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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena, den 9ten December 99
Friedrich ist recht fleissig am Gespräch, es wird lang! Er ist wieder froh, seitdem ihn das Arbeiten von Statten geht, und unsre Aussichten fangen sich mit diesem Frohsein wieder an zu erheitern. Mit diesen Aussichten ist es aber wie mit der Aussicht aus Veit seinen Fenstern; je weiter hin, je besser; die nächsten Schritte sind aber schlüpfrich und mühsam. Mit allen unsern schönen Aussichten auf die Zukunft fehlt es uns nur in den nächsten Tagen. Ich muß Sie also bitten, mir wenn es mit dem Verkauf meiner Sachen geht, so bald als möglich Geld zu schicken. Wenn auch mit der Post; V[eit] oder Joseph, geben Ihnen alsdenn wohl diejenige Münzsorte, bey der ich am wenigsten verliere. Mein guter Florentin muß jezt viel Noth erleiden, ich kann ihn aber vor der Zeit nicht heraus helfen. Finde ich heute noch Zeit so schreibe ich die Lieder noch für Sie ab, doch werden Sie eben nicht viel daran finden, weil sie im Zusammenhänge gehören. Friedrich entbietet Ihnen seinen Grus; Europa, und der Wiederborst, werden beyderseits nicht ins Athenäum gedruckt! Dem Himmel sey es tausendmahl, und noch tausendmahl gedankt. Ich war gleich von vorne herein sehr dagegen, aber das war eine Stimme in der Wüste. Endlich wollte es Wilhelm nicht ohne eine Note; die wollte Schelling nicht, Goethe ward zum Schiedsrichter genommen, und der hat es ganz und gar verworfen! Vivat Goethe! – Der ist übrigens nebst Schiller nach Weimar gereißt kömt aber in 8 Wochen wieder, und hat gesagt nun sie ihn so öffentlich und grade zu als Haupt einer Parthei ausschrieen, wollte er sich auch auf eine honette Weise sich als einen solchen zeigen. Ein Gedicht daß W[ilhelm] gemacht hat, und daß ihn sehr gefiel, hat er mit nach Weimar genommen, um es anonime den Schlegels Feinden vorzulesen, und den Eindruck bemerken, den es machen wird. Tieck hat ihn in zwey Abenden seine heilige Genovefa vorlesen müssen, von der er überaus viel Gutes gesagt hat. Von Ihnen hat er gesagt: Sie gehörten sehr zum Berge, nemlich zu Schlegels.
Jean Paul war in Jena, wir haben ihn aber nicht gesehen; er hat aber Tieck einigemal besucht.
Fichten habe ich einige Mal gesehen, aber noch nicht recht ordentlich gesprochen; heute Abend wird er mit seiner Frau und seiner Schwiegerin hier seyn[,] Schlegel wird Heinrich den 4ten vorlesen den er eben fertig hat. Das M[a]n[u]sc[ri]pt geht morgen früh nach Berlin, wenn sie also neugierig sind, so geben Sie der Carabosse ein paar gute Worte, so giebt sie es Ihnen vielleicht. Was hat denn diese allerliebste Satanassin wieder für eine Bosheit in Form eines Romans ausgebrütet, der Charlotte Sampson, oder Geschichte eines jüdischen Hausvaters heisst? Den 16ten Xbr [December] soll es ja ausgegeben werden. Es ist doch ohne Zweifel wieder etwas Giftiges.
Leben Sie wohl, sehen Sie mein eiliges Schreiben von der rechten Seite an; wenn Sie können so schreiben Sie mir. Ja Sie müssen mir foi d’honnête homme, et foi d’un ministre de la parole de Dieu, schreiben wie Ihnen meine Lieder gefallen.
Dorothea
Herzliche Grüsse an Jette.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 9. Dezember 1799
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 30‒31.
Language
  • German

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