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Friedrich von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Fürs Athen[aeum] kann ich Dir eben noch nichts schicken. Die Sehnsucht ist mir nicht günstiger als die Ruhe. – Der kleine Aufsatz von der Bernhardi soll aufgenommen werden; will sie etwa noch daran ändern, so gieb ihn ihr oder dem B[ernhardi] zu diesem Behuf. Wenn derselbe an H[erder]’s Metakritik ein Haar gefunden, so thut es mir um so weniger leid, da Schelling es auch thun will und in mancher Rücksicht besser kann.
Lieber Freund, wie wunderlich hast Du das aufgenommen, was ich Dir letzthin geschrieben; als ob ich fodern könnte, Du solltest die Ideen verstehen, oder unzufrieden darüber sey, daß Du sie nicht verstanden. Es ist mir ja eben nichts verhaßter als dieses ganze Verstandes und Misverstandes Wesen und Unwesen. – Ich freue mich herzlich wenn irgend einer den ich liebe oder achte, einigermaßen ahndet was ich will oder sieht was ich bin. Du kannst leicht denken, ob ich in dem Falle bin, diese Freude oft erwarten zu können. Ich erwarte es nie, und nehme es eben als eine Gabe des Himmels an, wenn die Liebe einem einmal das Verständniß öffnet. Aber eins erwarte ich von jedem Freunde weil ich es erwarten will, daß was mit Liebe und Freude in bescheidner Hoffnung dargeboten wird, auch entweder gar nicht oder in demselben Geiste – und nicht im entgegen gesetzten angenommen wird.
Geben Dir meine Schriften nur Anlaß, Dich mit einem hohlem Gespenst von Verstehen und Nichtverstehen herumzuschlagen, so lege sie noch bey Seite. – Oder mache es mit allen wie Du es glaube ich mit der Luc[inde] gemacht hast; freue Dich an dem was nach Deinem Sinne ist, und laß das übrige fallen.
Das Gerede darüber kann aber gewiß wenig fruchten geschweige denn gar über andre zartere Verhältnisse. Oder glaubst Du, daß zerrißne Blumen durch Dialektik wieder wachsen?
Wie wenig das Reden hilft, das bewährt sich gleich in dem was Du auf meine Bemerkung über Deine vorschnelle Klarheit erwiederst. Lieber Freund wie seltsam denkst Du das? Und die Worte sind doch aber ganz und klar und verständlich. Es ist immer ein und dasselbe, was ich über Dich zu klagen habe. Da ich zuletzt mit Dir über Dich sprach sprach ich eben davon, von Deinem Voraussetzen des Nichts, von Deiner Zuversicht im Unglauben, von dem Mangel an Sinn und Liebe im Einzelnen, der mich oft so geschmerzt hat. Ich kann den Grund davon freylich nicht in Deinem ursprünglichen Wesen suchen, sondern nur in einem zufälligen Misverhältniß und Misbrauch Deines Verstandes zu finden glauben. Und wenn ich in einem ersten Augenblick des Gefühls dieses Princip sehr hart bezeichne, so kannst Du es vielleicht verzeihen, wenn Du Dich erinnerst, daß es eben dieses ist, was unsre Freundschaft so feindlich berührt hat. –
Du wirst vielleicht finden, daß auch dieser Brief eben nur ein neuer Beweis von der Unnütze des Redens hier sey, und daß Du also meine Beschuldigung nach allem Recht und Billigkeit mir zurückgeben kannst. Ich bekenne es im voraus und bitte Dich nur, es den letzten Beweis der Art seyn zu lassen. – Ich darf mich jenem Gefühle nicht ferner überlassen, es ist mir hart genug mich dieser Nothwendigkeit zu fügen; und ich kann nun eben nichts thun als die Hoffnung verehren, bis uns neue Freundschaft erleuchtet.
Ein Besuch hat mich unterbrochen. Nächstens mehr.
Metadata Concerning Header
  • Date: [Anfang Oktober 1799]
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 6‒7.
Language
  • German

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