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Friedrich von Schlegel to Novalis

Jena. Den 10ten März 97
Obgleich ich wegen des Drucks meiner Geschichte der Griechischen Poesie vergraben bin: so kann ich doch Deinen Bruder nicht reisen lassen, ohne ihm wenigstens ein paar Zeilen an Dich mitzugeben. Als ich Dir neulich das erste Heft des neuen Phil[osophischen] Journ[als] und den Hülsen, der Dir gewiß sehr gefallen wird, schickte, hatte ich durchaus keine Zeit, auch nur eine Zeile dabei zu schreiben.
Du bist in Grüningen gewesen, und ich wünsche, Du hast Soph.[ie] leidlich gefunden. Ich habe recht oft mit dem herzlichsten Antheil an Euch gedacht. Gieb mir <nur> recht bald Nachricht von dem Erfolg Deiner Reise.
Mir geht es ganz leidlich, und ich habe nicht Zeit, viel Grillen zu fangen. – Weißt Du schon, daß Deutschland, die Zeitschrift nämlich, nicht das heil[ige] Röm[ische] Reich, der Censur wegen aufhören muß? Es tritt an die Stelle ein Lyceum der schönen Künste, welches mit einem sehr langen Georg Forster von mir eröffnet wird, der schon seit mehreren Wochen abgesandt ist. Außerdem habe ich eine Recension des Nieth.[ammerschen] Journ[als] gefertigt, welche nun, in diesen Tagen, in der A[llgemeinen] L[itteratur]-Z[eitung] erscheinen muß, oder, wenn man es wagt, sie dort nicht zu drucken oder Widerreden hat, in dem neuen Philos.[ophischen] Journ[al] selbst eingerückt [wird]. Dieß erscheint künftig hier bei Gabler, weil das 1ste Stück durch Druckfehler so schändlich verunstaltet ist, daß F[ichte] es umdrucken lassen will. Der IIte Aufsatz und der erste Aufsatz ist von Schelling. Mir gefällt alles ganz vortrefflich, wie denn meine Neigung für F[ichte] immer noch im Zunehmen ist. Daß Reinhold sich zum Fichtismus bekehrt hat, wirst Du wohl schon wissen. Es wird große Sensazion machen.
Der Hülsen gehört Fichte. Schicke ihn also zurück, wenn Du ihn hinlänglich gelesen hast.
Ich hatte schon eine lange Charakteristik von Kant für Deutschl.[and] sehr weit gediehen da liegen, auch Materialien zu einem Aufsatz über den Geist der Wissenschaftslehre. Der will nun unter den neuen Titel nicht passen (überhaupt war der alte unersetzlich schön, er war so viel als Allerley von Allem an Jeden). Ich werde also zu Ostern 98 besonders drucken lassen: Kant und Fichte, zwey exoter[ische] Schr[iften] von F. S. Nun habe ich den Versuch gemacht, ob Severin mir wohl auf eine solche Verbindung jetzt 8–10 Ldrs. im Voraus giebt. Ich bitte Dich daher den Einschluß zu besorgen, und dabey an baldige Antwort zu erinnern. Wenn Du mir eher schreibst, so sag mir doch Deine Meinung darüber.
Erasmus scheint mir etwas hypochondrisch zu seyn. Ich finde sein Aussehn wenigstens nicht so übel. Indessen ist seine Lage freylich nicht gut, und er hat mir eine recht traurige Stunde diesen Nachmittag gemacht. – Schreib mir ja bald, lieber Freund, und grüße die Deinigen. Desgleichen von den Meinigen an Dich. Ich umarme Dich herzlich
Dein F. S.
Kant ist sehr zornig auf die Xenien und Schiller und hat an meinem Orpheus viel Geschmack gefunden.
Goethe grüßt auch sehr freundlich und hat meine Recension des Woldemar mit Beyfall gelesen. Doch hat er gemeynt, es wäre, als ob einer mit einem eisernen Griffel hineinschriebe.
Die Agnes ist wahrscheinlich von Schiller. – Der jüngste Humbold ist hier.
Places
Personen
Journals
Works
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 10. März 1797
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Novalis ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Weißenfels · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 349‒350.
Language
  • German

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