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Friedrich von Schlegel to Johann Gottlieb Fichte

Wir freuen uns herzlich, daß es Ihnen so wohl geht, und wünschen nur, daß Sie nicht den Gedanken an die Zurückkunft für diesen Winter ganz aufgeben.
Sie haben uns sehr verpflichtet durch die M[erkel] betreffende Nachricht. Mein Bruder hat schon das Nöthige darüber an Sie geschrieben. – Nun hat sich noch eine neue Erscheinung hervorgethan, die damit gewisser Maßen in Verbindung steht – eine Laterne des Diogenes, als Taschenbuch bei Rein in Leipzig in Commission. Es enthält außer vielem litterarischen Wesen auch pasquillantische Persönlichkeiten gegen die Veit und Schl[eiermacher]. Die erste ist wegen ihres Umganges mit mir angegriffen; der letztere wegen seiner – Verwachsenheit. Mein Bruder und Tiek haben das Produkt kritisch gelesen, und nach ihren Gründen, die umständlich zu entwickeln zu weitläuftig wäre, muß J[enisch] der Verfasser seyn. Er hat es aber ausdrücklich darauf angelegt, sowohl im Buche selbst als in der Annonce im Hamburger Correspondenten, daß man Merkel dafür halten soll. Ich wünschte sehr zu wissen, ob man in Berlin dieses Buch kennt, und wem man es zuschreibt. Findet sich Etwas, worauf man fußen kann, so hätte ich wohl Lust, den Namen des Verfassers öffentlich bekannt zu machen.
Schelling hat Ihnen ohne Zweifel Nachricht von seinem Streite mit der A[llgemeinen] L[iteratur] Z[eitung] gegeben. Sie haben sich sehr unvorsichtig gezeigt und volle Blöße gegeben. Auch mit meinem Bruder sind sie endlich zum eclatanten Bruche gekommen. Schütz hat in diesen letzten Tagen die Unverschämtheit gehabt, Nicolai’s Adelheid mit seiner gewöhnlichen Posaune zu verkünden. Ueberhaupt scheint die A.L.Z. nicht übel Willens, sich zum Vereinigungspunkt aller schlechten Subjekte zu constituiren, und darin wird sie denn hoffentlich ihre Natur ganz finden. Möchten doch auch Sie Zeit und Laune finden, eine und die andere Ihrer alten Ideen auszuführen, um das Ende dieses kritischen Babylon zu beschleunigen.
Verzeihen Sie meine Weitläuftigkeit über diesen fatalen Gegenstand. Ich hätte so vieles Andere und Bessere Ihnen zu schreiben. Sie interessiren sich so gütig und freundschaftlich für meine Freundin und mich, daß ich meinen Muth neu dadurch belebt fühle, alle Widerwärtigkeiten zu besiegen, die sich mir entgegenstellen. Mündlich werde ich mehr über meinen Plan mit Ihnen reden. Es hat doch keine Eil, weil diesen Winter eben noch Nichts verändert werden kann.
Es hat mich gefreut und überrascht, daß Sie es der Mühe werth gefunden, meine Ideen über Religion aufmerksam zu lesen. Ich habe dabei freilich nicht Sie, sondern junge mir nicht ganz unähnlich gesinnte Köpfe vor Augen, die eben auch noch im Gähren sind, und würde es nicht wagen, Ihnen meine Ansicht anders als in einer strengen Form mitzutheilen. Endlich bin ich doch so weit gekommen, daß ich hoffe, Ihnen bei unserm nächsten Wiedersehen vollständig vortragen zu können, was ich zunächst im Fache der Philosophie auszuführen gedenke. Ich hoffe auch schon im nächsten Sommer mit allem Eifer an die Arbeit gehen zu können.
Ganz der Ihrige
Fr. Schlegel.
Metadata Concerning Header
  • Date: [nach dem 3. November 1799]
  • Sender: Friedrich von Schlegel ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 20‒21.
Language
  • German

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