Sonntags. Den 7ten Mai
Da ich gestern die Exemplare vom Shak[espeare] meines Bruders bekam, dachte ich gleich, daß sey wohl etwas für Dich. – Auch die letzte Fortsetzung von Agnes lege ich bey. Die erste habe ich nicht. – Beydes muß ich aber binnen hier und 10–14 Tagen gewiß wieder haben. Und noch eine Bedingung: den Shak[espeare] mußt Du in Acht nehmen wie ein Heiligthum. Mein Bruder ist pünktlich in solchen Dingen. Es ist eins der guten Exemplare, die zu Ehrengeschenken bestimmt sind, und deren er nicht viel bekommt. Andre hab’ ich noch nicht. – Verzeih diese Umständlichkeit; und gieb das Buch ja nicht aus Deinen Händen.
Ich denke, der Romeo wird Dich anziehen. Du lernst ihn doch eigentl[ich] hier erst kennen. Wär ich <bloß> Körner so würd ich sagen: „Das kann Goethe doch nicht machen.“ Da ich aber Friedrich Schlegel bin, so sag ich Dir: „Freund, dies ist mehr als Poesie“ Ich hab es heute wiedergelesen, wobei die Thränen häufig geflossen sind. Doch hat es auch gezündet, wie wenn „das Feuer und Pulver im Kusse sich berühren.“ Es ist ein heißes, schweres Gewitter an dem frischesten Tag des üppigsten Frühlings; die Rose des Lebens, aber mit dem Stachel, welcher scharf ist und bis ins Mark geht. An den Antithesen des Stücks, die vom Größten bis zum Kleinsten gehn, bis zu den spitzen Reden und Reimen und dem Auftritte gleich nach Juliens Todestraum, wirst Du kein Aergernis nehmen. Das ist so die Art der Liebe, des Geistes und der Tragödie – das Werk ist die reine Antithetik des jugendlichen Herzens.
Versteht sich alles, was ich oben bildlich sagte, in geistigem Sinn. Denn hier ist alles Sinn, Geist, Seele, Gemüt. Du wirst mir erlauben, zu bemerken, daß sich dies <auch> auf die häufigen Toten erstreckt.
Ich umarme Dich herzlich und wünsche recht bald von Dir zu hören.
Ganz Dein
Friedr. Schl.
In fürchterlicher Eile
Da ich gestern die Exemplare vom Shak[espeare] meines Bruders bekam, dachte ich gleich, daß sey wohl etwas für Dich. – Auch die letzte Fortsetzung von Agnes lege ich bey. Die erste habe ich nicht. – Beydes muß ich aber binnen hier und 10–14 Tagen gewiß wieder haben. Und noch eine Bedingung: den Shak[espeare] mußt Du in Acht nehmen wie ein Heiligthum. Mein Bruder ist pünktlich in solchen Dingen. Es ist eins der guten Exemplare, die zu Ehrengeschenken bestimmt sind, und deren er nicht viel bekommt. Andre hab’ ich noch nicht. – Verzeih diese Umständlichkeit; und gieb das Buch ja nicht aus Deinen Händen.
Ich denke, der Romeo wird Dich anziehen. Du lernst ihn doch eigentl[ich] hier erst kennen. Wär ich <bloß> Körner so würd ich sagen: „Das kann Goethe doch nicht machen.“ Da ich aber Friedrich Schlegel bin, so sag ich Dir: „Freund, dies ist mehr als Poesie“ Ich hab es heute wiedergelesen, wobei die Thränen häufig geflossen sind. Doch hat es auch gezündet, wie wenn „das Feuer und Pulver im Kusse sich berühren.“ Es ist ein heißes, schweres Gewitter an dem frischesten Tag des üppigsten Frühlings; die Rose des Lebens, aber mit dem Stachel, welcher scharf ist und bis ins Mark geht. An den Antithesen des Stücks, die vom Größten bis zum Kleinsten gehn, bis zu den spitzen Reden und Reimen und dem Auftritte gleich nach Juliens Todestraum, wirst Du kein Aergernis nehmen. Das ist so die Art der Liebe, des Geistes und der Tragödie – das Werk ist die reine Antithetik des jugendlichen Herzens.
Versteht sich alles, was ich oben bildlich sagte, in geistigem Sinn. Denn hier ist alles Sinn, Geist, Seele, Gemüt. Du wirst mir erlauben, zu bemerken, daß sich dies <auch> auf die häufigen Toten erstreckt.
Ich umarme Dich herzlich und wünsche recht bald von Dir zu hören.
Ganz Dein
Friedr. Schl.
In fürchterlicher Eile