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Friedrich von Schlegel to Auguste Böhmer

Weißenfels den 15ten Jul. 97.
Große Freude hat es mir gemacht, liebstes Augustchen, daß Du Dein Wort so schön gehalten und gleich den ersten Sonntag nach meinem Tode einen eben so lustigen als lehrreichen Brief an mich geschrieben hast, noch mehr, daß Du am Ende des Briefs selbst verräthst, er sey nicht am Sonntage, sondern – am Sonnabende geschrieben. Gott erhalte Dich dabey, daß Du, wenn Du noch eilf Jahre in der Welt gelebt hast, ebenso ehrlich unehrlich bist...
Daß ich nicht mehr Geduld mit Dir gehabt, liebenswürdiges Kind, rührt daher: 1) weil ich verdrießlich war, daß ich Dich nur noch so kurze Zeit zur Schülerin haben sollte; 2) weil ich wollte, Du solltest Alles in dieser kurzen Zeit und von mir lernen; 3) von meiner cholerischen Gemüthsart; 4) hätte ich keine Ursach gehabt ungeduldig zu seyn, wenn Du Alles so herrlich und tadellos gelernt hättest, wie den Albernativ in allen Conjugazionen und den Superlativ des kleinen artigen Adjektivs φαυλος.
Bey der merkwürdigen oder prächtigen Geschichte von der Wanze hast Du gewiß einen Hauptumstand vergessen. Ich denke, die Mutter wird dabey nicht wenig auf mich geschimpft haben, als ob ich eigentlich die Wanze wäre, die sie gestochen habe: da sie mich für den Vater alles Übels und den Lügner von Anfang hält.
Bitte doch Wilhelm, daß er Dich recht mäßig lobt, und denke nur ans Griechische, nicht an das Lob, was Du damit verdienen willst.
Schreib mir auch, ob Du noch so viel närrisches Zeug liest, und was. Dieß ist mein voller Ernst. Wenn ich Dich aber sonst ein wenig necke: so mußt Du es nicht übel nehmen. Das macht, weil ich Dich so lieb habe ...
Warum nennst Du mich denn immer Onkel? – Respekt hast Du doch nicht vor mir. Es hilft mir also zu nichts, als daß es mich erinnert, wie alt ich schon seyn muß, daß ich der Onkel von einem so großen Mädchen von eilf [zwölf] Jahren bin. Und alt bin ich doch wirklich nicht, wie die Mutter bezeugen kann, ob ich gleich seit meiner Abreise von Jena schon viele graue Haare bekommen habe, die mir aber sehr gut stehn. Nenn mich lieber Dein Brüderchen oder Freund oder Fritz.
Sag der Mutter, sie soll ja ein Auge auf Wilhelm haben von wegen der Paulusschen Liebschaft.
Lebwohl, süßes Kind, und lerne Griechisch.
Beylage. Mußt Du kleiner Trotzkopf gleich drohn, Du wolltest mir nicht wieder schreiben, wenn ich mich über Deinen Brief, der gewiß für zwey satt zu lachen enthält, in guter Gesellschaft belustigte? – Und wie kannst Du denken, daß ich das thun würde, da es gar nicht meine Art ist, Alles zu zeigen. – Doch habe ich Dich drum nicht minder lieb, besonders weil Du es dumm findest, daß ich gestorben bin. Denn deshalb glaube ich gewiß, Du und Fichte seht es nicht gern, daß ich fort bin, weil Ihr drauf schimpft.
Dein Φριξ
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 15. Juli 1797
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Auguste Böhmer ·
  • Place of Dispatch: Weißenfels · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 375‒376.
Language
  • German

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