht, die mir dies alles mit den grösten Verdrus schrieb; Sehen Sie wie Sie sich selbst in der guten Meinung, die sie alle von Ihnen hatten schadeten! O es verdrießt mich entsezlich! Wir haben beide schon hingeschrieben, haben uns so gut als möglich heraus zu ziehn gesucht, und haben alles über Ihren Kopf hergehen laßen, das müßen sie uns nicht übel nehmen. Sie werden dies Alles sehr platt finden, aber liebster Freund! wie konnten Sie auch so vielseitige Dinge, solchen platten Menschen vortragen! Sie hätten in S.[trelitz] mit keinen Menschen offen über Sachen des feinern Gefühls sprechen müßen als mit der J[ette] und Sie waren gegen jeden offner als grade gegen diese! – aber Sie sind auch schön bestraft, es hat Sie nicht einer verstanden! – Jetzt brauch ich Ihnen wohl nicht mehr zu empfehlen, daß Sie sich um unserthalben ja nichts von diesen Brief und überhaupt nichts mehr über der Geschichte in S.[trelitz] merken laßen sollen, wenn Sie hinschreiben! Sie würden auf jeden Fall Alles ärger machen. Adieu Lieber Freund! wenn sie diesen Brief mir nicht unrecht auslegen wollen, so müßen Sie sich denken, ich stände vor Ihnen und erzählte es Ihnen halb lachend, und halb mich ärgernd. Leben Sie wohl!
Die Ihrige B[rendel].
Die Herz und unsre kleine Levin grüßen Sie tausendmal.
Diesmal lieber Freund! könnten Sie doch böse werden, trotz Ihres Mangels an Talent dazu; ich hätte Ihnen schon längst antworten müßen; und es geschieht erst jezt! erinnern Sie sich nur einmal, wie eng ich immer im Winter, in meinen häußlichen Kreis zusammen gedrängt werde, und wie meine Existenz dadurch so unangenehm wird; in der That, ich finde alsdann nur selten einen Augenblik, in den ich heiter und gesammelt genug bin, um meinen Freunden schreiben zu können. Wie es Ihnen jezt wohl geht? und wie Sie sich finden, in den ganz verschiednen Verhältnißen, als in denen Sie so lange lebten? ich denke so oft an Sie, und es thut mir leid, wenn ich mir denken mus, daß Sie in Ihren Angelegenheiten vielleicht nicht glücklich sein müßen, wenn wir Sie wiedersehen sollen! wir haben doch manche Stunde so schön verschwazt! Sie könnten wenn Sie jezt hier wären auch die Freude haben Ihren Wunsch erfüllt zu sehen; H[enriette Herz] und ich sind sehr oft mit der F[ränkel] und wir kommen uns jezt wieder immer näher, die F[ränkel] und ich waren schon einmal genaue Freundinnen; Verschiedenheit der Lagen, und mein Wiederwillen gegen jede Art des Aufdringens, entfernte uns wieder einigermaßen voneinander; doch jezt ist jedes Mißverhältniß aufgehoben, und wir haben viel Freude aneinander. Humbold seh ich äußerst selten; alle drei Wochen einmal! Hier mus ich Sie nun wieder vermißen! Sie waren doch gewißermaßen auch das Band, daß die genauere Bekanntschaft zusammen hielt; sollte es auch nur in den einzigen Sinn gewesen sein, daß ich durch Ihnen Nachrichten von ihm, und er welche von mir erhielt; jezt hören und sehen wir nichts von einander er hat entsetzlich viel zu thun, dies entschuldigt ihn, tröstet mich aber nicht. Ich habe herzlich gelacht über Ihre Beschreibung der Strelitzer Mutmaßungen; es haben Sie auch hier, im Anfange viele Menschen, für einen Juden angesehen! Armer Mann! Das Judenthum verfolgt Sie bis auf Ihrer Phisionomie! – Wie kommen Sie aber auf den Einfall, sich bei mir, wegen der guten Aufnahme in Strelitz zu bedanken? wie können Sie zweiflen, ob Sie diese, einem andern Wesen, als sich selbst zu verdanken haben! und dann wußten es auch die Strelitzer zu schätzen, daß Sie sich entschließen konnten, 14 Tage, oder noch länger, ihr Gast zu sein! ich bin aber nicht ganz zufrieden mit Ihnen; ich bat Sie ja vor Ihrer Abreise, mehr mit meiner Schwester Jette, als mit der Rahel, umzugehen, und warnte Sie, gegen keiner als gegen die Jette offen zu sprechen; dadurch daß Sie nicht gehorchten, haben nicht allein Sie viel verloren, sondern Sie haben mir, und der Fränkel viel Verdrüßlichkeit zubereitet; sagen Sie mir um Gotteswillen! was trieb Sie, gegen den alten Meyer, und gegen meiner Schwester Meyer, von unserer unbequemen häußlichen Lage zu schwatzen? Humbold nennt es gutmüthige Schwazhaftigkeit, aber lieber Brinkmann! es war doch auch recht eigentlich unbesonnen. Sollte ich es Ihnen denn erst sagen, daß diese Menschen, von dem was uns fehlt, um glücklich zu sein, keinen Begriff haben; ich überlies diese Kunde, Ihrer Menschenkenntniß; aber Sie waren unvorsichtig! – Mir selbst haben Sie nicht so geschadet als der F[ränkel] ich werde nie einen Versuch machen, meine Lage durch Hülfe meiner Familie zu ändern, was ich an ihrer Achtung verloren habe, kann ich durch fortgeseztes ruhiges Leben, ohne Klage, und mit anscheinender Munterkeit, wieder gewinnen; aber die gute F.[ränkel] verliert sehr viel durch Ihre unzeitige Vertraulichkeit; sie hat bis jezt alles sorgfältig für ihren Vater verschwiegen gehalten, um es ihm, wenn es endlich nothwendig würde, mit Nachdruck zuerst bekannt zu machen, und sich dadurch seines Schutzes zu versichern; er liebt seine Tochter und würde sich, da er sich der erste, und einzige glaubte, dem sie sich entdeckt, gewis ihrer angenommen haben; jezt hat er nun alles so plözlich, und so unvollkommen durch Ihnen erfahren! Meyer ist nicht der Mann, der sich die Dinge gleich von allen Seiten richtig vorstellt, das hätten Sie ja sehen müßen! Er ist durch Ihre Erzählung jezt auf die F.[ränkel] äußerst aufgebracht; erstlich, meint er hätte sie sich Chimären im Kopfe setzen laßen weswegen sie sich nun einbildet, mit ihren braven Soliden Mann nicht glücklich leben zu können; und diese Chimären hätte sie blos durch ihren Umgang, durch Humbold und Ihnen, Sie beide hätten ihr durch Schmeicheley den Kopf verdreht; und zweitens ist er böse darüber, daß sie, wenn sie auch in der That Ursache sich zu beklagen hätte, ihr Vertrauen an einen Fremden schenkte, der so indiskret ist, davon zu sprechen; so urtheilt Meyer, so Rahel und so Hinni, die sehr wahrscheinlich alle auf der Idee brachte, Sie und Humbold zerstörten durch chimaeren, das häußliche Glück der F.[ränkel] aber so urtheilt meine Schwester J.[ette] nicht, die mir dies alles mit den grösten Verdrus schrieb; Sehen Sie wie Sie sich selbst in der guten Meinung, die sie alle von Ihnen hatten schadeten! O es verdrießt mich entsezlich! Wir haben beide schon hingeschrieben, haben uns so gut als möglich heraus zu ziehn gesucht, und haben alles über Ihren Kopf hergehen laßen, das müßen sie uns nicht übel nehmen. Sie werden dies Alles sehr platt finden, aber liebster Freund! wie konnten Sie auch so vielseitige Dinge, solchen platten Menschen vortragen! Sie hätten in S.[trelitz] mit keinen Menschen offen über Sachen des feinern Gefühls sprechen müßen als mit der J[ette] und Sie waren gegen jeden offner als grade gegen diese! – aber Sie sind auch schön bestraft, es hat Sie nicht einer verstanden! – Jetzt brauch ich Ihnen wohl nicht mehr zu empfehlen, daß Sie sich um unserthalben ja nichts von diesen Brief und überhaupt nichts mehr über der Geschichte in S.[trelitz] merken laßen sollen, wenn Sie hinschreiben! Sie würden auf jeden Fall Alles ärger machen. Adieu Lieber Freund! wenn sie diesen Brief mir nicht unrecht auslegen wollen, so müßen Sie sich denken, ich stände vor Ihnen und erzählte es Ihnen halb lachend, und halb mich ärgernd. Leben Sie wohl!
Die Ihrige B[rendel].
Die Herz und unsre kleine Levin grüßen Sie tausendmal.