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Friedrich von Schlegel to Auguste Böhmer

An Augustens Geburthstage
Liebste Auguste.
. . . Sag Du nur Deiner Mutter gelegentlich: ich hätte Dich eben so lieb, wie sie; und dann sag ihr auch: sie möchte sich nur in Acht nehmen. Ich hätte mir vorgenommen, ihr von dem Augenblick an, wo ich ihr kein Geld mehr schuldig wäre, wenn sie mich – welches sie doch nicht laßen kann – über gewisse Dinge, wo sie kein reines Gewissen hat, fragte, ihr allemahl die reine Wahrheit zu antworten.
Sag nur dem Vater: Er müßte nothwendig auch eine Historie schreiben. Ich hätte neulich gelegentlich ausgefunden, daß seine ganze Natur eigentlich historisch wäre. Wenn die Mutter etwa auch wissen will, was sie für eine Natur hat, so sag ihr nur: politisch-erotisch: doch möchte das Erotische wohl überwiegend seyn. Ich sehe Dir schon an, daß Du nun auch Deine Natur wissen willst. Du hast aber noch keine, liebes Kind. Die wächst einem erst später. Doch wird sie wahrscheinlich orchastisch [orgiastisch?] werden.
Heute bist Du nun Punkte 12 Jahr alt, und darfst Dich von nun an niemahls wieder auf meinen Schooß setzen. Ich sehe wohl ein, wie hart dieß für Dich ist. Da es aber nothwendig und die Mutter es haben will, so wirst Du mir nicht übel nehmen, daß ich Dirs ankündige. – Du wirst gewiß recht erwachsen von Dreßden zurückkommen. Besonders erwarte ich, daß Du im Müßiggänge recht große Fortschritte wirst gemacht haben, worin Du es schon hier so weit gebracht hattest. Oder denkst Du auch zuweilen daran, wie fleißig wir seyn wollen, wenn Du wieder hier bist? Doch an hier denkst Du wohl gar nicht mehr ...
Es grüßt Dich auch λευϰωλεος Λωλωε. Denn so nennen wir, ich und Eschen, sie. Wer es ist, wirst Du bei Deiner Kenntniß der Griechischen Sprache wohl wissen. Auch die Fichten hat mir gesagt, daß sie Dich recht lieb hätte. Du wärst ein anmuuthisches Kind; beynah so anmuuthisch, wie Hartmann. Daß Du ein Kind wärst, habe ich denn gleich zugegeben. Sie meynte auch, Du wärst sehr sittsam. Die ehrliche, gute Frau! Da habe ich sie denn doch eines Bessern belehrt. Die ausgelaßensten wildesten Hummeln, sagte ich, wären noch still gegen Dich. Bey meiner Beschreibung standen ihr die Haare zu Berge ...
Nun schreib ich nicht eher wieder, bis die Poesie fertig ist. Ich wollte, die Poesie hinge an dem höchsten Galgen. Die fatalen Griechen!
Lebe wohl, kleines Herzblättchen; und erhalten Sie dero schätzbare Gewogenheit
Ihrem dienstbeflissensten Onkel Fritz.
... Hast Du auch schon wieder Musik gesehn?
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 28. April 1797
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Auguste Böhmer ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 359‒360.
Language
  • German

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