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Dorothea von Schlegel to Caroline von Schelling

den 26ten Merz
Freilich stehen die Sachen ganz anders als wir sie uns hier dachten; aber wer hat das vermuthen können? Dieses mahl lieben Freunde wäre es nicht gerecht, wenn wir jemand sein Verwirrungsrecht im Spiel glaubten! Friedrich mußte das Aergste vermuthen; weder Herr, noch Madame Unger haben ihn über ihre Entschlüße das geringste mitgetheilt, und fragen konnte er auch wohl noch nichts, weil er sie nimmer allein fand. Friedrich hat doch wirklich nichts unterlaßen um sich Herrn Unger freundlich zu erhalten, aber Madame Unger hat sich über die Gebühr unartig gegen ihn genommen. Sie hat ihn diesen Winter nicht ein einzigs mal zu Tisch gebeten, und er ist doch fünf bis sechs mahl dort gewesen, weil diese <Zeit> die einzige war, in der er Ungern zu sehen hoffen konnte; übrigens fand er meistens nur sie, und so oft er sich auch gegen sie beklagte; daß er ihren Mann nie fände, und die Zeit bestimmt haben wollte in der er ihn sprechen könnte, so ist doch niemals etwas von Seiten Ungers darauf erfolgt; dies ist doch ein großer Beweiß, daß sie niemals den Auftrag ausgerichtet hat. Wie soll er sich nun dabey nehmen, da es doch so nothwendig ist, daß er wenigstens auf einen halb freundlichen Fuß mit ihnen bleibt, da Sie nun bey ihnen wohnen werden? Darf er so wie er es wünscht denn immer um Euch seyn und Mittag und Abend in Eurer Gesellschaft seyn, wenn jene ihn gar nicht dazu einladen; er wollte Ungern schreiben, und ihn freundliche Vorwürfe machen; aber dies kann von sehr unangenehmen Folgen seyn; er darf von dem eigentlichen Verhältniß, oder Mißverhältniß sich gar nichts merken laßen, wenn er den guten Unger nicht betrüben will; und doch bleibt ihn beynah kein andrer Weg offen; denn an Madame Unger zu schreiben, so wie er es anfänglich wollte, dazu kann man doch wohl nicht rathen? – Rathen Sie uns doch lieber Schlegel! – freylich gehört dies mehr für Carolinens Richterstuhl; aber Sie kennen das Locale! – Das mit der Gartenwohnung kann ich mir nicht so schrecklich denken, denn ich glaube nicht daß Madame Unger die Idee hat Sie alle zusammen in den kleinen Gartenzimmerchen zu drängen (dies wäre freylich eine Unmöglichkeit) aber wahrscheinlich hat sie den Plan noch einige Zimmer dazu zu nehmen, was sie leichtlich machen kann, da viele Zimmer in dem Hause sind; dann wäre es doch recht gut, bis auf die ewige Nähe! aber diese können Sie nicht ausweichen, auch wenn Sie die Stadtwohnung vorziehen, denn sie zieht gewiß während dieser Zeit auch wieder zur Stadt, um Sie recht zu genießen! Sie sehen wie nothwendig es ist, daß man vorher erfahre, wie sie es mit der Gartenwohnung meynt, damit Sie Ihre Wahl darnach bestimmen könnten; aber sie läßt sich nichts merken, man kann nichts erfahren, am sichersten für Ihre Bequemlichkeit ist also wohl, wenn Sie die Stadtwohnung vorziehen, aus irgend einer Ursache, – Theater – kurz was sie wollen. Friedrich findet seinen Einfall mit der Chambre garnie noch immer vorzüglich, aber ich bin nicht ganz seiner Meynung; würden Sie diese beßer annehmen können, als mein Haus? Sie hat Ihnen doch immer noch keine Ursache gegeben Ihr Versprechen nicht zu halten! Zu Ungers müßen Sie nun einmal, und ich hoffe noch immer, daß sich in dieser großen Zwischenzeit wohl noch ein Weg finden wird, um das gute Vernehmen auch mit Friedrich wieder herzustellen. – Belohnen Sie mich für meine Resignation lieben Freunde, halten Sie Wort, so viel Zeit für unser Beysammen seyn zu gewinnen als möglich! – Das Wetter muß entscheiden ob wir Ihnen nach Potsdam entgegen fahren, oder Sie bis dorthin zurük begleiten; denn zu Potsdamms Herrlichkeiten gehört auch die niedliche Gegend, die wir in Berlin doch nicht haben; auch muß die Revue und das Mannövriren vorüber seyn, sonst ist alles voller Fremde und Soldaten, und man bekömmt schwerlich ein ordentliches Quartier. Doch wünschten Sie es etwa mit anzusehen, so können wir, wenn es einige Tage vorher bestellt wird doch auch haben. Bei diesen Mannövres hätten Sie die beste Gelegenheit die schöne Königinn zu sehen. – Henriette kömt wahrscheinlich von Leipzig aus zu Ihnen, sie hat Ihnen ja wohl neulich darüber geschrieben; ich sehe sie jezt seltener, als ich es wünsche, Ihre Grüße, und Theilnahme werde ich ihr mittheilen, so bald ich sie sehe. Sie werden in Friedrichs lezten Brief nicht auf den Ihrigen gehörige Antwort gefunden haben, er hat ihn aber erst den Tag nachher im Manuscript gefunden das Sie ihm zugeschickt hatten. – Seyen Sie nicht ungeduldig daß Sie noch keine Lucinde wieder erhalten haben; aber Friedrich meynt, es wäre wohl beßer, noch zu warten, bis die Sendung recht ansehnlich werden könnte. Besonders die Lehrjahre dürfen nicht zerstückt werden. Schön haben Sie gestrichen liebe Caroline! Daß hoffte ich gleich, und darum mußte es Ihnen zugeschickt werden, darum schrieb ich es in aller Eile ab, wie Henriette nicht mehr Zeit dazu hatte. Daß der Druck nicht immer weiter ging, konnte ich nicht verhindern, aber er wird nach Ihrer Veränderung wieder umgedruckt. – Wie schön haben Sie es beschrieben, wie es einem geht mit dem tadeln und ändern und streichen! geht es Ihnen gar so, was sollte ich mich beklagen. Ich, mit meiner Unerfahrenheit, und Ungeschick! ich werde Ihnen, wenn wir uns sehen, recht viel Noth und auch manchen Spaß erzählen – aber Ihre Aenderungen und des Bruders Tadel hat er doch recht gracieus aufgenommen, nicht wahr? – O ich hoffe Sie sollen doch Ihre Freude am Lucindchen erleben, wenn Sie nur erst mehr davon gelesen haben. Mich liebe Caroline klagen Sie wegen einzelner Stellen nicht weiter an, meine Rechtfertigung steht im Buche selbst, in der dithyrambischen Fantasie; auch getrau ich mir zu behaupten, daß es doch für die meisten Einwürfe, seine Rechtertigungen enthält. 4 ungeleckte! Bären! – Lieber Schlegel, soll ich Ihnen die schenken? Nein, nicht, und wenn Sie noch dreimahl witziger wären. Hätte ich nicht so entsezlich viel Respekt – ich wollte schon etwas drauf sagen; aber ich denke, so Gott will soll der Respekt sich wohl legen; wenn nicht eher, so geschieht es gewiß, wenn ich nach Jena komme. – Liebe Caroline, mit diesen Antrag, sind Sie meinen Wünschen zuvorgekommen! – ich wünsche recht sehr, einmal eine Zeit lang mit Ihnen leben zu können! – Art und Weise wollen wir mündlich verabreden. Ich hielt die Schwierigkeiten für unüberwindlich, und wollte meinen Wunsch gar nicht laut werden laßen; aber nun Sie es für thulich halten, so habe ich wieder Muth zur Ausführung des großen Plans bekommen. In Berlin kann ich aus vielen Gründen nicht immer leben; wo könnte ich lieber seyn wollen als bey Ihnen, mit Ihnen. Und welches Heil für Friedrich! – Sehen Sie Liebe wenn es wahr ist, was Sie vom Friedrich sagen: daß er nemlich seine Freunde verläumdet, und die ihn in diesem Augenblick am nächsten ist nicht, so <wäre> es ja nur <aus> Liebe zu seinen Paradoxien, oder er findet hier mehr zu entschuldigen: Aber im Ernst sollten Sie nicht länger an diesen Verläumdungen nur glauben. – Habe ich früher nichts gethan, <mich Ihnen zu nähern> so war es meiner eignen Ungeschicklichkeit zu zu schreiben; nun ich es aber einmal gewagt habe, und Sie mich so gütig aufnahmen, so gebe ich mich Ihnen ganz mit ungetheiltem Vertrauen. – Ich schreibe Ihnen nächstens wieder. Da kommen nun eine Menge Menschen und erwarten meine Ordres wegen des Umziehens, das nun zu unsrer Freude in diesen Tagen geschieht, und ich bin recht damit beschäftigt. Leben Sie wohl.
Dorothea.
Ich grüße Augusten. will sie denn mit der ältern Schwester auch gar nichts zu schaffen haben?
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 26. März 1799
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 255‒257.
Language
  • German

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