Tennstedt. den 3ten May. 1797.
Deinen letzten Brief hab ich mit dem Buche richtig erhalten. Diesmal schicke ich Dir dasselbe noch nicht zurück – vielmehr wiederhole ich meine Bitte um Agnes und um einige Nova, besonders von Dir. Ich wills nicht lange aufhalten und mit 2–3 Posttagen schicke ich Dir alles zurück – Ich habe hier gar nichts, und es finden sich doch Stunden, wo ich einer ermunternden, wieder reitzenden Erholung bedarf. Unthätig bin ich gar nicht – ich nähere mich jetzt auf einer andern Seite meinem alten Ziele, und bevor ich dis nicht habe, denk ich auch nicht ans Stillsitzen und ausruhn. Manches kann man nicht directe fassen und da thut man gut, wenn mann sich stellt, als gienge man nach einer andern Seite, so kommt man ihm unvermuthet nah. In 4 Wochen komm ich gewiß auf einige Tage bey der Rückreise nach Jena – hoffentlich zeig ich Dir da manches, was ich gethan habe. Ich will mich nicht übereilen und langsam Eins vollenden, um mich selbst vollenden zu lernen. Ich lebe hier sehr glücklich, denn alles ist ruhig um mich her, und ich habe mein Heiligthum nicht fern.
Schellings Philosophie der Natur findet in mir einen sehr neugierigen Leser. Deine Recension von Nieth.[ammers] Journ[al] hat den gewöhnlichen Fehler Deiner Schriften – sie reizt, ohne zu befriedigen – Sie bricht da ab, wo wir nun grade aufs Beste gefaßt sind – Andeutungen – Versprechungen ohne Zahl – kurz man kehrt von der Lesung zurück, wie vom Anhören einer schönen Musik, die viel in uns erregt zu haben scheint, und am Ende ohne etwas Bleibendes zu hinterlassen – verschwindet. Augen haben Deine Schriften genug – helle, seelenvolle, keimende Stellen – aber gieb uns auch endlich, wenn Du anders nicht ganz Künstler werden willst – wo nicht etwas Brauchbares, doch etwas Ganzes wo man auch kein Glied mehr suppliren muß. Du verzeihst meine treuherzige Ermahnung, die Goethes Gesprächen gegenüber eine noch armseeligere Gestalt machen muß – indeß will ich keinen andern Effekt als den, daß es Dich überzeugt, daß ich warmen Antheil an den Geschäften Deines Lebens nehme und bis zum lezten Momente nehmen werde. Ich bin Dir immer herzlich gut gewesen und, wenn ich auch zuweilen mit Dir unzufrieden war, so habe ich doch nie von Dir lassen können und sicher nehme ich Dein Andenken mit Innigkeit hinüber in jene Welt mit.
Lebe wohl.
Dein Freund
Hardenberg
Ist von Fichten etwas Neues da – so bitte ich sehr darum. Der Bote ist hauptsächlich zur literarischen Fourage ausgeschickt worden.
Deinen letzten Brief hab ich mit dem Buche richtig erhalten. Diesmal schicke ich Dir dasselbe noch nicht zurück – vielmehr wiederhole ich meine Bitte um Agnes und um einige Nova, besonders von Dir. Ich wills nicht lange aufhalten und mit 2–3 Posttagen schicke ich Dir alles zurück – Ich habe hier gar nichts, und es finden sich doch Stunden, wo ich einer ermunternden, wieder reitzenden Erholung bedarf. Unthätig bin ich gar nicht – ich nähere mich jetzt auf einer andern Seite meinem alten Ziele, und bevor ich dis nicht habe, denk ich auch nicht ans Stillsitzen und ausruhn. Manches kann man nicht directe fassen und da thut man gut, wenn mann sich stellt, als gienge man nach einer andern Seite, so kommt man ihm unvermuthet nah. In 4 Wochen komm ich gewiß auf einige Tage bey der Rückreise nach Jena – hoffentlich zeig ich Dir da manches, was ich gethan habe. Ich will mich nicht übereilen und langsam Eins vollenden, um mich selbst vollenden zu lernen. Ich lebe hier sehr glücklich, denn alles ist ruhig um mich her, und ich habe mein Heiligthum nicht fern.
Schellings Philosophie der Natur findet in mir einen sehr neugierigen Leser. Deine Recension von Nieth.[ammers] Journ[al] hat den gewöhnlichen Fehler Deiner Schriften – sie reizt, ohne zu befriedigen – Sie bricht da ab, wo wir nun grade aufs Beste gefaßt sind – Andeutungen – Versprechungen ohne Zahl – kurz man kehrt von der Lesung zurück, wie vom Anhören einer schönen Musik, die viel in uns erregt zu haben scheint, und am Ende ohne etwas Bleibendes zu hinterlassen – verschwindet. Augen haben Deine Schriften genug – helle, seelenvolle, keimende Stellen – aber gieb uns auch endlich, wenn Du anders nicht ganz Künstler werden willst – wo nicht etwas Brauchbares, doch etwas Ganzes wo man auch kein Glied mehr suppliren muß. Du verzeihst meine treuherzige Ermahnung, die Goethes Gesprächen gegenüber eine noch armseeligere Gestalt machen muß – indeß will ich keinen andern Effekt als den, daß es Dich überzeugt, daß ich warmen Antheil an den Geschäften Deines Lebens nehme und bis zum lezten Momente nehmen werde. Ich bin Dir immer herzlich gut gewesen und, wenn ich auch zuweilen mit Dir unzufrieden war, so habe ich doch nie von Dir lassen können und sicher nehme ich Dein Andenken mit Innigkeit hinüber in jene Welt mit.
Lebe wohl.
Dein Freund
Hardenberg
Ist von Fichten etwas Neues da – so bitte ich sehr darum. Der Bote ist hauptsächlich zur literarischen Fourage ausgeschickt worden.