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Friedrich von Schlegel to Caroline von Schelling

Mit Ihrem Antheil und Urtheil über die Lucinde bin ich sehr zufrieden, und ich will Ihnen unter uns gestehn, daß mir vor der Hand Ihr Beyfall mehr als W[ilhelm]s am Herzen lag. Besonders das Anerbieten einen Brief dazu zu geben, wirft auf Lob und Tadel ein schönes Licht. Ich kann es für den Ilten Band mit Freuden annehmen, wenn <Sie> Sich einige Personen, Lokale u.s.w. geben lassen wollen, wobey Sie aber doch sehr viel Spielraum behalten sollten. – Sehn Sie, das Haupt- und Mittelstück des ersten Bändchens sind Lehrjahre der Männlichkeit, wenn auch nicht eigentliche Geschichte, doch reine Darstellung (die sind nun fertig). Das Gegenstück im zweyten sollten Weibliche Ansichten <seyn>; vielseitige Briefe von Frauen und Mädchen verschiedner Art über die gute und schlechte Gesellschaft. Darstellung der Gegenwart, denn Bekenntnisse über die Vergangenheit scheinen mir weniger weiblich, und ich zweifle, ob es Lehrjahre der Weiblichkeit giebt. Ich würde mir so lange übel mitspielen, bis ich auch in Styl und Farbe der Darstellung einen deutlichen Anstrich von Weiblichkeit herausbrächte; indessen muß die Kunst hier immer gegen die Natur stark zurück bleiben. –
In der Juliane hätten Sie eben nicht Sich, aber doch Ihr Urtheil wohl erkennen können, denn Sie haben es mir selbst von neuem geschrieben. – Zu wenig Poesie und zu viel Liebe. Auch den <jungen> Roman mit der Maske hätten Sie leicht für den gegenwärtigen erkannt, wenn Sie nicht einmal festgesetzt seyn, es sey kein Roman. Die Lehrjahre sind es doch auch schon nach den ganz gewöhnl.[ichen] Begriffen. Und wenn die drey andern da sind, wird vollends kein Zweifel bleiben. Der Ritter ist der Faust, den ich bald schreiben kann. Und darin, daß diese vier zusammen gehören, liegt denn auch die letzte Entschuldigung für die Bekanntmachung. Denn übrigens kann ich Ihnen nichts entgegensetzen, als daß <das>, was Sie noch nicht kennen, bald sapphisch, bald cynisch, oft beydes <gleich sehr> ist, noch mehr als das Bisherige. Und also bliebe die Frage nach jenem Fragment unentschieden. Denn wenn ich eine große Distinction machte zwischen einem Sapphischen Gedicht und einem Roman, das würden Sie doch nur für Sophisterey halten.
Ueber Treue und Scherz sind die Stimmen hier so einig, daß ich Ihr Urtheil fast anticipiren kann. Indessen verspreche ich Ihnen, daß auch in das erste Bändchen auch noch ein guter Dialog kommen soll.
Nun schreiben Sie mir auch über die Elegie, und zwar mit Religion. Was können die Menschen nun sagen, die in W.[ilhelm] kein Genie anerkennen wollten, und die auch mir keins gelassen hätten, wenn ich sie nicht von Zeit zu Zeit mit der Faust ins Auge geschlagen hätte? Schreiben Sie mir von W[ilhelm]s weitern elegischen Ideen. Er läßt sich nicht gern herab von Projekten zu reden. Aber ich mags doch gern wissen. – A propos daß Sie es nun noch für möglich hielten, daß Bött.[iger] und Jen.[isch] in der Lucinde erwähnt würde, war doch stark! –
Henr.[iette] hat auch bis zu den Lehrjahren gemeynt, es sey kein Roman, sondern Romanenextract, woraus nun jeder selbst welche machen könne. Ich schreibe Ihnen diese Sirenie nur, weil sich W.[ilhelm] unterstanden hat anzudeuten, Lucinde sey ein verzognes Kind von Dor.[othea] allein. –
Uebrigens empfing ich W[ilhelms] Elegie an einem Abend, wo ich schon krank war, und die schlaflose Nacht darauf war sehr poetisch. Ich habe damit ein fünf Tage verloren, und nachher hatten wir einen Besuch von dem Eduard, den Dor.[othea] liebte, und den ich schon aus seinen Briefen interessant fand. Er ist es sehr und auch liebenswürdig. Uebrigens aber was man einen Aventurier nennt: er sieht ziemlich so aus wie der Sauvage von Rousseaus Discours sur l’inegalité, der in die Wälder zurückflieht. Er kam eben von Maynz, wo er mit Rebmann in Verkehr gestanden. Er hatte eine Zeitlang unter der pohlnischen Legion in Italien gedient, und sieht ganz so aus, als müsse er in Frankreich sein Glück machen. Aber er ist von denen, die nie Geduld haben bis ans Ende klug zu seyn. Er ist nun fort nach America, wohin denn auf diesem wunderlichen Wege auch W.[ilhelm]s Shakesp[ea]r und das Athen.[äum] gelangt. Indessen lange wird er wohl nirgends bleiben. – Sie wußten seit drey Jahren nichts von einander und ihm war alles neu. Er hat sich dabey sehr fein und schicklich und doch sehr offen genommen. Nicht so gut gings mit Henriette. Diese hat vor Zeiten auch tiefer als billig mit ihm coquettirt, und so hat ihr das Wiedersehen wohl eher eine unangenehme Empfindung gemacht.
Nun noch ein wichtiger Punkt. Ich habe die gräuliche Katze einigemal besucht; aber nicht erfahren, was sie Ihnen in Rücksicht des Kommens geschrieben; und sie zu fragen, den Gefallen wollte ich ihr nicht thun. Laden sie Euch nicht sehr ein, so nehmt es doch an bey der Veit zu wohnen, die noch in diesem Monat ein anständiges und geräumiges Logis bezieht. Sie würde sich unmäßig freuen, wenn es geschähe, und ich auch. Schleiermacher, Tieck und manche andere könntet Ihr da weit besser genießen als in der foule bey Ungers. Mit Iffland müßte es sich eben so gut machen, und wenn er an dem frugalen Tisch die Ungerschen Fleischtöpfe nicht vermißte, so erhalten Sie einen neuen Beweis von seiner Aechtheit; oder wollen Sie es darauf nicht ankommen lassen? – Manchen Luxus würden Sie auch entbehren, aber dagegen auch manchen Ennuy. Denken Sie Sich nur, es ist doch hart für Sie besonders, bey so einer gräulichen Katze zu wohnen wie die Alte ist. Ifflands sind überdem mit U.[nger], d.h. mit der Katze jetzt nichts weniger als gut.
Noch ein Wort über Romane. Wenn ich glaubte, Sie könnten nur den einen schreiben, den Sie der Welt nachlassen wollen; so hätte ich Unrecht diesen noch bey Lebzeiten zu fordern. Aber das ist es eben, daß ich überzeugt bin, Sie würden mehr als den einen schreiben, wenn der nur erst heraus wäre. –
Grüßen Sie mir Augustinchen, und wenn Sie noch etwas Freundschaft für mich hat, so erhalten Sie sie mir mit mütterlicher Sorgfalt.
Bald hätte ich das Reale gar vergessen. Ich habe den Rest des Honorars fürs Athen.[äum] in Cour.[ant] erhalten; Fröhlich ist aufs Assigniren noch gar nicht eingerichtet. W.[ilhelm] wird daher auf dem vorigen Wege durch den Bruder der Levi 5 L[ouis]d[o]rs erhalten. Der L[ouis]d[o]r zu 5 ⅔ Thl. – Das sind dann 2 Thl. 5 gr mehr, als er bekommt. Die sind dazu, daß Ihr die [Seife?] bezahlt. Den fehlenden Gulden zahle ich hier noch.
Woltmann, so scheint es, will nicht weichen und wanken von dar.
Was macht Schelling und seine Naturphilosophie, die er mir schicken wollte? –
Kürzlich habe ich außer den anderen Unglücksfällen auch noch einen Paroxysmus von Denken gehabt, woran <W[ilhelms] Elegie> und Schleiermachers Religion <Schuld> ist. Die lezte wird so subjectiv wie die erste classisch <ist>. Es thut Noth, daß ich einmal wieder recht loslege und Objektivitätslärm schlage. Die Bönhasen machen es zu arg.
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  • Schlegel, Friedrich von  erfragen  Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Einleitung zu dem Entwurf eines Systems der Naturphilosophie
Metadata Concerning Header
  • Date: Spätmärz 1799
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 252‒255.
Language
  • German

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