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Friedrich von Schlegel to Caroline von Schelling

Berlin den 19ten Febr.
Gestern war hier Piccolomini! aber nicht für mich, vielleicht noch nicht so bald. Ich lebe und webe ganz in der Lucinde und begnüge mich vor der Hand mit Ihrer Darstellung des Weimarschen Darstellens, da diese ohnehin potenzirter ist als das Stück selbst. Sie haben mir große Freude damit gemacht, und ich wollte, ich könnte Ihnen lohnen. Aber heute ist mir alles schief gegangen: die Bogen vom Don Quixote habe ich nicht erhalten, von den Aushängebogen des Athen.[äums] fehlt mir auch noch der 10te und mit diesem der Schluß Eurer Gemählde. Darum schicke ich lieber beydes erst künftigen Posttag, und dann vielleicht auch eine Fortsetzung der Lucinde, wenn Henriette Zeit haben wird, denn Doroth.[ea] ist mit der einen Abschrift beschäftigt und arbeitet auch schon am Faublas, den wir für Fröhlich übersetzen und umarbeiten.
Schl.[eyermacher] ist jezt in Potsdam in Amtsgeschäften und ich also bey mir allein. Er wird wohl bis Ostern da seyn müssen, und ist auch allein da, die Religion ausgenommen. Die wird so gedruckt wie der Fürstenspiegel und wir thun also das unsrige für die neuen Lettern.
Religion ist übrigens nicht viel darin, außer daß jeder Mensch ein Ebenbild Gottes sey, und der Tod vernichtet werden soll. Indessen ists doch ein Buch wie mein Studium der alten Poesie, revoluzionär und der erste Blick in eine neue Welt. Ich glaube, Ihnen wird es wohl gefallen: denn es ist gebildet und fein, ein classischer Essay!
Sie werden nun schon wissen, daß es ein Misverständniß ist mit den Reptilen [so!] und daß Ihr Lucinden und die Novellen, die ich ins Athen.[äum] geben will, in Eins gemischt. Die werden wenn Gott will durch und durch witzig seyn, und brauchen es nicht für einen Raub zu achten, wenn sichs grade trifft, solche Personalitäten auszuhauen wie etwa Tieck in der classischen Mühle des guten Geschmacks. Nun schreibt mir also von neuem Eure provisorische Meynung in Rücksicht auf das Athen.[äum], bis ich schicke. Ich bin bald so weit in der Luc.[inde] – daß ich mit ganzem Ernst fürs IVte Athen[äum] arbeiten kann. –
Der Fürst Reuß ist gestorben und hat zuvor noch declarirt, daß er mit Marianne <heimlich> verheyrathet war. Ich habe sie noch nicht gesehn, sie ist unwohl und fast krank. Hoffentlich ist alles gründlich und rechtlich gemacht und sie hat reichlich zu leben. Dann zieht sie wohl zu Euch nach Weimar, denn hier möchte es sie doch in Verlegenheit setzen daß sie nun Durchlaucht ist.
Herrlich, göttlich und mehr als göttlich ists, daß Sie so entschlossen sind, nach Berlin zu kommen. Thun Sie’s doch nicht, so verpfände ich Haus und Hof und komme zu Euch. – In dieser Rücksicht ists auch gut, daß Sie der alten Bestie so artig geschrieben haben. Mich verdroß es nur, daß der Brief außer seiner Artigkeit auch noch schön war, und daß sie noch oben drein ein so schlechtes Buch darin in Protection nehmen, das es <fast> so wenig verdient, wie die Ungeheuern Ihre Briefe. Indessen nehmen Sie das nicht so schwer. Schreiben Sie nur <lieber nichts>, aber kommen Sie auch, c’est le principal.
Auf die Elegie freue ich mich unaussprechlich. Sie wird recht sehnsuchtsvoll erwartet, denn ich rede allermeist davon. Die Gedichte aus dem Griechischen schicke Wilh.[elm] recht bald; das ist gut und köstlich. Gegen die οαριστυς kann ich nichts haben fürs Athen.[äum]: überlegen Sie es also mit W.[ilhelm]! Warum denn nicht? – Reichards sieben Töchter brauchen uns ja nicht zu lesen.
An Fichte schreibe ich mit nächstem; auch an Schelling der mir seine Naturphilosophie versprochen hat.
An dem Aufsatz von Hülsen haben wir, glaube ich, ein Juwel. Es ist eine heilige Schrift im eigentlichen Sinn. Dessen Religion von Familie, von Eltern und Kindern gefällt mir doch besser wie Schl[eyermacher]’s um so mehr, da er nicht weiß daß es Religion ist. Auch ist mehr Nerv und Nachdruck darin, als wenn Schl.[eyermacher] so umherschleicht wie ein Dachs um an allen Subjekten das Universum zu riechen.
Viele viele Grüße und alle Freundschaft an Auguste und Wilhelm. Alles andre nächsten Posttag. <Doroth.[ea] und Henr.[iette] grüßen was sie können.>
Friedrich.
<Fröhlich wünscht sehr, daß das IVte Stück des Athen.[äums] bald erscheine. Elegie, Elegie!!>
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Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 19. Februar 1799
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 230‒232.
Language
  • German

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