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Dorothea von Schlegel to Friedrich Schleiermacher

Jena 6ten Januar 1800
Was sagen Sie zu den Stanzen? Ich meyne zu Friedrich seine? Und was werden Sie erst sagen, wenn Sie hören, daß ich, ich selbst diese Stanzen Wuth und Glut, über unser Haus gebracht habe! Ich lese nemlich in einer Italiänischen Reisebeschreibung, daß die Italiäner, in Stanzen improvisiren, und daß Tasso und Meister Ludwig seine ottave rime im Munde alles Volks dort sind! Ich nicht faul, lasse gleich meinen Florentin in solchen niedlichen fließenden Stänzchen improvisiren, und sie gelingen mir so wohl, daß sie des Meister Wilhelms ganzes Lob erlangen. Dieser mein Ruhm ward natürlich nachgeeifert, so entstanden Schelling seine Stanzen, und nun gar der heilige Friedrich! der mit seinen Glanz uns so verdunkelt, daß wir uns schämen auf derselben Bahn mit ihm zu treten. Eben darum will ich es mir aber nicht nehmen lassen, daß ich die erste war, die es wagte. Auch ein neues niedliches Liedchen habe ich gedichtet, daß aber erst im zweiten Theil seinen Platz finden möchte, für den ersten ist es zu sentimental. Glauben Sie nicht, daß die Ehe, und die Kinderzucht nicht im Florentin respektirt würde daß Florentin sich so darüber beklagt, ist ja eben ein Beweiß daß er nicht wenig damit umgeben war. – Unger hat noch nicht geantwortet, wenn es die Unholdinn nur nicht gemerkt hat, von wem es herrührt! Doch verkauft soll er wohl werden, dafür ist keine Sorge, aber ein hübscher Spaß wäre es, wenn er an U[nger] käme. Friedrich ist sehr fleißig, es geht aber mit allem ersinnlichen Fleiß doch nur langsam vorwärts. Im übrigen geht es uns allen so gut, und wir leben so angenehm, als gewiß nur wenig Menschen, in einen so engen Zirkel sich werden rühmen dürfen. Wir sind so lustig als gäbe es keine Kälte, keinen Holzmangel und keine dumme Menschen mehr! Nur an einem einzigen Gut fehlt es uns, und das ist freylich, leider das Geld! Wo wir das alles hernehmen wollen, so wenig wir auch brauchen, da bey steht mir mein alter, und mein neuer Verstand still! Daß wir Ihnen die 50 rth [Reichsthaler] noch nicht wiedergeben können, gehört nicht zu den drükendsten unsrer Sorgen, aber zu den empfindlichsten! es ist hart! – – – –
So bald Fröhlich das M[a]n[u]sc[ri]pt zum Athenäum hat, will ihn Friedrich schreiben, daß er Ihnen 8 L[ouis]d’or gebe, dafür sind Sie so gütig und bezahlen Friedrich seinen Schneider, der noch 21 rth [Reichsthaler] bekömmt; und auch den Kaufmann Bütow, der ungefähr eben so viel bekommen wird[.] Sie sind nur so gütig und lassen sich meine Rechnung von Bütow hohlen. Sollte dann noch ein kleiner Rest übrig bleiben, so verwahren Sie ihn mir. Mit dem Verkauf der Meubles bitte ich Jetten sich nicht zu sehr zu übereilen. 10 rth [Reichsthaler] für den mächtigen reichen Sopha dünkt mich etwas zu wenig, besonders wenn ich mir nun denke, was man nach dieser Proportion für die andern Dinge bieten möchte. Fichte will sich Meubles in Berlin anschaffen, er will die meinige besehen, und wahrscheinlich einiges davon kaufen; er wird doch seinen JudenHaß wenigstens damit sanctioniren daß er sie mir Christlich bezahlt! Ich komme gewiß in Sommer nach Berlin nur kann ich keine bestimmtere Bestimmtheit geben, als den Begriff Sommer! Und darum kann ich mir keine Wohnung mieten lassen, weil ich noch nicht weiß ob ich zu Ostern oder zu Johanni komme. Sollte mein Meuble sich nicht haben wollen honett verkaufen lassen, so kann ich ja mir immer noch eine Wohnung miethen wenn ich erst in Berlin bin! Mich dünkt es aber vernünftiger, chambre garnie zu wohnen, weil mein Bleiben doch nicht in Berlin ist. Nur nicht die Meubles schimpflich verkaufen. Ich verlasse mich ganz auf Sie, und auf Jette. Das Clavier dünkt mich muß man unter 40 rth [Reichsthaler] nicht weggeben.
Schreiben Sie mir bald wieder, und recht viel angenehmes! Unzählige mahl habe ich mir Sie gedacht in dieser revolutionären Kälte. Haben Sie noch nichts Warmes des morgens anzuziehn? Hören Sie Lieber! machen Sie Stanzen wenn Sie frieren, das hilft ganz prächtig.
Veit hat mir für 3 Monath Revenüen auszahlen laßen. Ich bat Sie um 4. haben Sie ihn nur für drey bestellt? oder hat er eine Confusion gemacht? Ich habe ihn in meinem heutigen Brief ersucht, den 4ten Monath an Fichten auszuzahlen, an den ich deshalb eine Anweisung gegeben habe. Fichte wird Sie vielleicht Ihnen geben, wollten Sie sie wohl auf diesen Fall bey Veit einkassiren?
Die Bernhardi müsste eigentlich einen Sohn haben, und wird ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auch wohl bekommen, obgleich es mich etwas Confuse macht, daß sie so früh, guter Hoffnung geworden ist; es hätte eigentlich länger dauern müssen, dann wäre ein Sohn ganz unbezweifelt. Grüssen Sie sie und Bernhardi wenn Sie sie sehen, und sagen Sie ihnen, ich wäre ganz böse, daß sie mir nicht ein einzigs Mal schreiben, es ist ganz unrecht; ich hätte es nicht von ihnen gedacht!
Tieck seine Genoveva wird jezt gedruckt, Sie können sich nur darauf freuen, es ist ein schönes Werk, und wohl Tieck sein höchstes! und auf einen Grad der Kunst, wo wir wohl alle den Tieck noch nicht gesehen haben. Wenden Sie sich nur an Bernhardi; wenn ich recht gehört habe, bekömt er Aushängebogen. Ich danke Ihnen, und den D. Bing recht sehr, für Ihre Nachrichten wegen den Gebrauch der Valeriana; ich befinde mich jezt recht wohl, und habe seit einige Wochen gar keine Medizin gebraucht.
Ist der Herz ihre Prenzlau schwester schon in Berlin? noch in Berlin? was haben Sie mit ihr gemacht? annihilirt?
Tausend freundliche herzliche Grüsse am Grafen Alexander, mit dessen Zurück Kunft so wie mit Jettens Freude darüber, ich mich sehr gefreut habe. Ich empfehle mich seinem freundschaftlichen Andenken. Leben Sie wohl Freund und meiner eingedenk, denken Sie immer darauf wie wir es einrichten, wenn ich nach Berlin komme, wie wir viel und freundlich zusammen sein können; denn Sie mein lieber S[chleiermacher] müssen mir viel, ach! gar viel viel ersetzen wenn ich nach Berlin komme; Sie können aber auch recht viel – – – Leben Sie recht wohl.
Dorothea.
Noch eins mein guter Freund! wenn Sie etwa Zelter einmal sehen, so empfehlen Sie mich seinem Angedenken. Ich wollte er hätte alle die Briefe [empfangen], die ich ihm schon in Gedanken geschrieben habe, zur wirklichen Ausführung, habe ich noch immer nicht kommen können.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 6. Januar 1800
  • Sender: Dorothea von Schlegel ·
  • Recipient: Friedrich Schleiermacher ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Berlin · ·
Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 25. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Höhepunkt und Zerfall der romantischen Schule (1799 ‒ 1802). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hermann Patsch. Paderborn 2009, S. 39‒41.
Language
  • German

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