Single collated printed full text with registry labelling

Friedrich von Schlegel to Caroline von Schelling

Dreßden den 2ten Oktober.
Mein M[anu]script ist zwar noch nicht fort, doch muß ich mein Gelübde brechen, weil Ihr Brief es mir unmöglich macht es zu halten. Ich kann es auch mit gutem Gewissen; denn ich bin sehr weit, und heute ist das Mscr. ohnehin bey Körner, der einmal wieder ungeschickt ist, weil ich Schiller nicht genung gelobt habe. – Ich härmte und grämte mich schon über Ihr Stillschweigen. Ich dachte, ich wäre Ihnen zu rauh, und [Sie] hätten Sich entschlossen es bey einem Schlegel bewenden zu lassen. Gestern morgen wurde ich auch zornig über Eure Nachläßigkeit, denn von ohngefähr fielen mir meine Gränzen gedruckt in die Hände. Ich dachte mir schon, ich würde Verdrießlichkeit haben und mich prostituiren, wenn Ihr es noch einmal drucken ließt. Da kam Ihr Brief und machte mir eine doppelte Ueberraschung. – Ich bin sehr entzückt von Ihrer Güte, aber nun sagen Sie mir auch, warum Sie mir so wohl wollen? Ich weiß es wahrhaftig nicht. Vielleicht würde sichs aufklären, wenn ich bey Euch wäre. Der grosse Schulmeister des Universums könnte mich dann in die Lehre nehmen, und mich die Kunst richtig zu schreiben und vollkommen zu lieben lehren. Ich meyne seine süßen Verbindungen –
Doch ehe ich ins Schwätzen komme, zuvor das Langweilige, und das Nützliche.
Ich danke Euch für die Bereitwilligkeit mir einen Verleger zu schaffen. Eine Brochüre, die eben in Paris die Presse verlassen hat, kann ich unmöglich schon gesehn haben.
Im Journal de Paris nro 341. steht eine weitläuftige Rezension des Essai sur la vie de Barthelemy par Mancini. 69 p. 8° chez Debûre l’ainée rûe Serpente nro 6.
Was ich leisten will, habe ich schon geschrieben. Ich verlange
1) Das französische Exemplar frey. Diß muß eiligst verschrieben werden.
2) 1 Ldr. Honorar für den Bogen.
3) 8 Frey-Exemplare.
Die beyden lezten Artikel können Sie nach Gutdünken modifiziren.
Entweder behalten Sie Sich, wenn er einwilligt, vor die letzte entscheidende Antwort von mir erst zu geben, wenn Sie mir geschrieben: oder wenn es Ihnen so gut scheint, akzeptiren Sie sogleich, und schreiben sogleich an Göschen, daß Sie es gethan. Denn dieser hat für mich bey jemand gefragt. Da er es nicht selbst ist, so bin ich für das letzte, wenn der Mann gut und bereit ist. Die Br.[oschüre] braucht nicht gerade in der Messe zu erscheinen. Wenn ich das franz[ösische] Exempl.[ar] in der Mitte des November habe, so kann das vollständige Mscr. vor Ende Dezembers in den Händen des Verlegers seyn.
Ich wohne im Schooß Abrahams, d. h. bey meiner Schwester. Ich habe alle mögliche Ursache, dankbar gegen sie zu seyn, und wenn kein unverhofftes Unglück begegnet, so kann ich den Winter ruhiger und froher arbeiten als je.
Ich habe mir gestern die Hand fast lahm geschrieben an Mscr. und heute muß ich noch eben so viel schreiben. Ich fühle in vollem Ernst Schmerz in der Hand, wenn ich den ganzen Tag geschrieben. Das wird noch eine Zeit lang anhalten. Uebermorgen geht die erste Sendung fort: dann alle acht Tage die Fortsetzung. In drey Wochen wird es zuverläßig weit über ein Alphabet betragen. Sie müssen mir also im voraus verzeihen, wenn ich Ihre interessanten Briefe fürs erste nicht mehr beantworte als ich kann.
Von meiner Oekonomie kann ich noch gar nichts sagen. Es kommt alles auf Michaelis an.
Noch ein Wort über den Buchhändler. Ist er es zufrieden, so läßt er gleich eine Ankündigung in der Litt.[eratur] Zeit[ung] mit meinem Namen einrücken.
Die Hoffnung den liebenswürdigen Schulmeister zu sehen ist entzückend. Auch Charlotte freut sich sehr darauf. Für sein Arrangement hier darf er unbesorgt seyn. Wenn er hat bey mir wohnen wollen können, so wird er es noch eher bey Ernsts, wo er nur nicht gar zu viel Raum fordern darf, doch so viel als für s.[eine] Bedürfnisse, so weit ich und Ch.[arlotte] sie überlegen können, hinreicht. Einen eignen Tisch für die süßen Verbindungen, ich meyne zum Briefschreiben, findet er auch. Wir wünschen bald das Nähere zu wißen, recht sehr bald. Er wird doch nicht über L[eipzi]g gehn? Dieß wäre mir sehr unlieb.
Geben Sie mir doch auch nur einige Nachricht über Euer Amerik.[anisches] Projekt. Ist es ein Landeigenthum, ein öffentl[iches] Amt, oder eine Privatverbindung, was Ihr vorhabt? – Das war doch hoffentlich nur eine flüchtige Phantasie, daß Ihr, um zwey Müttern zu entfliehn, Euch dem Revolutions Riesen in den Rachen stürzen wolltet? Wer über den Rhein gegangen, dem ist die Rückkehr doch wenigstens sehr beschränkt. Auch könnte der Riese leicht <einmal wieder> Krämpfe bekommen, nach Hubers Ausdruck zusammenfließen, und Ihr dabey eben in die Presse kommen. Schreiben Sie mir nur ganz kurz, wie Sie vom deux tiers denken, ob ministeriell oder oppositionell?
Auch schreiben Sie mir, wie sich Ihre Mutter aufführt. Heitzt Ihr nur recht ein, wenn Sie’s verdient.
Was nun folgt, ist für Ihren Gott, selbstständige Diotima. Ich habe nicht Zeit ihm besseres zu geben. Es sind mehr Warnungen wieder falsche Vorstellungsart <und Vermuthungen>. Zu großen Recherchen habe ich jetzt weder Zeit noch Bücher. Was hier steht habe ich schon ohnehin auf meinem Wege gefunden.
Einige Worte über griechische Improvisatoren.
Leben Sie wohl, Selbstständige, und umarmen Sie den göttlichen Schulmeister.
Fr. Schl.
Verzeiht die Druckfehler, ich kann den Brief nicht wieder durchlesen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 2. Oktober 1795
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Braunschweig · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 252‒254.
Language
  • German

Weitere Infos ·