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Friedrich von Schlegel to Novalis

Ich habe so immer von einem Posttage zum andern auf das Exemplar von den Jahrbüchern gewartet, und damit mußt Du mein Stillschweigen entschuldigen.
Unger schreibt mir: „Ueber einige Aeußerungen in Glauben und Liebe soll der König etwas verdrießlich gewesen seyn. Er hat gesagt: ,Von einem König wird mehr verlangt als er zu leisten fähig ist. Immer wird vergessen daß er ein Mensch sey. Man solle nur einem Mann, der dem König seine Pflichten vorhält vom Schreibepult zum Thron bringen und dann wird er erst die Schwierigkeiten sehen die umgeben und die nicht möglich zu heben sind.‘ – Er hat durch den Minister Schulenburg den Verfasser wissen wollen. – Im Allgemeinen wird dieser Aufsatz bewundert. Jedermann ist damit zufrieden.“
– So weit Unger. Nun noch eine allerliebste Anekdote aus einer andern Quelle. Der König hat den Glauben und Liebe gelesen aber nicht verstanden, und daher dem Obristlieutenant Köckeritz Ordre gegeben, ihn zu lesen. Weil dieser ihn aber gleichfalls nicht verstanden, hat er den Consistorialrath Niemeyer zu Rathe <gezogen>. Dieser hat auch nicht verstanden, worüber er höchlich entrüstet geweßen und gemeynt hat, es müsse gewiß einer von den beyden Schlegeln geschrieben haben. Es ist nämlich für ihn wie für mehrere Philister Axiom: Was man nicht versteht, hat ein Schlegel geschrieben.
Du wirst Dir nun schon aus diesen zwey Seiten das Wahre und das Rechte zu nehmen wissen, und die Philosophie kann immer dem König ein Beyfallszeichen <decretieren>, daß er ihre Vorschläge wenigstens mit Ernst in Ueberlegung nimmt. Es erhellt daraus, daß die litterairische <und intellektuelle> Mediocrität des königlichen Geistes nur zufällig ist. Aber freylich dürfte sie in einer so guten Schule bald fest werden.
Von Deiner ungewöhnlichen Ansicht des gewöhnlichen Lebens erwarte ich sehr viel, so wie auch davon, daß Du die Religion und die Physik in Contact setzen willst. Das Wie des letzten Unternehmens ist mir in den kurzen Worten Deines Briefs nicht klar geworden. Sehr klar aber ist mir der Galvanismus des Geistes, und <auch> in der Theorie der Zauberey ahnde ich viel, und daß der Weg dahin nur die Geheimnisse der Berührung geht. Ich bin eine grammatische Natur und verstehe Dich besser geschrieben als sprechend. Ich muß Dir nur hiemit declariren, daß ich gesonnen bin, auch über den Mittelpunkt Deiner Philosophie eben so absolut und kategorisch wie Brown und Fichte anfingen, mit Dir in Correspondenz zu seyn. Du scheinst zwar zu glauben, daß Deine Hauptidee nur in einem Roman mittheilbar sey. Das gebe ich bis auf das nur zu, denn sie dürfte wohl auf unendlich viele Weise mittheilbar seyn, und würde am Ende nicht eine solche Corresp.[ondenz] ein Roman seyn? – Ich frage also an und bitte mir mit nächster Post zu antworten: ob ich Dir einen <zu> druckenden Brief über das All Deiner philosophischen Angelegenheiten schreiben darf, und sicher auf Antwort rechnen kann? Ich beziehe mich dann auf Deine Papiere und brauche vieles davon. Die Form ist absolut frey, und Du kannst also immer über einiges schweigen. Ich würde dann nur noch den Baader ansehen und dann sogleich zuerst an Dich schreiben; und ich denke meine Briefe sollten Hände und Füße haben. Es würde mir sehr wohlthätig und höchst interessant seyn, so aus dem Innersten heraus mit Dir zu philosophiren. Aber wenn wir nur so an der Oberfläche wegspielen wollten, und Deine Hauptidee liegen lassen, so wäre die beste Freude weg. Ich werde mit großer Begeisterung arbeiten, wenn Du [auf] meinen Plan eingehst.
Schleiermacher nimmt sehr warmen Antheil an Dir und grüßt Dich herzlich. Es wäre mir wohl so lieb Euch in Contact zu bringen, wie die Religion und die Physik.
Auf die Kritiken der Fragm[ente] freuen wir uns sehr. Sie geben <uns> oft Incitamente zur Symphilosophie. Mach nur, daß Du bald wieder einstimmen kannst. Das letzte Wiedersehn hat mir noch gar nicht Genüge geleistet. In der Mitte der Tafel bekomme ich erst den rechten Appetit. Das erste ist mechanischer und Befriedigung des Bedürfnisses. –
Wie es mit der Töplizer Reise steht, mag Caroline selbst schreiben.
Alle grüßen Dich herzlich auch Charlotte. Empfiehl mich den Deinigen, und vergiß ja nicht daß Müßiggang gesunder und heilbringender ist als Eger und Pyrmonter.
Ich umarme Dich herzlich.
Friedrich Schlegel
Schulenburg hat sich recht angelegentlich bei U.[nger] nach d.[em] Verfasser erkundigt. Die Sache macht Aufsehn. Aber Dein Geheimniß ist wohl verwahrt geblieben.
  • Schlegel, Friedrich von  Nicht-Briefsendung  sich entschuldigen  Novalis
  • Schlegel, Friedrich von  Buchsendung  erwarten  Jahrbücher der preußischen Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms III.
  • Unger, Johann Friedrich Gottlieb  Brief  senden  Schlegel, Friedrich von
  • Friedrich Wilhelm III., Preußen, König  negativ bewerten  Novalis: Glauben und Liebe oder der König und die Königin
  • Niemeyer, August Hermann   Autorschaftsattribution  Novalis: Glauben und Liebe oder der König und die Königin
  • Niemeyer, August Hermann   Autorschaftsattribution  Schlegel, August Wilhelm von
  • Niemeyer, August Hermann   Autorschaftsattribution  Schlegel, Friedrich von
  • Schlegel, Friedrich von  Publikation  planen  Novalis
  • Schleiermacher, Friedrich  Anteilnahme  ausdrücken  Novalis
  • Schleiermacher, Friedrich  grüßen  Novalis
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  • Schlegel, Friedrich von  Begegnung  anregen  Novalis
  • Böhmer, Auguste  grüßen lassen  Schlegel, Friedrich von
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  • Böhmer, Auguste  grüßen  Novalis
  • Schelling, Caroline von  grüßen  Novalis
  • Schlegel, August Wilhelm von  grüßen  Novalis
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Novalis
  • Ernst, Charlotte  grüßen  Novalis
  • Unger, Johann Friedrich Gottlieb  Schweigen  Novalis
  • Böhmer, Auguste  Schweigen  Novalis: Glauben und Liebe oder der König und die Königin
Metadata Concerning Header
  • Date: Ende Juli 1798
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Novalis ·
  • Place of Dispatch: Dresden · ·
  • Place of Destination: Teplitz · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 154‒156.
Language
  • German

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