Sonntags den [?] Apr. 1792
Theuerste Mutter,
Seit der Zeit daß ich hier bin, haben mich Besuche und Gesellschaften, das Zusammenseyn mit Ernsts, und besonders ein Fremder, von dem ich nachher reden werde, so beschäfftigt, daß ich erst itzt Ihnen von mir Nachricht geben kann. Ich hoffe aber, daß Sie so gütig gewesen sind, diesen Aufschub lieber zu sehen, als wenn ich etwas wichtiges versäumt, oder auch mir ein lange erwartetes Vergnügen entzogen hätte. In Rücksicht auf meine Aussichten hier, habe ich alle Ursache mit Wagners und Kinds Aeußerungen zufrieden zu seyn. Wagner äußerte sich gleich, wie er mich sahe, in sehr guten Ausdrücken über den bewußten Brief meines Vaters. Er schlug mir zwey Carrieren vor; die erste, als Advocat, die andere in Collegien; wobey ich gleich so angesetzt werden müßte daß ich einige Einnahme hätte. (Dieses ist hier gewöhnlich mit 200 Thl.) Gegen meine Schwester hatte er vorher noch bestimmter die Stelle eines Consistorial- oder Finanz-Raths genannt und gesagt, daß wenn ich advociren wollte, er mir leicht hinlängliche Arbeit zuweisen könnte. Bey beyden Carrieren rieth er mir vorher ein Jahr lang auf ein Amt zu gehen: als die beste Einleitung zu beyder Art von Geschäfften. Er würde dann für ein gutes Amt sorgen. – Kind äußerte sich ebenfalls sehr freundschaftlich und gab mir seinen Rath über die Einrichtung meiner juristischen Studien. Er unterhielt sich einigemal darüber mit mir, und äußerte seine Zufriedenheit. – Dieses ist doch wirklich alles, was ich nur für itzt hoffen durfte, und ich freue mich, daß mein Besuch nicht ohne Erfolg gewesen ist. – Ich habe daher mit ungestörter Heiterkeit mich zerstreuen können. Wir leben recht vergnügt mit einander, wozu seit vierzehn Tagen besonders ein Fremder beyträgt, der sehr viel bey uns ist. Dieses ist ein Hornemann aus Copenhagen, welcher die Mlle Schlegel in Cop.[enhagen] heyrathen wird. Er wird bey seiner Zurückkunft vermuthlich Professor der Philosophie werden. Er ist seit einem Jahre in Jena gewesen, um ehe er selbst Colleg ließt, dort noch einige Professoren zu hören. Er kam von Jena mit Schillers herüber gereißt, und ist nun auf seiner Rückreise begriffen, die er von nun an sehr schnell machen wird. Vielleicht kommt er auch über Hannover, wo er aber entweder gar nicht oder nur einige Stunden sich aufhalten wird. In letzterm Falle wird er Ihnen seine Aufwartung machen. Er ist ein angenehmer liebenswürdiger und <wie> ich glaube sehr schätzbarer Mann, dessen Umgang uns sehr viel Vergnügen gemacht hat. Er war täglich bey uns. –
Vor einigen Tagen besuchte uns der Bruder Ernst, und war einen Abend bey uns, wo ich die Freude hatte, ihn zu sehen, und die Freude, einen so liebenswürdigen gebildeten Mann in ihm zu finden, daß ich mir die Hoffnung machen kann, er werde sehr viel zu Ihrer und des ganzen Hauses Aufheiterung beytragen. Besonders fiel mir seine feine und freye Art sich zu benehmen auf, die ich nach seinem langen Aufenthalte auf dem Lande nicht so erwartet hatte. Ich hoffe gewiß, daß Sie meiner Schwester noch einmal für Ihren glücklichen Einfall danken werden. –
Den Dienstag ziehen wir zusammen nach Pillnitz, kommen aber in acht Tagen wieder herein und meine Schwester hat die Last des Umziehens zweymal.
Sie sind so gütig gewesen, mir noch 35 Thl. zu versprechen. Ich wünsche sehr sie noch hier zu erhalten, weil ich sonst von Lottchen Reisegeld borgen muß; alsdann müßten sie aber spätestens den 10ten May hier eintreffen, wenn ich sie noch hier erhalten sollte. Gienge dieß nicht mehr an, so addreßiren Sie sie in Leipz.[ig] bey Eckhart am Petersthorn im Rosenkranzschen Hause. –
Jettchen’s Empfehlung an Fr.[au] v. Manteufel habe ich ausgerichtet. Sie läßt sie herzlich grüßen; Jettchen hat sich überhaupt im Wagnerschen Hause sehr viel Zuneigung erworben. Ich habe aber die Manteufeln sehr verändert gefunden. Sie sieht krank und sehr gealtert aus, und ihre Heiterkeit hat sie ganz verloren. Mdme Neumann ist völlig wieder hergestellt. – Ich bitte Karl, wenn es noch Zeit ist, mir die Bücher und Sachen, um die ich gebeten durch Ritscher zu schicken, und auch eine Nachricht zu geben, ob er das Bild erhalten. Ich küsse Ihnen und meinem Vater in Gedanken die Hand.
Ihr gehorsamster Sohn
Friedrich Schlegel.
Theuerste Mutter,
Seit der Zeit daß ich hier bin, haben mich Besuche und Gesellschaften, das Zusammenseyn mit Ernsts, und besonders ein Fremder, von dem ich nachher reden werde, so beschäfftigt, daß ich erst itzt Ihnen von mir Nachricht geben kann. Ich hoffe aber, daß Sie so gütig gewesen sind, diesen Aufschub lieber zu sehen, als wenn ich etwas wichtiges versäumt, oder auch mir ein lange erwartetes Vergnügen entzogen hätte. In Rücksicht auf meine Aussichten hier, habe ich alle Ursache mit Wagners und Kinds Aeußerungen zufrieden zu seyn. Wagner äußerte sich gleich, wie er mich sahe, in sehr guten Ausdrücken über den bewußten Brief meines Vaters. Er schlug mir zwey Carrieren vor; die erste, als Advocat, die andere in Collegien; wobey ich gleich so angesetzt werden müßte daß ich einige Einnahme hätte. (Dieses ist hier gewöhnlich mit 200 Thl.) Gegen meine Schwester hatte er vorher noch bestimmter die Stelle eines Consistorial- oder Finanz-Raths genannt und gesagt, daß wenn ich advociren wollte, er mir leicht hinlängliche Arbeit zuweisen könnte. Bey beyden Carrieren rieth er mir vorher ein Jahr lang auf ein Amt zu gehen: als die beste Einleitung zu beyder Art von Geschäfften. Er würde dann für ein gutes Amt sorgen. – Kind äußerte sich ebenfalls sehr freundschaftlich und gab mir seinen Rath über die Einrichtung meiner juristischen Studien. Er unterhielt sich einigemal darüber mit mir, und äußerte seine Zufriedenheit. – Dieses ist doch wirklich alles, was ich nur für itzt hoffen durfte, und ich freue mich, daß mein Besuch nicht ohne Erfolg gewesen ist. – Ich habe daher mit ungestörter Heiterkeit mich zerstreuen können. Wir leben recht vergnügt mit einander, wozu seit vierzehn Tagen besonders ein Fremder beyträgt, der sehr viel bey uns ist. Dieses ist ein Hornemann aus Copenhagen, welcher die Mlle Schlegel in Cop.[enhagen] heyrathen wird. Er wird bey seiner Zurückkunft vermuthlich Professor der Philosophie werden. Er ist seit einem Jahre in Jena gewesen, um ehe er selbst Colleg ließt, dort noch einige Professoren zu hören. Er kam von Jena mit Schillers herüber gereißt, und ist nun auf seiner Rückreise begriffen, die er von nun an sehr schnell machen wird. Vielleicht kommt er auch über Hannover, wo er aber entweder gar nicht oder nur einige Stunden sich aufhalten wird. In letzterm Falle wird er Ihnen seine Aufwartung machen. Er ist ein angenehmer liebenswürdiger und <wie> ich glaube sehr schätzbarer Mann, dessen Umgang uns sehr viel Vergnügen gemacht hat. Er war täglich bey uns. –
Vor einigen Tagen besuchte uns der Bruder Ernst, und war einen Abend bey uns, wo ich die Freude hatte, ihn zu sehen, und die Freude, einen so liebenswürdigen gebildeten Mann in ihm zu finden, daß ich mir die Hoffnung machen kann, er werde sehr viel zu Ihrer und des ganzen Hauses Aufheiterung beytragen. Besonders fiel mir seine feine und freye Art sich zu benehmen auf, die ich nach seinem langen Aufenthalte auf dem Lande nicht so erwartet hatte. Ich hoffe gewiß, daß Sie meiner Schwester noch einmal für Ihren glücklichen Einfall danken werden. –
Den Dienstag ziehen wir zusammen nach Pillnitz, kommen aber in acht Tagen wieder herein und meine Schwester hat die Last des Umziehens zweymal.
Sie sind so gütig gewesen, mir noch 35 Thl. zu versprechen. Ich wünsche sehr sie noch hier zu erhalten, weil ich sonst von Lottchen Reisegeld borgen muß; alsdann müßten sie aber spätestens den 10ten May hier eintreffen, wenn ich sie noch hier erhalten sollte. Gienge dieß nicht mehr an, so addreßiren Sie sie in Leipz.[ig] bey Eckhart am Petersthorn im Rosenkranzschen Hause. –
Jettchen’s Empfehlung an Fr.[au] v. Manteufel habe ich ausgerichtet. Sie läßt sie herzlich grüßen; Jettchen hat sich überhaupt im Wagnerschen Hause sehr viel Zuneigung erworben. Ich habe aber die Manteufeln sehr verändert gefunden. Sie sieht krank und sehr gealtert aus, und ihre Heiterkeit hat sie ganz verloren. Mdme Neumann ist völlig wieder hergestellt. – Ich bitte Karl, wenn es noch Zeit ist, mir die Bücher und Sachen, um die ich gebeten durch Ritscher zu schicken, und auch eine Nachricht zu geben, ob er das Bild erhalten. Ich küsse Ihnen und meinem Vater in Gedanken die Hand.
Ihr gehorsamster Sohn
Friedrich Schlegel.