Be. den 4ten Mai 1799.
Es ist gewiß nicht meine Schuld, daß ich ihren lezten Brief so lange unbeantwortet lies in den Sie um Henriettens Addresse <fragen> ich habe so manche theils angenehme, theils unangenehme Abhaltung gehabt, zu den lezten gehört, daß Schlegel seit länger als 14 Tagen böse Augen hatte, und ich ihn also meine Hand und Augen leihen mußte, er diktirte mir. Heute versuchte er es zum ersten male wieder selbst zu schreiben, und ich habe nichts angelegentlicheres als Ihnen gleich zu antworten; nachdem ich schon an Henrietten heute einen recht langen Brief geschrieben, die nun wohl schon in Wien angelangt seyn wird. Sie ist den 7ten April von hier weg gereißt, in Leipzig hat sie sich einige Wochen sehr ennuirt; aber in Dresden, wo sie sich einige Tage aufhielt, und mir auch von dort her schrieb, hat sie mit wahrem Entzücken geschrieben. Die Gallerie, die Gegend, und die Bekantschaft einiger sehr intereßanten Menschen, – Sie können denken was das zusammen genommen mit ihrer ganz zwanglosen Existenz, für einen Eindruck auf sie gemacht hat! Eine sichere Addresse nach Wien hat sie mir noch nicht bestimmt; ich habe aber meinen Brief an Lea Salomon gegeben, die ihn wahrscheinlich durch Henriette Arnsteiner besorgen wird. Ich dächte Sie addreßierten grade am Arnsteinischen Hause in Wien. Sollte die Addresse aber, wie ich fast fürchte, Briefe aus Paris eben nicht sicher gelangen laßen, welches Sie am besten beurtheilen werden, so schicken sie doch Ihre Briefe entweder an Madame Levin-Itzig oder an Demoiselle Lea Salomon. So wird er sicher besorgt. – Durch den Doktor Grappengießer habe ich vor einigen Wochen einen Brief von Ihnen erhalten, der schon etwas alt war, er ist vom August – der Doktor scheint eben so wenig erbaut von seinem Aufenthalt in Paris als Sie! was soll ich dazu sagen? es ist Alles gegen mich. Vergnügter macht es mich eben nicht, daß ich endlich mich soll zur Ueberzeugung nöthigen lassen. Berlin sey die beste Welt, Guter Gott! Der Glaube an einer beßeren ist gewis sehr tröstlich! – Es ist aber ein recht feiner Mann Ihr Doktor G. – ich erinnere mich, ihn schon vor einigen Jahren in Berlin gesehen zu haben; seine Reisen haben ihn munterer und geselliger gemacht als er damals war, mich dünkt er war sonst weit stiller. Er gefällt mir aber sehr wohl; es ist schade daß ich ihn nur selten sehe, ich lebe zu wenig in der eigentlichen monde, um ihn oft zu begegnen, und wohne in einer für einen Arzt zu entlegnen Gegend, als daß er mich oft besuchen könnte. Ein paßionirter Augenarzt ist er, ich glaube er kuckt jeden Menschen so durch aus scharf an, um irgend eine Staar Tendenz zu entdecken. Er hat auch Schlegels Augen in die Cur genommen. Ich werde aber recht bald Gelegenheit suchen ihn recht gründlich über meine Pariser Freunde zu sprechen. – Wie sehr bedaure ich Sie lieber Brinkmann! – Sie sind nicht gesund, nicht gern da wo Sie sind, und nun verlaßen Sie auch alle Ihre deutschen Freunde! – Jedes einzelne wäre genug um einen Langfuß zu machen, wenn man nicht wie Sie, Diplomatiker und Poet ist, um Gleichmuth und Standhaftigkeit sich zu erhalten! – Ich hoffe Sie sorgen aber doch ganz prosaisch und ehrlich für Ihre Gesundheit, ich habe noch immer den alten Glauben, daß Sie zu wenig schlafen, und sich den Verkältungen zu leicht aussetzen. wie wäre es wenn Sie in diesen beyden Stücken eine Veränderung in Ihrer Lebensweise versuchten. Gehen Sie vor Mitternacht zu Bett, aber um zu schlafen, nicht etwa um dort bequemer zu lesen! Brauchen Sie lau warme Kräuter und Stahl Bäder, und kleiden Sie sich durchaus in Flanell auf Leib und Füßen! – Da Sie sich schon so geduldig drein ergaben, ewig Ihre Kränklichkeit mit sich zu tragen, so können Sie es ja, wenn auch nur aus Nachgiebigkeit mit meiner Diätetik versuchen. Wollen Sie das thun lieber Brinkmann? ich glaube gewis es hilft Ihnen: auf Medizin halte ich nicht viel, aber auf eine eigne ausprobirte Diätetik recht viel, die man sich aber selber schaffen muß. Medizin, bey der alten fortgesezten Lebensart kann höchstens nicht schaden, aber auch gewis nicht helfen. Wollen Sie mir folgen? – Wenn Sie auch nicht in Paris leben wollen – Sterben müssen Sie aber gewis nicht dort. – Ihren Gruß von Leuchsenring habe ich mit meist grosser Freude gelesen! Grüssen Sie ihn recht herzlich von mir wieder. Freilich habe ich es niemals gewußt daß ich ihn etwas werth schien – aber er weiß es vielleicht auch nicht, daß ich ihn von meiner frühesten Jugend liebte, und ehrte. – Sagen Sie mir lieber Brinkmann ist es denn wahr was der D. Grappengießer sagt, daß er in einem so fürchtlichen Elende lebt? Schreiben Sie mir doch von ihn, ich wußte nicht, daß Sie ihn sehen, sonst hätte ich Sie schon längst um Nachrichten von ihn gebeten. – Von Merkel weiss ich nichts als daß er ein Buch über die Unterdrückung der Curländischen und Lettischen Bauern geschrieben hat, daß ihn <die> Curländischen Edelleute zu Feinde; sonst <hat er> noch allerley geschrieben, daß ihn eben niemand besonders zum Freund macht. Gesehen habe ich ihn niemals! Madame Flies ist als Baronin Boye verwandelt nach Stralsund gezogen, und bringt den Sommer in dieser Schmetterlingsgestalt dort hin. ich gönne es ihr, wenn sie glücklich ist, sie ist eine gute Frau! – Schlegels Partie will ich mich nun aber doch gegen Sie annehmen. Er hat Ihnen auf Jettens Ordre ihren Brief an Sie in dasselbe Packet gelegt, daß Vieweg an Humbold geschickt hat. Dieses Packet ist garnicht angekommen, es lagen Sachen an Humbold darin, auch Bücher, und außer Henriettens Brief noch einige an Ihnen, unter andern einer von Schleyermacher. Nun müßen Sie oder vielmehr Humbold sich deswegen an Vieweg halten. Schlegel ist ganz ausser aller Schuld, in demselben Packet glaube ich, lag auch seine griechische Poesie die er Humbold schickte, auch diese ist fort. Er grüsst Sie herzlich und bittet Sie ihn doch einmal etwas zu verzeihen, woran er nie Schuld war. Leben Sie wohl.
D. Veit.
Haben Sie das 3te Stück vom Athenäum schon gelesen?
Es ist gewiß nicht meine Schuld, daß ich ihren lezten Brief so lange unbeantwortet lies in den Sie um Henriettens Addresse <fragen> ich habe so manche theils angenehme, theils unangenehme Abhaltung gehabt, zu den lezten gehört, daß Schlegel seit länger als 14 Tagen böse Augen hatte, und ich ihn also meine Hand und Augen leihen mußte, er diktirte mir. Heute versuchte er es zum ersten male wieder selbst zu schreiben, und ich habe nichts angelegentlicheres als Ihnen gleich zu antworten; nachdem ich schon an Henrietten heute einen recht langen Brief geschrieben, die nun wohl schon in Wien angelangt seyn wird. Sie ist den 7ten April von hier weg gereißt, in Leipzig hat sie sich einige Wochen sehr ennuirt; aber in Dresden, wo sie sich einige Tage aufhielt, und mir auch von dort her schrieb, hat sie mit wahrem Entzücken geschrieben. Die Gallerie, die Gegend, und die Bekantschaft einiger sehr intereßanten Menschen, – Sie können denken was das zusammen genommen mit ihrer ganz zwanglosen Existenz, für einen Eindruck auf sie gemacht hat! Eine sichere Addresse nach Wien hat sie mir noch nicht bestimmt; ich habe aber meinen Brief an Lea Salomon gegeben, die ihn wahrscheinlich durch Henriette Arnsteiner besorgen wird. Ich dächte Sie addreßierten grade am Arnsteinischen Hause in Wien. Sollte die Addresse aber, wie ich fast fürchte, Briefe aus Paris eben nicht sicher gelangen laßen, welches Sie am besten beurtheilen werden, so schicken sie doch Ihre Briefe entweder an Madame Levin-Itzig oder an Demoiselle Lea Salomon. So wird er sicher besorgt. – Durch den Doktor Grappengießer habe ich vor einigen Wochen einen Brief von Ihnen erhalten, der schon etwas alt war, er ist vom August – der Doktor scheint eben so wenig erbaut von seinem Aufenthalt in Paris als Sie! was soll ich dazu sagen? es ist Alles gegen mich. Vergnügter macht es mich eben nicht, daß ich endlich mich soll zur Ueberzeugung nöthigen lassen. Berlin sey die beste Welt, Guter Gott! Der Glaube an einer beßeren ist gewis sehr tröstlich! – Es ist aber ein recht feiner Mann Ihr Doktor G. – ich erinnere mich, ihn schon vor einigen Jahren in Berlin gesehen zu haben; seine Reisen haben ihn munterer und geselliger gemacht als er damals war, mich dünkt er war sonst weit stiller. Er gefällt mir aber sehr wohl; es ist schade daß ich ihn nur selten sehe, ich lebe zu wenig in der eigentlichen monde, um ihn oft zu begegnen, und wohne in einer für einen Arzt zu entlegnen Gegend, als daß er mich oft besuchen könnte. Ein paßionirter Augenarzt ist er, ich glaube er kuckt jeden Menschen so durch aus scharf an, um irgend eine Staar Tendenz zu entdecken. Er hat auch Schlegels Augen in die Cur genommen. Ich werde aber recht bald Gelegenheit suchen ihn recht gründlich über meine Pariser Freunde zu sprechen. – Wie sehr bedaure ich Sie lieber Brinkmann! – Sie sind nicht gesund, nicht gern da wo Sie sind, und nun verlaßen Sie auch alle Ihre deutschen Freunde! – Jedes einzelne wäre genug um einen Langfuß zu machen, wenn man nicht wie Sie, Diplomatiker und Poet ist, um Gleichmuth und Standhaftigkeit sich zu erhalten! – Ich hoffe Sie sorgen aber doch ganz prosaisch und ehrlich für Ihre Gesundheit, ich habe noch immer den alten Glauben, daß Sie zu wenig schlafen, und sich den Verkältungen zu leicht aussetzen. wie wäre es wenn Sie in diesen beyden Stücken eine Veränderung in Ihrer Lebensweise versuchten. Gehen Sie vor Mitternacht zu Bett, aber um zu schlafen, nicht etwa um dort bequemer zu lesen! Brauchen Sie lau warme Kräuter und Stahl Bäder, und kleiden Sie sich durchaus in Flanell auf Leib und Füßen! – Da Sie sich schon so geduldig drein ergaben, ewig Ihre Kränklichkeit mit sich zu tragen, so können Sie es ja, wenn auch nur aus Nachgiebigkeit mit meiner Diätetik versuchen. Wollen Sie das thun lieber Brinkmann? ich glaube gewis es hilft Ihnen: auf Medizin halte ich nicht viel, aber auf eine eigne ausprobirte Diätetik recht viel, die man sich aber selber schaffen muß. Medizin, bey der alten fortgesezten Lebensart kann höchstens nicht schaden, aber auch gewis nicht helfen. Wollen Sie mir folgen? – Wenn Sie auch nicht in Paris leben wollen – Sterben müssen Sie aber gewis nicht dort. – Ihren Gruß von Leuchsenring habe ich mit meist grosser Freude gelesen! Grüssen Sie ihn recht herzlich von mir wieder. Freilich habe ich es niemals gewußt daß ich ihn etwas werth schien – aber er weiß es vielleicht auch nicht, daß ich ihn von meiner frühesten Jugend liebte, und ehrte. – Sagen Sie mir lieber Brinkmann ist es denn wahr was der D. Grappengießer sagt, daß er in einem so fürchtlichen Elende lebt? Schreiben Sie mir doch von ihn, ich wußte nicht, daß Sie ihn sehen, sonst hätte ich Sie schon längst um Nachrichten von ihn gebeten. – Von Merkel weiss ich nichts als daß er ein Buch über die Unterdrückung der Curländischen und Lettischen Bauern geschrieben hat, daß ihn <die> Curländischen Edelleute zu Feinde; sonst <hat er> noch allerley geschrieben, daß ihn eben niemand besonders zum Freund macht. Gesehen habe ich ihn niemals! Madame Flies ist als Baronin Boye verwandelt nach Stralsund gezogen, und bringt den Sommer in dieser Schmetterlingsgestalt dort hin. ich gönne es ihr, wenn sie glücklich ist, sie ist eine gute Frau! – Schlegels Partie will ich mich nun aber doch gegen Sie annehmen. Er hat Ihnen auf Jettens Ordre ihren Brief an Sie in dasselbe Packet gelegt, daß Vieweg an Humbold geschickt hat. Dieses Packet ist garnicht angekommen, es lagen Sachen an Humbold darin, auch Bücher, und außer Henriettens Brief noch einige an Ihnen, unter andern einer von Schleyermacher. Nun müßen Sie oder vielmehr Humbold sich deswegen an Vieweg halten. Schlegel ist ganz ausser aller Schuld, in demselben Packet glaube ich, lag auch seine griechische Poesie die er Humbold schickte, auch diese ist fort. Er grüsst Sie herzlich und bittet Sie ihn doch einmal etwas zu verzeihen, woran er nie Schuld war. Leben Sie wohl.
D. Veit.
Haben Sie das 3te Stück vom Athenäum schon gelesen?