Jena. Den 24ten Febr. 97
Hochzuverehrender Herr Hofrath,
Ich habe die Ehre, Ew. Wohlgeb. hiebey ein kleines Buch zu übersenden, welches die erste, noch ziemlich herbe Frucht von einem mehrjährigen Studium der Alten ist. Denn obgleich mich während meines Aufenthalts in Göttingen ein, wie es mir schien, unwiderstehliches innres Geistesbedürfniß zu Spekulazion, von diesem Studio bald entfernte, und verhinderte, Ihre Vorlesungen und die Schätze der Gött.[ingischen] Bibl.[iothek] so zu benutzen, wie ich es späterhin gethan haben würde: so behauptete doch die ursprüngl.[iche] Neigung zur Alterthumskunde sehr bald wieder ihre Rechte, und seit mehr als vier Jahren ist sie meine hauptsächliche, dritthalb Jahre meine ausschließliche Beschäftigung gewesen.
Die erste Abhandlung dieses Bandes ist schon im Oktob.[er] 95, vor 17 Monaten dem Druck übergeben, und nur durch die üble Lage des Verlegers so über die Maaß verspätet. Der in der Vorrede angekündigte Grundriß einer Geschichte der alten Poesie wird eben daher jetzt als besondres Werk bey Unger gedruckt, und ich werde Ihnen denselben zur Ostermesse überreichen können. Im zweyten Bande dieser Sammlung denke ich dagegen mehrere Aufsätze zu geben, die zur Geschichte der polit.[ischen] Cultur der Alten gehören.
Wenn Sie meine Versuche wichtig genug finden, um sie zu lesen, und in der Gött.[ingischen] Zeit.[ung] anzuzeigen; so wäre es für den äußern Fortgang des Werks und für den Verleger allerdings vortheilhaft, wenn dieß bald geschähe. Sollten Sie indessen den Umweg den die erste Abhandl.[ung] zu ihrem Ziele nimmt, nicht billigen können: so bitte ich Sie, bis zur Erscheinung jenes Grundrisses die Anzeige zu verschieben. Es würde jetzt manches anders geschrieben werden. Ich muß mich darüber so wie über den Gang meiner Studien überhaupt, mit Lessings Gedanken trösten: „daß die grade Linie nicht immer der kürzeste Weg sey.“
Wieland hat Ihnen ohne Zweifel sein Attisches Museum gesandt. Im 2ten Hefte ist die Uebersetzung der Epitafischen Rede des Lysias nebst Zubehör von mir.
Sehr schmeichelhaft würde es mir seyn, wenn Sie mich auch mit einer schriftl.[ichen] Privatkritik beehren wollten.
Mit vollkommenster Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
Gehorsamster
Friedrich Schlegel
Mein Bruder empfiehlt sich Ihrer Gewogenheit aufs angelegentlichste.
Jena, im Döderleinschen Hause, Leitergasse.
Hochzuverehrender Herr Hofrath,
Ich habe die Ehre, Ew. Wohlgeb. hiebey ein kleines Buch zu übersenden, welches die erste, noch ziemlich herbe Frucht von einem mehrjährigen Studium der Alten ist. Denn obgleich mich während meines Aufenthalts in Göttingen ein, wie es mir schien, unwiderstehliches innres Geistesbedürfniß zu Spekulazion, von diesem Studio bald entfernte, und verhinderte, Ihre Vorlesungen und die Schätze der Gött.[ingischen] Bibl.[iothek] so zu benutzen, wie ich es späterhin gethan haben würde: so behauptete doch die ursprüngl.[iche] Neigung zur Alterthumskunde sehr bald wieder ihre Rechte, und seit mehr als vier Jahren ist sie meine hauptsächliche, dritthalb Jahre meine ausschließliche Beschäftigung gewesen.
Die erste Abhandlung dieses Bandes ist schon im Oktob.[er] 95, vor 17 Monaten dem Druck übergeben, und nur durch die üble Lage des Verlegers so über die Maaß verspätet. Der in der Vorrede angekündigte Grundriß einer Geschichte der alten Poesie wird eben daher jetzt als besondres Werk bey Unger gedruckt, und ich werde Ihnen denselben zur Ostermesse überreichen können. Im zweyten Bande dieser Sammlung denke ich dagegen mehrere Aufsätze zu geben, die zur Geschichte der polit.[ischen] Cultur der Alten gehören.
Wenn Sie meine Versuche wichtig genug finden, um sie zu lesen, und in der Gött.[ingischen] Zeit.[ung] anzuzeigen; so wäre es für den äußern Fortgang des Werks und für den Verleger allerdings vortheilhaft, wenn dieß bald geschähe. Sollten Sie indessen den Umweg den die erste Abhandl.[ung] zu ihrem Ziele nimmt, nicht billigen können: so bitte ich Sie, bis zur Erscheinung jenes Grundrisses die Anzeige zu verschieben. Es würde jetzt manches anders geschrieben werden. Ich muß mich darüber so wie über den Gang meiner Studien überhaupt, mit Lessings Gedanken trösten: „daß die grade Linie nicht immer der kürzeste Weg sey.“
Wieland hat Ihnen ohne Zweifel sein Attisches Museum gesandt. Im 2ten Hefte ist die Uebersetzung der Epitafischen Rede des Lysias nebst Zubehör von mir.
Sehr schmeichelhaft würde es mir seyn, wenn Sie mich auch mit einer schriftl.[ichen] Privatkritik beehren wollten.
Mit vollkommenster Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
Gehorsamster
Friedrich Schlegel
Mein Bruder empfiehlt sich Ihrer Gewogenheit aufs angelegentlichste.
Jena, im Döderleinschen Hause, Leitergasse.