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Friedrich von Schlegel to Carl August Böttiger

Jena den 13ten März 97.
Herzlichen Dank, werthester Freund, für das Ueberschickte. Es kann mir <nicht anders als> sehr erfreulich seyn, wenn mein Werkchen bey solchen Kennern des Alterthums, <wie Sie sind,> vielseitige Discussionen veranlaßt. Auch der Ton Ihrer Gegenschrift kann mir im Ganzen nicht misfallen, da ja so vieles äusserst Schmeichelhafte für mich darin ist, ohngeachtet wohl einige rhetorikoterische Stellen darin sind, welche, was mich betrift, über das Richtige hinaus, oder seitwärts davon abgehn. Z. B. ich wünsche alle Athenerinnen zu eben so viel Diotimen zu machen, da ja meine ganze kleine Abhandlung, wenn sie <irgend> ein Verdienst hat, s.[ich] <grade> das anmaßen darf, die Verschiedenheiten der Dorischen und Attischen Weiblichkeit etwas genauer als bisher zu charakterisiren. Die Gründe, welche Sie bis jetzt gebraucht, sind mir freylich nicht hinreichend; und ich gestehe Ihnen daß ich auf ganz andre gefaßt war. Eine so rühmliche Anfoderung erfoderte freylich wohl gleich eine Antwort. Leider läßt s.[ich] das aber nicht möglich machen. Seit drey Wochen bin ich Tag und Nacht in Schlaf und Wachen mit der Geschichte der Griech.[ischen] Poesie beschäftigt. Mit andern Worten: ich schreibe das Werk ins Reine, welches noch zur O.[ster] M.[esse] bey Unger erscheint. Dieß mag mich auch entschuldigen, daß ich Ihren letzten sehr freundschaftl.[ichen] und Wielands äusserst schmeichelhaften und äusserst gütigen Brief nicht gleich auf der Stelle beantwortet habe. Sagen Sie aber, wenn ich bitten darf, dem guten Alten nicht mehr von meiner Beschäftigung, als nöthig ist, um mein Stillschweigen noch einige Zeit bey ihm zu entschuldigen. Versichern Sie, dass ich den Dionysios zur gehörigen Zeit fertig schaffen werde. Gut ists, daß ich schon vorgearbeitet habe. Besser wäre es freylich, ich hätte eher gewußt, daß ich ihn sicher machen könnte. Dann würde er nun ganz fertig seyn. Ich brauche dazu jede übrige Stunde, und ich werde dann bald auch noch Tage daran wenden können. Lassen Sie mich bald den äussersten Termin wissen, wo er geliefert seyn muß. Sie könnten es ja wohl so einrichten, dass mein Aufsatz in dem Illten Stück die letzte Stelle bekäme. Ich darf mir wohl auch die Freyheit nehmen, was ich über Dion.[ysios] zu sagen habe, nicht als Prolog, sondern als Epilog folgen zu lassen. Denn dafür ist noch weniger vorgearbeitet, als für die Uebersetzung. Auf alle Fälle seyn Sie versichert, dass ich meinen Posten nicht verlassen und den Termin halten werde; und beruhigen Sie auch, wenn ich bitten darf, Wiel.[and] darüber. Ich gehe sehr con amore an dieß Geschäft.
Es versteht sich, daß einer der ersten recht freyen und heitern Tage dazu angewandt wird, mit den leichten Truppen, die Sie gegen mich haben aufmarschiren lassen, ein kleines Gefecht anzufangen, mit aller Jovialität, die der Gegenstand erlaubt. Wenn ich auch nicht von Ihrem gütigen Anerbieten, eine Replik in den Merkur einzurücken, Gebrauch machen sollte: so werde ich Sie Ihnen doch vor dem Druck mittheilen und eine freundschaftl.[iche] Rücksprache darüber mit Ihnen halten.
Noch vorher werde ich jedoch eine Anzeige Ihres Spec.[imens] fertigen. Daß es noch nicht geschehn ist, verzeihn Sie wohl bei sothanen Umständen. Möchten Sie <uns> nur bald das Werk selbst schenken!
Ich brauche zur Nachlese, und weil ich bey einer solchen Arbeit durchaus ganz im alten Element leben muß, sehr viele Bücher, an denen es hier so sehr fehlt. Auch liegt mir oft unendlich viel an einer sehr kleinen Notiz. Könnten Sie mir die Werke des Dio Chrysostomus auf kurze Zeit schicken: so würden Sie mich sehr verpflichten. Es müßte aber so bald als möglich seyn. Denn sonst komme ich über die Stellen weg, zu denen ich ihn vorzügl.[ich] brauchen wollte.
Behalten Sie mich in freundschaftlichem Andenken. Ganz der Ihrige
Friedr.[ich] Schlegel
Von Eichstädt weiß ich gar nichts. Es ist mir sehr lieb, dass <ein Ausdruck in der> übrigens sehr schmeichelhaften Notiz meines Buchs im Merkur durch einen Druckfehler unverständlich. Man könnte das so deuten, als ob ich Schillers aesthetische Briefe auf die Gr.[iechen] angewandt.
  • Schlegel, Friedrich von  Buchsendung  danken  Böttiger, Carl August
  • Schlegel, Friedrich von  Buchsendung  danken  Böttiger, Carl August: Waren die Athenerinnen wirklich vom Theater ausgeschlossen
  • Schlegel, Friedrich von  loben  Böttiger, Carl August
  • Schlegel, Friedrich von  positiv bewerten  Böttiger, Carl August: Waren die Athenerinnen wirklich vom Theater ausgeschlossen
  • Schlegel, Friedrich von  Arbeitsbericht  Schlegel, Friedrich von: Geschichte der Poesie der Griechen und Römer
  • Schlegel, Friedrich von  Zeitverzug  sich entschuldigen  Böttiger, Carl August
  • Schlegel, Friedrich von  Nicht-Briefsendung  sich entschuldigen  Wieland, Christoph Martin
  • Schlegel, Friedrich von  Manuskriptabschluss  bekräftigen  Schlegel, Friedrich von: Kunsturteil des Dionysios über den Isokrates
  • Schlegel, Friedrich von  schreiben  Schlegel, Friedrich von: Böttiger, Carl August: P. Terentii Afri comoediae (Rezension)
  • Schlegel, Friedrich von  Erscheinen  sich freuen  Böttiger, Carl August: P. Terentii Afri commoediae
  • Schlegel, Friedrich von  Buchsendung  erbitten  Dio, Chrysostomus: Werke
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 13. März 1797
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Carl August Böttiger ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 351‒352.
Language
  • German

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