Lieber Hardenberg,
Wie sehr wünschte ich itzt um Dich seyn zu können, in diesem für Dich so großen und so gefährlichen Augenblicke, wo sich so vieles auf immer entscheiden wird. Ich glaube, Du nennst Deinen Zustand sehr mit Unrecht, Gesundheit – (Springen des Blutes und Jagen der Vorstellungen sind gewiß nicht ihre Symptome). – Jetzt, da Du nur erst in die Bahn eingetreten bist, da Du Dich ganz zusammenraffen mußt, da Du alle Ueberlegung und Muth brauchst, um das Ziel zu erreichen, wünschte ich nicht, daß Du sorgloß und sicher es schon zu haben glaubtest. Diese Täuschung, und die Geringschätzung Deines vorigen Selbst hätten mir Deine Liebe verrathen, von der ich so viel hoffe. Zwar hast Du durch sie schon gelitten, aber ich hoffe, Du sollst noch mehr leiden. Denn daß das Ziel so reicher Anlagen nicht die Fröhlichkeit eines Schmetterlings seyn könnte, habe ich immer gedacht. –
Nicht wahr! Du fühlst Dich plötzlich unbegreiflich reich, selbst stark? – Das macht, wir besitzen gleichsam nur ein Stück unsres tiefren Selbst; ein starker Schlag muß erst die verborgnen Kräfte ans Licht reißen. – Aber ich sage Dir, wenn der Frühling der Begeisterung versäumt ist, stürtzen sie in die Nacht zurück, und es bleibt nichts als eine gräßliche Leere.
Ich hoffe, daß Dein Abschied an mich nicht Ernst ist, nur eine sophistische Aufwallung. Jetzt, da unsre Verbindung erst Werth hat, sollte eine Entfernung, und nichts mehr, sie trennen? – Was ich Dir hätte seyn können, kann ich Dir noch seyn, wo und wie Du auch lebst; und Du mußt es auch mir seyn können. Ich werde glauben müssen, du wollest nicht. Undankbarer; ,Du stehst nicht in meinem Leben?‘ Du weißt nicht daß ich Deiner bedarf?
Ich hatte viel auf Dich gerechnet; ich habe mich entschlossen zu leben; aber um es zu können, brauche ich Freunde.
Wenn ich Dir wirklich meine Freundschaft schenkte, so bitte, fordere ich nun die Deinige.
Schlegel
Meine Addreße ist bis ohngefähr Ende Aprils Dresden, Hofsecretär Ernst. Nachher Leipzig, Grimmaische Gasse, Löwen-Apotheke, drey Treppen hoch. Ich kann Dir erst auf Deinen nächsten Brief umständlich antworten. – Die Erläuterungen der Vergangenheit hättest Du nicht einmal zu erwähnen brauchen.
Dreßden den 7ten Apr[il] 1793
Wie sehr wünschte ich itzt um Dich seyn zu können, in diesem für Dich so großen und so gefährlichen Augenblicke, wo sich so vieles auf immer entscheiden wird. Ich glaube, Du nennst Deinen Zustand sehr mit Unrecht, Gesundheit – (Springen des Blutes und Jagen der Vorstellungen sind gewiß nicht ihre Symptome). – Jetzt, da Du nur erst in die Bahn eingetreten bist, da Du Dich ganz zusammenraffen mußt, da Du alle Ueberlegung und Muth brauchst, um das Ziel zu erreichen, wünschte ich nicht, daß Du sorgloß und sicher es schon zu haben glaubtest. Diese Täuschung, und die Geringschätzung Deines vorigen Selbst hätten mir Deine Liebe verrathen, von der ich so viel hoffe. Zwar hast Du durch sie schon gelitten, aber ich hoffe, Du sollst noch mehr leiden. Denn daß das Ziel so reicher Anlagen nicht die Fröhlichkeit eines Schmetterlings seyn könnte, habe ich immer gedacht. –
Nicht wahr! Du fühlst Dich plötzlich unbegreiflich reich, selbst stark? – Das macht, wir besitzen gleichsam nur ein Stück unsres tiefren Selbst; ein starker Schlag muß erst die verborgnen Kräfte ans Licht reißen. – Aber ich sage Dir, wenn der Frühling der Begeisterung versäumt ist, stürtzen sie in die Nacht zurück, und es bleibt nichts als eine gräßliche Leere.
Ich hoffe, daß Dein Abschied an mich nicht Ernst ist, nur eine sophistische Aufwallung. Jetzt, da unsre Verbindung erst Werth hat, sollte eine Entfernung, und nichts mehr, sie trennen? – Was ich Dir hätte seyn können, kann ich Dir noch seyn, wo und wie Du auch lebst; und Du mußt es auch mir seyn können. Ich werde glauben müssen, du wollest nicht. Undankbarer; ,Du stehst nicht in meinem Leben?‘ Du weißt nicht daß ich Deiner bedarf?
Ich hatte viel auf Dich gerechnet; ich habe mich entschlossen zu leben; aber um es zu können, brauche ich Freunde.
Wenn ich Dir wirklich meine Freundschaft schenkte, so bitte, fordere ich nun die Deinige.
Schlegel
Meine Addreße ist bis ohngefähr Ende Aprils Dresden, Hofsecretär Ernst. Nachher Leipzig, Grimmaische Gasse, Löwen-Apotheke, drey Treppen hoch. Ich kann Dir erst auf Deinen nächsten Brief umständlich antworten. – Die Erläuterungen der Vergangenheit hättest Du nicht einmal zu erwähnen brauchen.
Dreßden den 7ten Apr[il] 1793