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Friedrich von Schlegel to Carl August Böttiger

Dresden, den 7ten May 1796.
Mein Freund Körner hat mich gewiß Ihrem gütigen Andenken, meiner Bitte gemäß, aufs wärmste empfohlen. Vielleicht hat er mich auch entschuldigt, daß ich Ihren gütigen Brief erst jetzt beantworte, und zwar ohne meine Antwort mit dem Epitafios oder mit dem 1ten Bande der Versuche begleiten zu können. Er kennt wenigstens die angenehmen und unangenehmen Hindernisse, welche es mir unmöglich gemacht haben, den Epitafios vor der bestimmten Zeit und vor der nun früher angesetzten Abreise des H.[errn] H.[ofrat] Wielands einzusenden. Doch wird er ganz gewiss zur bestimmten Zeit, vor Ende Mays in Weimar eintreffen.
Ein Bruder von mir, A. W. S., der sich schon lange Ihre persönliche Bekanntschaft gewünscht hat, und den ich, da er eben über Leipzig nach Jena und Weimar abgereißt ist, Ihrer gütigen Aufnahme im voraus empfehle; mein ältester und genauster Freund, dessen Umgang ich seit Jahren entbehrt hatte, hielt sich einen Monat bey uns auf. Sie kennen Dresden, seine Geselligkeit, seine Schönheiten der Natur und der Kunst; seine anziehende Kraft für jeden genußfähigen Fremden. Sie werden es verzeihlich finden, daß ich von meinem Bruder unzertrennlich war. Die natürliche Folge <davon> indessen mußte seyn, daß auch nicht ein Augenblick mein blieb. Ich rechne für dießmal <zuversichtlich> auf Ihre Güte und Nachsicht.
Da mein erster Versuch fürs A.[ttische] M.[useum] beynah ganz vollendet ist und ich jetzt meine ganze ungestörte Musse dieser Arbeit widme: so würde ich es möglich machen können, denselben <noch> in den Pfingsttagen abzusenden, wenn ich nicht <binnen dieser Zeit> drey Tage auf eine kleine nothwendige Reise wenden müßte. Eine Krankheit meines Druckers hat die Erscheinung des 1ten Bandes der Griechischen Versuche zur O.[ster] M.[esse] unmöglich gemacht. Dieser unerwarteten Verdrießlichkeit war meine Geduld nicht gewachsen, und ich gestehe, daß ich einige Zeit dadurch zu freundschaftlichen Mittheilungen und ruhigen Geschäften ganz unfähig gemacht wurde. –
Ich sage Ihnen meinen wärmsten Dank für Ihre gütige Theilnahme an dieser Unternehmung, welche für mich von so grosser Wichtigkeit ist. Mit meinem Verleger bin ich vollkommen zufrieden und habe Ursache es zu seyn. Für jetzt ist meine Thätigkeit auch ganz auf dieses Unternehmen und auf meine Theilnahme am A.[ttischen] M.[useum] beschränkt. Ueber kurz oder lang aber könnte allerdings eine Verbindung mit einer Buchhandlung, zu der Wielands Empfehlung mir behülflich seyn könnte, von sehr grossem Werthe für mich seyn. Doch bedürfen meine Gr.[iechischen] Versuche von einer andern Seite gar sehr der freundschaftlichen Beförderung. Mein Nahme ist noch völlig unbekannt, und Schriften der Art sind schwer in lebhaften Umlauf zu bringen. Es ist mein lebhaftester Wunsch, daß gleich mit der Erscheinung desselben kompetente Richter öffentlich darüber urtheilen und die Aufmerksamkeit des Publikums anregen mögen. Sehn Sie dieß, theuerster Gönner, als die vorläufige Ankündigung einer angelegentlichen Bitte an, mit der ich mich bald sowohl an Sie als auch an Vater Wieland wenden werde.
Dieses Briefchen an W.[ieland] (welches ihm hoffentlich niemand vorzulesen braucht, wie wohl ich allen Hoffnungen auf Kalligraphie für immer entsagen muß) enthält meinen lebhaftesten Dank für die ausserordentliche Freude, welche mir das 1te Heft des A.[ttischen] M.[useums] gemacht hat. Ich kann Ihnen nicht ausdrücken, wie sehr durch die eigne Ansicht und nähere Bekanntschaft, mein Wunsch an dem treflichen Unternehmen ernsten und daurenden Antheil zu nehmen, erhöht, und meine Freude es zu dürfen erhöht ist. W.[ieland]s Panegyr.[ikos] ist in der That ein vollkommnes Vorbild jeder ähnlichen Arbeit. Ich werde diesem grossen Ziele mit angestrengten Kräften mich möglichst zu nähern suchen. Ueber Agathodämon habe ich nicht gewagt, ihm selbst etwas zu sagen. Doch wünschte ich, daß Sie mir eins und das andre darüber mittheilten. Es ist gewiß nur sehr wenigen Sokratischen Geistern gegeben diese Reife des Alters mit dieser Wärme und Frischheit der Jugend zu vereinigen.
Ihren Attischen Mythen, so wie dem im Meßkatalog angekündigten Didascalicus sehe ich mit Sehnsucht und Ungeduld entgegen.
Sehr erfreulich war es mir, daß Sie meinen Vorschlag einer Darstellung der alten Athener Ihres Beyfalls würdigen und für das A. [ttische] M.[useum] zweckmässig finden. Sehr angenehm ist es mir, daß ich mir zur Uebersetzung des Isokr.[ates] von Dion.[ysios] übrige Zeit nehmen darf. Es war auch nothwendig, wenn dieß Wagstück nicht mißlingen soll. Da W[ieland]s Brief indessen einen völlig bestimmten Antrag enthielt, so ließ ich mir <zu diesem Zwecke> sogleich die Reisk.[e] Ausgabe des D.[ionysios] kommen, da ich mich bisher mit der Sylburgschen von einem Freund geliehenen beholfen habe. Ich werde nun auch die Musse dieses Sommers zu diesem Versuch nutzen und Ihnen die Ausbeute im August hoffentlich selbst überreichen. – Sehr schmeichelhaft und anlockend war für mich Ihre und des verehrungswürdigen Wiel.[ands] gütige Einladung, den Winter in Weimar zuzubringen. Entschieden ist es, daß ich im August Dr.[esden] verlasse und die Zeit bis Michaelis in Jena und Weimar verweile, und also dann das Glück haben werde, Sie persöhnlich kennen zu lernen. Ob meine Verhältnisse mir erlauben werden, meinen Winteraufenthalt in Ihrer Nähe zu bestimmen, kann ich noch nicht mit Gewißheit bestimmen: doch hoffe ichs mit der größten Wahrscheinlichkeit. – Sehr erfreulich würde mirs seyn, noch vorher die Bekanntschaft Ihrer Frau Gemahlin zu machen. Sobald ich erfahre, daß sie hier sey, werde ich aus meinem Dorfe in die Stadt eilen und mich glücklich schätzen von Ihnen mit Ihr reden zu können. – Ich bitte mich Ihr im voraus angelegentlichst zu empfehlen. – In Pillnitz selbst kann ich mich trotz einem eingebohrnen Dreßdner zum Cicerone anbieten.
Wenn der trefliche Voß auch bey Ihnen ist, so bitte ich ihm meine Verehrung und meinen Dank für die vielfache Belehrung, die ich aus den mythologischen Briefen geschöpft habe, zu bezeugen.
Vor einigen Tagen machte ich die Bekanntschaft des Mag.[ister] Eichstädt, der mir sehr wohl gefallen hat. Nur wünschte ich ihm die Entschlossenheit, sich eine seinen Anlagen und Neigungen günstige Lage zu schaffen, oder nur zu wählen. Sie wissen wahrscheinlich die Wahl, zwischen der er jetzt schwankt. Ich würde Thorn weniger fürchten als Leipzig. Ein steter Aufenthalt in diesem Geist tödtenden Ort muß allen Schwung lähmen.
Ganz der Ihrige
Friedrich Schlegel.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 7. Mai 1796
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Carl August Böttiger ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 297‒300.
Language
  • German

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