Nur eine Unpäßlichkeit konnte mich verhindern, Ihren theuren Brief sogleich zu beantworten, und Ihnen zu sagen, welche frohe Empfindungen Ihre überraschende Güte in mir erregt hat. – Lassen Sie Sich meinen wärmsten Dank für Ihre ehrenvolle Erwähnung meines Vaters gefallen. Ich hatte so sehr Ursache, den Vater in ihm zu schätzen, daß ich an das Wenige, was er und sein Bruder Elias zur Zeit der Morgenröthe der Deutschen Kunst als Schriftsteller gethan hat, nur dann erinnert wurde, wenn der feurige Greiß von den Freuden und Freunden seiner Jugend erzählte. – Seit die Musen und die Grazien durch das Verdienst weniger Unsterblichen in Deutschland einheimischer sind, als vielleicht in irgend einem andern kultivirten Lande, kann es bedeutend scheinen zu der ersten Bildung des Deutschen Geschmacks auch nur etwas beygetragen zu haben.
Die Hoffnung, an dem Attischen Museum einen steten Antheil nehmen zu dürfen, macht mich glücklich; und ich werde mein Möglichstes thun Ihre Zufriedenheit zu verdienen. Ich werde bald volle Musse haben, der Vollendung der Rede des Lysias meine ganze Zeit zu widmen, und dann auch eine Uebersetzung der Schrift des Dionysius versuchen. Da die Absicht ist, mehrere Reden des Lysias aufzunehmen, so möchte ich mir wohl die Freyheit herausnehmen, das kleine Stück der panegyr.[ischen] Rede p. 911–917. ed. Reisk. in die Einleitung oder Nachschrift zu dem λογος επιταφιος aufzunehmen. Sie ist ein interessantes Dokument zur Biographie und zum panegyrischen Styl des Lysias, und zu der allgemeinen Sitte der damahligen Sophisten und Redner, an grossen Volksfesten, zur Eintracht aller freyen Staaten, und zum Kriege wieder Tyrannen und Barbaren zu ermuntern; und insofern ist sie auch ein natürliches Seitenstück des Isokratischen Paneg[yrikus].
Die Musse, welche mir die vortrefliche Einrichtung, daß die Zeit, wenn die Hefte erscheinen, willkührlich seyn soll, giebt, werde ich nutzen; und ich bestimme daher noch nichts Gewisses, wenn ich Ihnen jene beyden Versuche übersende. Erhalten sie Ihren Beyfall, so werde ich <es wagen> Ihrer gütigen Aufforderung, einige Stücke selbst vorzuschlagen, Genüge zu leisten. Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefs vieles darüber gedacht. – Zugleich werde ich Ihnen dann die Reden des Lysias anzeigen, welche mir für die Geschichte der Attischen Sitten die wichtigsten scheinen.
Auf Ihre Uebersetzung der Rede des Perikles freue ich mich unbeschreiblich. Ich habe sie immer für das in ihrer Art gehalten, was nach dem Urtheile der Alten der Olympische Jupiter des Phidias für die bildende Kunst war. Noch mehr aber auf den Agathodemon, mit dem Sie Deutschland beschenken werden. Böttiger hat mir schon mehr davon gesagt, als hinreichend ist, mein Verlangen bis zur lebhaftesten Ungeduld zu erhöhen.
Bey den neuen Gothen, deren Sie erwähnen, fallen mir die Vandalen ein, welche die hiesige Bibliothek, auf der die Inschrift steht: usui publico patens, verschlossen haben. Seit einiger Zeit ist verordnet, daß niemand ein Buch bekommt, als auf einen Zettel von Graf Marcolini. Man kann das patens nun in latens ändern. Diese Vandeley veranlaßt mich nebst andern persönlichen Ursachen, Dreßden im Herbst zu verlassen. Vielleicht kann ich dann das Glück haben, Sie zu sehen und zu sprechen; Ihnen meine innige Verehrung und meinen wärmsten Dank für Ihre väterliche Güte gegen mich so lebhaft auszudrücken, als ich sie empfinde.
Mit tiefster Verehrung
Der Ihrige
Friedrich Schlegel
Dreßden
Den 10ten May 96.
Die Hoffnung, an dem Attischen Museum einen steten Antheil nehmen zu dürfen, macht mich glücklich; und ich werde mein Möglichstes thun Ihre Zufriedenheit zu verdienen. Ich werde bald volle Musse haben, der Vollendung der Rede des Lysias meine ganze Zeit zu widmen, und dann auch eine Uebersetzung der Schrift des Dionysius versuchen. Da die Absicht ist, mehrere Reden des Lysias aufzunehmen, so möchte ich mir wohl die Freyheit herausnehmen, das kleine Stück der panegyr.[ischen] Rede p. 911–917. ed. Reisk. in die Einleitung oder Nachschrift zu dem λογος επιταφιος aufzunehmen. Sie ist ein interessantes Dokument zur Biographie und zum panegyrischen Styl des Lysias, und zu der allgemeinen Sitte der damahligen Sophisten und Redner, an grossen Volksfesten, zur Eintracht aller freyen Staaten, und zum Kriege wieder Tyrannen und Barbaren zu ermuntern; und insofern ist sie auch ein natürliches Seitenstück des Isokratischen Paneg[yrikus].
Die Musse, welche mir die vortrefliche Einrichtung, daß die Zeit, wenn die Hefte erscheinen, willkührlich seyn soll, giebt, werde ich nutzen; und ich bestimme daher noch nichts Gewisses, wenn ich Ihnen jene beyden Versuche übersende. Erhalten sie Ihren Beyfall, so werde ich <es wagen> Ihrer gütigen Aufforderung, einige Stücke selbst vorzuschlagen, Genüge zu leisten. Ich hatte schon vor Empfang Ihres Briefs vieles darüber gedacht. – Zugleich werde ich Ihnen dann die Reden des Lysias anzeigen, welche mir für die Geschichte der Attischen Sitten die wichtigsten scheinen.
Auf Ihre Uebersetzung der Rede des Perikles freue ich mich unbeschreiblich. Ich habe sie immer für das in ihrer Art gehalten, was nach dem Urtheile der Alten der Olympische Jupiter des Phidias für die bildende Kunst war. Noch mehr aber auf den Agathodemon, mit dem Sie Deutschland beschenken werden. Böttiger hat mir schon mehr davon gesagt, als hinreichend ist, mein Verlangen bis zur lebhaftesten Ungeduld zu erhöhen.
Bey den neuen Gothen, deren Sie erwähnen, fallen mir die Vandalen ein, welche die hiesige Bibliothek, auf der die Inschrift steht: usui publico patens, verschlossen haben. Seit einiger Zeit ist verordnet, daß niemand ein Buch bekommt, als auf einen Zettel von Graf Marcolini. Man kann das patens nun in latens ändern. Diese Vandeley veranlaßt mich nebst andern persönlichen Ursachen, Dreßden im Herbst zu verlassen. Vielleicht kann ich dann das Glück haben, Sie zu sehen und zu sprechen; Ihnen meine innige Verehrung und meinen wärmsten Dank für Ihre väterliche Güte gegen mich so lebhaft auszudrücken, als ich sie empfinde.
Mit tiefster Verehrung
Der Ihrige
Friedrich Schlegel
Dreßden
Den 10ten May 96.