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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

den 28ten 8br 99
Friedrich sizt hier in meiner Stube, und fühlt einem englischen Buche den Puls, von dem Wilhelm einem Buchhändler eine Uebersetzung vorschlagen will, die ich dann machen soll, wenn das Buch nemlich gut ist. Der Mensch macht die langweiligsten Gesichter bey diesem Examen, ich fürchte also, es wird wieder ein vergebliches Unternehmen seyn; daß ihm nun alles auf den Hals geschoben wird dem armen Friedrich! er ennuirt sich recht sehr dabey, da[s] seh ich von hier aus, und er sizt wenigstens zehn Schritte von mir; Ich mag es also gar nicht dahin bringen daß er Ihnen in dieser Stimmung selbst schreibe. Zu seinen vielen Leiden kömt auch noch das hinzu, daß man keinen vernünftigen Wein hier hatt, der gewöhnliche ist der Graves des Graves, und andern kann man hier gar nicht haben. Madame Hufeland habe ich gestern gesprochen. Sie sagte mir die Herz trüge ihre Hand noch in einer Binde. Ich hoffe jezt ist Alles wieder hergestellt. Tausend herzliche Grüsse für sie ich schreibe, und danke ihr nächsten Posttag selbst, für ihren Brief. – Sie haben mir schön geschrieben, lieber Schleyer: Ich war einmal einen Morgen bey Ihnen wie Friedrich in Dresden war, da waren Sie ganz ungemein gut, und eben so ist mir Ihr Brief vorgekommen. Lieber Freund! Seyn Sie gut gegen Friedrich denn niemand ist so gequält als er, bey seinem Nichtgelingen. Reden kann ich nicht viel darüber wie es gehen wird weiß ich auch nicht – – Jezt arbeitet er, wie er sagt am 2ten Theil der Lucinde, aber er ist nicht so frey so munter als er seyn sollte. Es ist entsezlich daß ihn die Sorgen am arbeiten verhindern anstatt ihn zu spornen. Noch entsezlicher ist es, daß die Sachen die er doch in so kurzer Zeit gemacht hat, nicht so viel eintragen, daß er wieder ruhen, und sammeln könnte. Entsezlich daß er von Kunstwerken leben soll, die wie Handwerks Arbeit bezahlt wird. Bey Allem dem habe ich die beste Hoffnung, daß wenn wir ihn nur noch einige Jahre durchhelfen, so wird es gewiß besser gehen. Die Welt scheint ja wieder von der Sonne beschienen zu werden, die Guten siegen ja wieder! ich träume mir noch immer, daß F[riedrich] einmal eine andre carriere ergreift, als die er jezt hat. Giebt uns das Schicksal einen Staat so wird er gewiß auch noch Bürger. Bald nur bald lieber Himmel, eh es für Uns zu spät ist! – Was in aller Welt sagen Sie nur zum Buonaparte? – darf man wohl dem Glück eines wahrhaft großen Menschen mißtrauen? –
Schelling? ich weiß noch nicht viel von ihm er spricht wenig; sein Aeußeres ist aber so wie man es erwartet; durch und durch kräftig, trotzig, roh, und edel. Er sollte eigentlich französischer General seyn, zum Catheder passt er wohl nicht so recht, noch weniger glaube ich in der Litterarischen Welt. Ueberhaupt bin ich der Meynung jezt: Ihr revolutionären Menschen, müsstet erst mit Gut und Blut fechten, dann könntet ihr um auszuruhen schreiben, wie Götz von Berlichingen seine Lebensgeschichte. Darum gefällt mir auch Benvenuto Cellini so gut. Ich möchte auch gern einmal vom Luther lesen, ich ahnde daß der eine rechte Aehnlichkeit von den beyden haben muß. Und so sollte es mit Euch nur auch seyn. Denn Euer Wesen, und Euer Wollen, das paßt zum Litterarischen Gang, und zur Kritik, und alle dem Zeuge, wie ein Riese in ein Kinderbettchen. Ich sehe es jezt recht deutlich daß die, die das Ruder führen, höfliche kalte geschmeidige Flachköpfe sind, und Euch nicht brauchen können zu den kleinen Maschinen, die sie für ihre schwächlichen Hände eingerichet haben. Sie gehen tief gebückt durch die kleine Pforte und ihr wollt grade aufrecht durch; freylich zerstoßt Ihr euch die Köpfe. Der Zwist mit der Litt[eratur] Zeit[ung] ist angezeddelt, und es wird wohl nun bald etwas öffentliches darüber erscheinen. Wilhelm ist ein rüstiger Kämpfe; aber mir thut es leid, daß er Witz und Kräfte gegen die Wichte so verschwenden muß. Nächstens sollen Sie ein herrliches Sonett erhalten; die Frucht einer herrlichen Stunde von Wilhelm und Tieck. (Tieck ist aber ein Geheimniß dabey) ich habe es recht gewünscht daß Sie hier dabey gewesen wären, um das Sprudeln, und das Funken sprühen der beyden Menschen zu sehen, Sie hätten sich gewiß eben so sehr als ich ergözt! Ueberhaupt ist Tieck hier eine gute Figur; er nimmt sich sehr brav aus, und ist an seiner rechten Stelle. aber die Madame Tieck sticht gewaltig ab. Man erträgt sie eben des Mannes wegen, der es sich wohl mus[s] vorgenommen haben recht liebenswürdig hier zu seyn, was ihn auch recht gelingt. Ja lieber Freund! Sie sollten herkommen[.] Wenn es so recht kunterbunt her geht, mit Witz, und Philosophie, und Kunstgespräche, und herunter reißen, dann erinnere ich mich sehr lebhaft Ihrer. Sie würden eine rechte Lust haben, und schwerlich würden Sie Zeit genug zu Ihrem mystischen Kugelwerfen nach Tische, und zu den gefährlichen Equilibristischen Stuhldrehungen finden; denn sagen Sie was Sie wollen, das waren doch nur immer Zeitverkürzungen, wenn sie gar zu lang werden wollte. – Daß Ich den Hardenberg nicht aufsuchte, war ganz recht, als ich angenommen. Mich sezt eine Bekanntschaft, vollends eine so interressante Bekanntschaft immer in einiger Verlegenheit, die hernach so sänftiglich almählich abnimmt; dazu gehört aber Zeit, und die hatte ich nicht. Hätte ich seine Bekanntschaft machen können, ohne daß er die meinige hätte machen müssen, so wäre es angegangen. Dann gehört auch einiges – Selbstbewußtseyn – will ich es nennen, dazu um jemand so zu sich zu rufen um ihn zu besehen. Eine solche edle Dreistigkeit haben nur schöne Frauen, oder sollten nur diese haben. Er kömt gewiß diesen Winter noch her. Wahr ist es, das er ganz kürzlich eine sehr wunderliche Manier angenommen hatt. Und nach dem, was man sich hier von ihn erzählt, ist es etwas wunderbar! So z.B. ist er ganz toll und rasend in Tieck verliebt, und behauptet, das wäre noch ein ganz andrer Dichter als Goethe, u dgl. (und dergleichen, ist eine von Schellings Redensarte[n]). Daß ich den Pabst nicht gesehen, darüber kann mich kein Mensch trösten.
Wilhelm ist ein ganz braver Mensch, und ich wollte, Friedrich könnte immer bey ihn seyn. Seine Regsamkeit und lebendige Thätigkeit geht wirklich bis ins Große! Caroline ist liebenswürdig, und bleibt es, trotz der nähern Bekanntschaft; Ewig Schade daß sie ihr seltnes Talent für die Kunst nicht übt, und mit Ernst bildet. So nimmt ihr aber die schöne Weiblichkeit alle Zeit, und alle Gedanken. Im Grunde glaube ich nicht daß sie zu dem Leben, wie es ihr hier angewiesen ist rechte Liebe hat. Ihr Wunsch ist wahrscheinlich, einen glänzenden Weg zu gehen. Sie ist freundlich, und lebhaft, aber nie vergnügt, nie fröhlich. Auch ist oft ein Zerstreut seyn, eine merkliche Abwesenheit in ihrem Wesen merklich – – – kurz ich glaube nicht daß sie glücklich ist. – Von Augusten konnte ich Nichts schreiben, ich fand sie nicht, sie ist in Dessau bey Tischbeins.
Lieber Schleyermacher, wenn Sie die Levin sehen, so sagen Sie ihr recht viel freundliches von mir, ich schreibe ihr, so bald ich die Zeit finde, unterdessen aber liesse ich sie bitten, mir doch erst zu schreiben und nicht auf meinen Brief zu warten. Sie sollte und müsste uns Autoritäts Urtheile über den Hamlet schreiben. Ein jeder muß thun was er kann, und von ihr erwartet man das. – Auch wenn Sie Rose sehen, grüssen Sie sie, und fragen Sie sie, warum sie meine Briefe und Aufträge in Leipzig nicht bestellt hat? und warum sie mir nicht geantwortet hat? – Noch Eins. Die Levin soll mir etwas über unsern Sommer Plan schreiben. Sehen Sie etwa die Bernhardi, so sagen Sie ihr ich würde Alles besorgen, und ihr auch bald schreiben. – Ich habe viel Kopfweh lieber Freund, und sogar hatte ich [ein] paar kranke Tage. China und Valeriana taugen gar Nichts hier, obgleich Hufeland das Gegentheil behauptet. Nun möchte ich Sie bitten, dem Doctor Bing in meinen Namen um ein Recept zu bitten, und mir gut eingepackt, und gegen Nässe verwahrt, eine recht grosse Portion gute China, mit dem gehörigen Theil Valeriana vermischt her zuschicken. Und auch einige Loth Valeriana ohne China. Die brauch ich auch oft in desparaten Fällen. Hat der D[octor] Bing noch das Fieber? – Geben Sie doch den Brief selbst an Jonas lieber S[chleyermacher] denken Sie sich, ich habe von dem Jungen noch gar keine Silbe gesehen, und auch sonst keine Nachricht von ihm, wenn er nur nicht krank ist! Philipp ist schon hier so gut wie zu Hause, er ist auch recht fleißig.
Friedrich grüßt Sie herzlich, er hatte es sich vorgenommen Ihnen zu schreiben, es ist zu vermuthen, daß Sie alldarum heute keinen Brief von ihm bekomen. – Der Herr behüte Sie. Die Ihrige
DV.
Mit den Löffeln werden Sie wohl bald Anstalten treffen müssen, daß andre Leute Suppe damit essen. Sie verstehen doch?
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Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 28. Oktober 1799
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 17‒19.
Language
  • German

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