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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena den 20ten Sept.
Vielleicht legt W[ilhelm] noch einen Brief an Fröhlich bey, doch ist er noch sehr beschäftigt mit der Sendung an U[nger], und bleibt keine Zeit so wartet er bis nächsten Posttag, da Fr[öhlich] sich doch an ihn gewandt und er also antworten muß, auch wegen des Geldes. – In diesem Falle meldest Du nur vorläufig wenn es die Gelegenheit giebt, daß es bey unserm Entschluß bleibt. Ich bin stark am Gespräch und am Brief über Shakesp[eare].
Wenn Du Veranlaßung fändest, etwas über die sogenannte Moralität der Luc[inde] zu sagen, das sollte mir sehr lieb seyn, theils der Luc[inde] wegen, theils an sich, würde es mich sehr interessiren zu sehen und meine Freude daran zu haben, wie Du etwas dergleichen angreifen würdest.
Caroline ist erst jetzt dazu gekommen Deine Reden zu lesen, da das Haus bis jetzt nicht leer von Menschen war und sie die Wirthin sehr treulich macht. – Sie hat sie aber auch mit sehr großem Interesse in einem Strich zu Ende gelesen, und findet daß es ein gewaltiges Buch ist. Die Religion und das Universum läßt [sie] sich gar sehr gefallen, auch wohl die Vermittlung, aber von der Mittheilung der Religion will sie nichts wissen und von da an nimmt sie eine retrograde Stellung ein.
U[nger] giebt das Buch noch nicht aus, oder hat es wenigstens nicht verschickt. Daher ließ sichs Hardenberg vor einigen Tagen durch einen Expressen holen. Den Erfolg wollen wir nun abwarten!
Zu Hülsens Bildungstrieb habe ich mir noch keinen Trieb gebildet. – Alles was er schreibt, ist für mich moralisch. Keiner entspricht so meiner Idee von Moral, selbst die epische Form gehört mit dazu. Moral ist mir grade wie Religion unsichtbares Element der Mystik. Etwas ganz andres Praxis und die Principien derselben. Sie sind bey mir äusserst revoluzionär, daher ich auch da manche Verschiedenheit von Dir vermuthe. Freylich nur Verschiedenheit: denn Deine Ansicht der Praxis ist mir höchst interessant; dahingegen Hülsen von dem was ich darunter verstehe weder Einsicht noch Vermuthung hat.
Was in den Ideen in nährer Beziehung auf Deine Reden scheint als das übrige, ist eigentlich weder an Dich noch gegen Dich; sondern nur wie die Schwaben sagen, aus Gelegenheit Deiner. – Die ganzen Ideen gehen bestimmt von Dir oder vielmehr von Deinen Reden ab. Weil Du auch nach der andern Seite in den Reden stark nach einer Seite hängst, habe ich mich auf die andre gelegt, und Hardenbergen mich gleichsam, wie es scheint, angeschlossen.
Wilhelm hat noch nicht anbeißen wollen, hat auch viel zu schaffen, und beyläufig viel göttliche Geister von ungebohrnen Liedern in seinem Kopfe.
Salut et fraternité.
Wenn Dor[othea] nicht mehr in Berlin ist, dann muß unsre Corresp[ondenz] erst eigentl[ich] beginnen.
Zu den Christen - setze eigentlichen[.]
Das groteske Χρ [Christenthum] mag auf Dich ankommen oder auf die Censur, denn nur aus Besorgniß vor dieser hat es W[ilhelm] angestrichen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 20. September 1799
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 5‒6.
Language
  • German

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