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Dorothea von Schlegel to Carl Gustav von Brinckmann

Seit geraumer Zeit schon beruhige ich mein zartes Gewissen immer mit der wiederholten Aufforderung an Schlegel, und an Schleyermacher, „daß wir doch gar nicht länger verschieben können dem guten Brinkman zu antworten!“ Schleyermacher ich weis nicht ob durch mein öfters Mahnen bewegt oder aus Liebe zur praktischen Ausführung, oder was am wahrscheinlichsten ist, aus Oppositions Geist, geht still nach Hause, und schreibt – schreibt wirklich! und meldet mir mit großer Gelassenheit, daß ich mich zu fördern habe, wenn ich meinen Brief noch einlegen wollte. es ist höchst malicieus! – ob Sie meinen Brief vom 4ten Mai datirt durch die Levin bekommen haben weiß ich noch nicht; es stand nichts wichtiges darin, aber es wäre mir doch lieb, wenn er nicht verloren wäre, blos damit ich nicht gar zu undankbar gegen Sie erscheine, und der Zeitraum, in den ich Ihnen einst geschrieben nicht gar zu lang würde! Zugleich mit Ihren Elegièen verbreitete sich das Gerücht hier, daß Sie Chargé d’affaire geworden, weil Ihr Gesandter verreißt sei, daß Sie ungeheuer viel arbeiten müßten für freundschaftliche Correspondenz also gewis keinen Raum finden würden. Dabey konnte ich Ihnen nun gar viel Schönes sagen, wie Sie ihr Leben so schön den Musen und dem Staate zu gleicher Zeit zu widmen verstehen u.s.w. Diese an sich auch gewiß sehr paßende Sachen will ich andern überlassen, die Sie weniger lang kennen, die noch von Ihrer erstaunlichen Thätigkeit und Ihrem immer gleich lebhaften Gefühl für das Schöne, und der reizenden Art mit der Sie dieses darzustellen, und zu verewigen wissen, nicht die Proben gesehen haben, die ich mit so vielem Vergnügen sah; mich überrascht es nicht mehr! Laßen Sie mich aber Ihnen herzlich danken dafür daß Sie mir wieder einen so schönen neuen Beweis geben, daß Sie nicht aufhören <mich> zu Ihren Freundinnen zu zählen; daß Sie beym „Abdruck für Freunde“ auch an mich dachten. – Recht großen Dank für die Elegien, die einen alle gleich, durch die sanfte rührende Stimmung und durch die Wehmuth, das jugendliche Sehnen, das sich über ihnen ergießt, so anziehen, Soll ich Ihnen nun auch sagen welche Blumen mir in dem Kranze den Luise wie die Rose, beginnt und beschließt die liebsten sind? so nenne ich Ihnen eines das ganz kurz: Elegie heißt Nr. V., dann der Tausch, die Rückkehr, und an Henrietten. Schön sind freylich alle, aber diese sind mir die liebsten. Das lezte erinnere ich mich schon von Ihnen gehört zu haben, aber ich habe es mit großer Freude wieder gelesen. – Daß Fichte hier ist, hat Ihnen wohl Schleyermacher schon geschrieben. So vielen Respekt er einflößt, so finde ich ihn doch sehr liebenswürdig, er genirt weder sich noch andere, und ist gegen alle meine Erwartung sanft und <einfach>: ich habe daß Glück ihn täglich bei uns zu sehen, möchte er nur recht lange hier bleiben, und er hier die Ruhe finden, die man ihn dort entzogen hatt. – Im September werden wahrscheinlich Schlegels aus Jena zum Besuch her kommen, worauf ich mich auch nicht wenig freue. – Von Henrietten habe ich oft recht hübsche Briefe, sie fängt an sich in Ihrem neuen Zustand zu finden, und ihre Briefe werden nach und nach immer heiterer und ruhiger. Ueber Sie aber klagt sie sehr lieber B! Sie schimpft Sie einen recht schlechten Politiker (trotz Ihrem großen Ruf) daß Sie nicht einmal einen Weg erfinden können ihr einen Brief zukommen zu laßen. – ich kann nicht denken daß Sie ihr deshalb nicht schreiben; Sie können mir, oder der M. Salomon nur Ihren Brief zuschicken.
Und nun lieber Freund will ich Sie um eine Gefälligkeit ersuchen die Ihnen vielleicht weniger Mühe macht als irgend einen andern von meinen Bekannten in Paris. Nemlich: gieng es wohl an, daß Sie mir eine Uebersetzung zu machen, verschaffen können? Ich habe viel Zeit, wenig Geld, und gute Freunde die mich in der Arbeit unterstützen, und durch deren Hülfe meine Uebersetzung gewiß nicht schlecht werden kann. Es müßte aber ganz etwas neues seyn was eben erst in Paris herauskömt, damit meine Uebersetzung zugleich hier angekündigt werden kann. Es kann mir allenfalls Bogenweise zugeschickt werden – doch das Urteil dieses Auftrags überlasse ich Ihren Einsichten. Außer im mathematischen und physikalischen Fach mag es übrigens seyn was es will, nur freilich nicht wie es will; denn <vor> der Uebersetzung eines schlechten Buchs bekomme ich einen kleinen Schauer. Doch wie gesagt alles Uebrige Ihrer Einsicht! – ich wünschte herzlich Sie reüßirten für mich; denn es ist nothwendig das ich arbeite, und grade dies ist bey meiner Lebensart, und meiner Situation am schicklichsten. – Ich darf Sie wohl nicht erinnern, daß diese meine Bitte zugleich ein Geheimniß ist? Sagen Sie es niemand, besonders dann nicht wenn Sie nicht reüßiren. Nehmen Sie sich meiner ein bischen an lieber Brinkmann! es fehlt mir nicht an Fleiß und Eifer zur Sache, aber diese muß nothwendig in Frankreich betrieben werden denn so bald die französischen Sachen erst fertig her kommen, so wird auch gleich die Uebersetzung angekündigt, und für jemand der mit den Wegen unbekannt ist, ist es nicht möglich heran zu kommen. Verzeihen Sie meine Zudringlichkeit sie folgt oft dem Vertrauen auf dem Fuße nach und man kann sie nicht trennen. Grüßen Sie Humbolds, und geben Sie mir Nachricht von ihnen.
Wenn Sie meinen Bruder sehen, so grüßen Sie ihn nicht von mir, aber schelten Sie ihn tüchtig. Er soll bewundernswürdig liebenswürdig geworden seyn erzählt man mir!
D. V. M.
Metadata Concerning Header
  • Date: Juli 1799
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Carl Gustav von Brinckmann ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Paris · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 301‒303.
Language
  • German

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