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Novalis to Friedrich von Schlegel

Töplitz: den 20sten Julius 1798
Ich habe die ganze Zeit über auf Nachricht von euch gewartet. Ich dachte, Du würdest mir die Jahrbücher schicken und etwas über meine Papiere schreiben. Mit dem versprochnen Briefe dürfte wol hier nichts werden. Es fehlt an Muße, Büchern und Erlaubniß den Kopf anzustrengen. Indeß bin ich doch nicht ganz müßig und ich hoffe euch manches mitbringen zu können, was euch vielleicht freut. Es sind freylich nur Früchte einzelner Augenblicke – unter andern Titel eurer Fragmente. Es könnten auch noch zu einigen Vorreden hinzukommen – denn man muß sie, als Bücher behandeln und das Fehlende ergänzen. An einer Kritik derselben sammle ich. Sonst sind die Frauen, die xstliche Religion und das gewöhnliche Leben die Centralmonaden meiner Mediationen. Für das letzte versprech ich mir insbesondre Deinen Beyfall – weil ich hier einen ganz neuen Standpunct gewonnen zu haben glaube. An Meister fehlt mir viel. In meiner Philosophie des täglichen Lebens bin ich auf die Idee einer moralischen / im Hemsterhuisischen Sinn / Astronomie gekommen und <habe> die interessante Entdeckung der Religion des sichtbaren Weltalls gemacht. Du glaubst nicht, wie weit das greift. Ich denke hier, Schelling weit zu überfliegen. Was denkst Du, ob das nicht der rechte Weg ist, die Physik im allgemeinsten Sinn, schlechterdings Symbolisch zu behandeln? Auf diesem Wege denk ich tiefer, als je, einzudringen und aller Campanen und Oefen entübrigt zu seyn. Wenn man hier nach Gefallen lesen und schreiben könnte, so ließe sich hier viel machen. Der Ort ist sehr angenehm. Die Gegend ist die Schönste, die ich sah. Einige angenehme englische Gärten sind dicht an der Stadt. Man sieht viele Menschen, ohne von Ihnen gedrückt zu werden. Eine interessante Bekanntschaft hab ich noch nicht gemacht. Meißner ist hier, aber höchst gewöhnlich, soviel mir aus den wenigen Worten, die ich mit ihm wechselte, hervorgieng. Die Levi hab ich noch nicht kennen gelernt.
Schreib mir bald von den Deinigen – Grüße Sie alle herzlich – erinnre an den Roman in meinem Namen. Inliegende Briefe bitt ich Dich so schnell, als möglich zu besorgen – ich habe Sie eingelegt, weil jeder einzelne Brief von hier an die sächsische Grenze allein schon 10–12 Kreutzer kostet. Was Du auslegst, werde ich Dir wieder zustellen. Lebe wohl –
Dein
Freund v Hardenberg
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 20. Juli 1798
  • Sender: Novalis ·
  • Recipient: Friedrich von Schlegel ·
  • Place of Dispatch: Teplitz · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 152.
Language
  • German

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