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Friedrich von Schlegel to Caroline von Schelling

an Caroline.
Ich bin sehr dankbar, daß Sie mir so weitläufigen Bericht gegeben haben. Ich weiß, wie verdrießlich es ist, was man den ganzen Tag hören muß, noch am Ende schreiben zu müssen. Für mich war es sehr viel werth. – Wie finden Sie es, daß ich darüber etwas schreiben will? – Ich bin auch in einen ganz revoluzionären Zustand gerathen. Alle Plane sind mir zerscheitert. Es ist sehr schön von Ihnen, daß Sie uns so oft und so herzlich einladen. Wir dachten auch sehr ernstlich zu kommen, aber nicht auf so kurze Zeit. Am Logis würden wir auf den Winter etwa 30 rh. verlieren; eben so viel könnte die Fracht kosten, die Reise nicht gerechnet. Wenn Ihr also ernstlich darauf denkt, Ostern den Wohnort zu ändern, so wäre es wohl am besten, daß wir uns dann gewiß vereinigten, alles, was vorher noch geschehen kann, aber dem Zufall überließen. Ich muß doch erst erwarten, wie man meine Schrift in Weimar aufnimmt, ehe ich so mit Sack und Pack komme.
Der Brief an Voigt ist ein Fehler. Aber wenn Voigt es ehrlich mit F.[ichte] meynte, so konnte er ihm den Brief leicht zurückschicken. – Was liegt viel daran, daß er gegen solches Gewürm jetzt nach dem Gang der Förmlichkeiten ein scheinbares Unrecht hat. Es ist doch nichts, als daß er zu ehrlich war. – Sind die unvorsichtigen Redensarten bey der Schütz – ganz authentisch zu Ihnen gekommen? –
Unglaublich begierig bin ich zu wissen, wohin Fichte geht, und was er macht. In der Schweiz ist der fatale Krieg, der ihn wohl abhält. – Schelling wird doch wohl seinen Abschied nehmen? –
Nach den Andeutungen ist Goethe weder warm noch kalt, doch eher das lezte. Das möchte ich besonders gern wissen.
Sie haben Sich ja durch diese Revoluzion ganz in Forchten jagen lassen, daß Sie meynen, F.[ichte] hätte unwürdige Repressalien gebraucht? – Er ist noch sehr milde gewesen. Nicht bloß Atheisten sind die Gegner, sondern positive Diener des Satans, gegen den in Deutschland jeder Schriftsteller ein gebohrner Soldat ist.
Welche Inconsequenz in F[ichtes] Betragen reicht an die Erbärmlichkeit des Weimarschen Doch? – Philos.[ophische] Meynungen wären kein Gegenstand pp. – Doch wäre die Unvorsichtigkeit zu verweisen. Überhaupt ist es sehr klar, daß man mit herzlicher Freude den ersten den besten Vorwand ergriffen hat.
Woltmann war mit dem Gedanken hergekommen, Preußens Johannes Müller oder Spittler zu werden. Er hat den ganzen Winter intriguirt, um sich als Historiograph oder wer weiß sonst zu poussiren. Da ist also so ein Titel nicht viel mehr als eine Form des Abschlagens. – Zuletzt hat er sich an den König gewandt, er wünsche unter seinem Schutz in Frankreich und Spanien zu reisen. Darauf ist denn das erfolgt, versteht sich ohne etwas Materielles. U.[nger] ist eigentlich närrisch für und durch ihn. Das ist das Werk der alten Furie.
Das Geld habe ich heute vor drey Wochen an Levi ausgezahlt. Hoffentlich hat sichs aufgeklärt. Fröhlich hatte mirs schon gegeben. Hat er Euch doch noch welches geschickt, so kann das gleich provisorisch fürs nächste Mal gelten.
Sind Sie mit meinem Gutachten über die Hirtschen pp. Händel zufrieden? Die Stelle gegen Jenisch ist sehr schön, aber die auf Hirt nicht minder.
Eigentlich wäre es nun der Moment mit der L. Z. recht entschieden zu brechen und Hard.[enbergs] Fragm.[ent] zu gebrauchen.
Daß Goethe keinen Allm.[anach] giebt, ist ein Grund mehr für uns gleich anzufangen mit dieser Sache.
Metadata Concerning Header
  • Date: Ende April? 1799
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Caroline von Schelling ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 278‒279.
Language
  • German

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