Single collated printed full text with registry labelling
TEI-Logo

Friedrich von Schlegel to Auguste Böhmer

Ich freue mich sehr, daß Henriette so durchaus nach Jena kommen soll: theils weil ich desfalls hoffe, sie wird auch kommen (wenigstens werde ich ihr diesen Nachmittag, mit Deinem liebenswürdigen Brief in der Hand, eine nachdrückliche, begeisterte und höchst erschreckliche Standrede halten); theils weil, gewaltig Wollende! [Du] so schöne Anlagen verräthst, Dich dereinst im Kriege als Feldherr, im Frieden als Gesetzgeber auszuzeichnen.
Wenn es aber doch nicht geschehe, meine positive Freundin, was Du willst und befiehlst, so wirf darum ja keinen Haß und noch weniger Mistrauen auf Dich selbst und die Allmacht des Willens. Dann ist es bloß ein Misverständniß zwischen Deinem Willen und dem Schicksal. Das lezte hat den ersten dann nur nicht verstanden, sonst hätte es ihm gewiß gehorcht.
Ich möchte es wohl sehn, wie Tischbein so ein kluges Kind gemahlt hat; gewiß anders wie die Alberti, die sich nicht unschuldig und nicht ziegelroth genug machen konnte. Das einzige, was mich tröstet, daß ich Dein Bild nicht bekomme, nicht bekommen darf nach dem Beschluß Deiner weisen Gerechtigkeit, ist nicht etwa, daß es bey dem Bilde der Mutter bleiben soll und muß, sondern der Umstand, daß ich es eigentlich nicht brauche. Ich bin von der Natur mehr bestimmt, Gemählde zu geben als zu nehmen. Denn innerlich mahle ich gewiß wenigstens so gut, wie Tischbein äußerlich. Ich denke und sehe meine Freunde und Freundinnen im Geiste so klar und lebendig, daß ich bey einem Bilde nur verliehre. So habe ich Dein Bild auch in mir gegenwärtig genug, aber komme doch nur ja bald her, damit ich die Copie wieder mit dem Original vergleichen und sie retouchiren kann: denn ich fürchte, Du wirst wieder ein gutes Stück herausgewachsen seyn. –
Die Veit grüßt Dich vielmahls, Henriette habe ich gestern nicht gesehn.
Dein Friedrich.
  • Schlegel, Friedrich von  Begegnung  sich freuen  Mendelssohn, Henriette
  • Schlegel, Friedrich von  loben  Böhmer, Auguste
  • Schlegel, Friedrich von  erfragen  Tischbein, Johann Friedrich August: Porträt von Auguste Böhmer
  • Schlegel, Friedrich von  Porträt  verspotten  Alberti, Maria
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen  Böhmer, Auguste
  • Schlegel, Dorothea von  grüßen lassen  Schlegel, Friedrich von
Metadata Concerning Header
  • Date: November 1798
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Auguste Böhmer ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 191.
Language
  • German

Basics · Zitieren